Mit erfreulich kompetenter Gelassenheit

Kochsternstunden 2020: Tausendgüldenstube/St. Andreas im Hotel Blauer Engel

KSS Aue / Blauer Engel

Man kann ja von Restaurantführern halten, was man mag – aber kaum ein Koch ärgert sich, wenn er (oder sie) gut bewertet wird. Erst recht grollt keine(r), wenn die Bewertungen besser als nur gut sind. Aber was, wenn im einen Guide steht: wow, supertolle Leistung! – und im anderen nichts? Dann sind wir vielleicht in Aue und dort im Hotel Blauer Engel, in dem man gleich an mehreren Stellen sehr vernünftig Hunger und Durst die Stirn bieten kann. Einer dieser Orte ist das Feinschmeckerrestaurant St. Andreas, in dem Küchenchef Benjamin Unger und sein Team so begnadet kochen, dass der GaultMillau dafür schon seit einiger Zeit 17 Punkte vergibt. Normalerweise haben Köche in Häusern mit 17 GM-Punkten auch einen Stern im Michelin, manchmal sogar zwei. Aber Ungers Küche ignorieren die Michelin-Tester. Man muss ja nicht alles verstehen.

Nun sind wir glücklicherweise nicht für den Michelin unterwegs, sondern um mal wieder das Kochsternstunden-Menü zu probieren. In diesem Jahr nimmt das Haus offiziell mit der Tausendgüldenstube teil – aber wir saßen dann eben doch im St. Andreas. Eigentlich ist das, sieht man mal vom Ambiente ab, auch egal, denn hier wie da serviert Restaurantleiter und Sommelier Claudius Unger mit einer erfreulich kompetenten Gelassenheit Weine und Essen.

Der Auftakt des Abends erfolgte weder im einen noch im anderen Restaurant, sondern im gemeinsamen Vorraum an der Bar. Ursprünglich nur der Ort, wo sich die Tischgemeinschaft treffen wollte, dann aber the place to be: bei Claudius Unger hatten wir uns ein kleines Bier aus der Hausbrauerei bestellt, und dann kam auch noch Benjamin Unger und brachte als Ohnmachtshappen einige Küchengrüße: Bresaola und Burrata vom Wasserbüffel, einen Chrystal Bread Chip mit Riesengarnele und Kürbischutney (schönes Wortspiel, aber harmlos: der Chip ist aus Kudzu hergestellt) und Gänseleberschaum mit Apfelingwer. Jaaaaja, das kann man machen als Start!

Mt dem offiziellen Aperitif – Pink Grapefruit Edelobstgeist mit Goldberg-Tonic! – starteten wir dann das Menü am Tisch. Und schon wieder merkt man die Ambitionen auch im Detail: Das Brot selbst gebacken, wobei Produkte aus der Bierherstellung im Haus variantenreich Eingang in die Rezepte finden – und zum Brot werden dann zum Aufstrich drei selbst verfeinerte Salze gereicht. Und dann kommt auch schon die nächste Leckerei außerhalb der vorgesehenen Menüfolge: Gegrillte Jakobsmuschel, Apfel-Limetten-Sorbet, Apfelchip auf einem Apfel-Rettich-Salat in einer Beurre blanc. Ein wunderbares Zusammenspiel von Säure und Frucht!

Optisch wie geschmacksknospenstimulierend gab sich der erste Gang: Saiblingskaviar, salzige Zitronenzesten, Hippen aus rosa Pfeffer auf dem gebeizten Lachs: da muss man ja auch erst mal drauf kommen und es dann auch noch so machen, dass keineswegs diese berühmte gefräßige Stille eintritt, sondern so ziemlich alles zwischen undefinierbaren Wohlschmeckgeräuschen und nun wirklich präzisen hhmms und wows die Diskussion (naja, ein etwas hochtrabendes Wort in diesem Kontext…) am Tisch bestimmt.

Das Schlimme oder eigentlich besser: das Schöne war dann freilich die Tatsache, dass es so weiterging. Bei der Bisque von Krustentieren gefiel (neben der unbestreitbaren Tatsache, dass so ein intensives Hummersüppchen schon sehr geil schmeckt) das Spiel mit den Texturen: den Hummer gab’s gebraten und in einer Praline. Die Praline fand auf einer Bohnencreme ihren Halt, gebratene Bohne sorgten für Biss und Farbtupfer – wie auch die Zuckerschoten und munter eingeträufeltes Petersilienöl.

Dass im Blauen Engel vor dem Hauptgang gerne mal ein großer Eiswürfel mit Platz für ein Sorbet und einem spritzig-perlenden Aufguss serviert wird, wissen wir ja – und freuen uns dennoch immer wieder! Ob’s wirklich hilft, den Magen frei zu machen für das, was kommt? In der Wikipedia steht ernüchternd: „Vielmehr eignet sich zur besseren Verdauung die Einnahme von Wasser.“ Das trinken wir ja auch zum Essen – aber Schampus schmeckt einfach besser! Nun aber der Hauptgang, der neben einem ordentlichen und sehr fein rosa gegarten Ochsenfilet seine Geschmäcker einsammelte bei Sellerie (als Creme sowie naturbelassen und im Ofen ausgebacken) und Steinpilzen (als Panacotta und eingelegt). Eine kräftige Ochsenjus, am Platz angegossen, freute sich, von zwei gebackenen Kartoffelkrapfen echt erzgebirgisch geditscht zu werden.

Das letzte Kapitel zerfiel in zwei Teile: offiziell gibt’s was Süßes, ein mittleres Kalorienbömbchen mit allem was schmeckt und nicht schlank macht – was aber, wenn das jemand nicht mag? Der bekommt vom großen Wagen ein Käse-Sixpack aufs Holzbrett. Das so so gut aus, dass sich die Fraktion der Süßen für den in Aue obligatorischen Absacker in der Brauerei so etwas auch wünschte (und, wie auch immer das ging nach dem Menü, dort beim Haustrunk verputzte).

PS: Die Weinbegleitung ist auf einen Winzer spezialisiert: alle Weine kommen