Als ob sie die Welt umarmen wollten

Bejubelte Premiere des 24. Dresdner Weihnachtszirkus

Gruppenbild mit Katzen

Menschen! Tiere! Sensationen! Er gilt noch und immer wieder, der alte Zirkusspruch. Beim 24. Dresdner Weihnachtszirkus gab es jetzt im mit 2.400 Menschen fassenden Grand Chapiteau eine Premiere der Superlative mit standing ovations und lang anhaltendem Applaus.

Wie gut das alles (wieder einmal) war, sieht man an der Unmöglichkeit, eine ganz leichte Frage zu beantworten: „Und, was war denn Dein Lieblingsbeitrag?“ Da kommt nix wie aus der Pistole geschossen, sondern erst einmal langes Nachdenken.  Und dann so nach und nach quasi das ganze Programm, nur nicht in chronologischer Reihenfolge, sondern schon ein wenig geschmäcklerisch gewichtet.

Truppe SokolovDie Abschlussnummer der Truppe Sokolov kommt zuerst in den Sinn. Mit Mozart im Hinterkopf (weil zu seiner Musik und mit passender Kostümierung präsentiert) flogen da die Menschen durch die Luft wie Federbälle. Schleuderbrett-Eskapaden mit Salti und Pirouetten mit einer Leichtigkeit dargebracht, sie ihres Gleichen sucht. Und, nebenbei bemerkt: die Mozart-Optik mit Puder und Perücken sieht noch lustiger aus, wenn man sich die herauslugenden  berufstypischen Tätowierungen dazu betrachtet!

Good Night Boring?Gleich danach fällt einem vielleicht Alexander Lacey ein, der mit Tigern, zwei Löwen und einem Leoparden angereist ist. Das Programmheft nennt ihn den Gentleman unter den Dompteuren. Was immer das heißen soll: sein Umgang mit den gar nicht mal so kleinen Raubkatzen fasziniert. Noch völlig im Dunkeln ganz zum Beginn der Nummer hört man ihn schon leise, man erahnt schemenhaft, das da was passiert (und man weiß natürlich, wer da mit ihm hinter Gittern ist) – und dann: Licht an, und WOW! Der mehrfach ausgezeichnete Dompteur hatte ein wunderschönes Gruppenbild mit allen dreizehn Tieren inszeniert. „Die gucken aber gelangweilt!“ kommentierte meine Begleitung den Gesichtsausdruck der Löwen, was man auf jeden Fall nur mit „Möge das so bleiben!“ beantworten konnte. Nervöse Löwen, die unruhig herumtigern, sind nämlich nicht so der Hit. Aber hier lief alles wie am Schnürchen, Lacey gab den Löwen freundliche Klaps mit der Hand auf den Hintern, legte sich auf die schlafenden Löwen und Tiger (ähm: sie spielten nur schlafen, natürlich!), umarmte die Tiere und gab freundschaftlich Küsschen.

Alan SulcZeit zum Küsschen geben hatte Alan Sulc nicht. Er musste sich nämlich auf seine Jonglierbälle konzentrieren. Beim irischen Stepdance zappeln die Füße, fliegen die Bälle durch die Luft – aber der Mann (erst 29 Jahre alt) behält Haltung auf seinem kleinen runden Plateau. Die Assistentin im Hintergrund gibt ihm einen Ball nach dem anderen – kein Grund zur Beunruhigung, fliegt halt einer mehr durch die Luft. Neun waren es zum Schluss, nicht schlecht!

Louis Knie jun.Dass Louis Knie jun. gut mit Pferden kann, ist kein Wunder: er vertritt bereits die 7. Generation der traditionsreichen Circusfamilie. Geboren wurde er übrigens am 25. Dezember 1974 – da steht während des Dresden-Gastspiels ein runder Geburtstag an! Angereist ist Knie mit 24 Pferden – und sechs Kühen. Die Ladies geben ein ungewohntes Bild ab im Zirkus! Vertrauter sind da schon Schimmel, Araber und Friesen, die allein oder in Kombination miteinander die Manege füllen. Da geht es mit Figuren wie Piroutten und Fächern sportlich zu – und wenn seine Frau auf zwei Pferden reitend immer wieder ein weiteres zwischendurch galoppieren lässt, um dann schlussendlich sieben Voraus-Pferde zu haben, geht die Ungarische Post ab.

Totti Alexis„Und warum sagst du nix zum Clown?“ – „Ruhig, Brauner!“ Totti Alexis ist nämlich einer, der einem nicht einfallen muss, weil er einem gar nicht erst aus dem Sinn geht. Und er ist nicht allein: seine Frau Charlotte ist dabei und auch seine beiden Söhne Charlie  und Maxim (der 2014 in Dresden geboren wurde!). Totti ist völlig zu Recht so beliebt in Dresden, paart er doch das Clowneske mit Charme und Können. Er spielt Trompete und singt, er tanzt mit einer Partnerin aus dem Publikum, er gibt den Tollpatsch und hat das Publikum immer auf seiner Seite. Wohl auch, weil er sich nie übers Publikum lustig macht, sondern nur über sich selbst! Mit den beiden Kids steht nun die sechste Generation Alexis-Clowns in der Manege – und es lässt sich gut an!

Große GestenWas auch die Jüngsten der Alexis-Family schon perfekt beherrschen, ist die große Geste. Ohne die wäre der ganze Zirkus ja eh nichts: Herrrreinspaziert! Als ob sie die Welt umarmen wollten, was aber doch in Zeiten wie diesen die symphatischere Geste ist als sich mürrisch-meckernd-verschlossen-abweisend zu zeigen. Wie gesagt, beim Zirkus funktionierts, von den Kids über die Großen bis hin zu den Tieren. Also die Löwen haben es ein wenig getan, aber ihre nur namentlich verwandten Seelöwen (die mit der Duss Family angereist waren) perfektionierten es: sie klatschten die Flossen und öffneten sie wie zur einladenden Umarmung. Von Seelöwen lernen heißt offen sein! Und Fisch bekommen, wenn man alles richtig gemacht hat…

Air TrioWie man die große Geste in der Luft vorführt, zeigten die drei Künstlerinnen aus St. Petersburg, die sich als Air Trio hoch unterm Zirkuszelt gar anmutig bewegten, als stünden sie auf dem festesten aller Böden. Schön anzusehen und – wie alle Darbeitungen des Abends – nicht nur Augen-, sondern auch Ohrenschmaus: wie immer spielte die Big Band des Dresdner Weinachtszirkus live, was ein nicht unwesentlicher Teil der Atmosphäre ist. Ganz besonders speziell wird’s, wenn sich die Sängerin Anke Fiedler dazu gesellt – ob oben bei den Musikern oder unten in der Manege bei den Künstlern.

Troupe SerbatKommen drei Männer und zwei Frauen aus Kasachstan und gehen die Leiter rauf und runter. Ist das spannend? Nun ja, so wie sie es machen, schon: ein Mann unten, auf seinem Kopf steht eine Frau – und auf deren Schultern eine zweite. Auf diese Art eine Leiter hoch und auf der anderen Seite wieder herunterzuklettern, musste erst mal können. Oder zeitgleich an den beiden Enden der Leiter loszumachen, je ein Mann unten und eine Artistin auf je einem Mannskopf, sich oben kurz Hallo zu sagen und knapp aneinander vorbei auf der anderen Seite wieder runter: sieht man auch nicht so oft!

…ein glücklicher DirektorDa konnte, bei so viel zirzensischer Leidenschaft, der Herr Direktor am Ende der Premiere aufatmen. Und als ihn beim großen Finale Anke Fiedler noch in den Arm nahm, da musste Mario Müller-Milano sogar wohlig entspannt lächeln…

 

24. Dresdner Weihnachtscircus
18. Dezember 2019 – 5. Januar 2020
Volksfestplatz Pieschener Allee
www.dwc.show

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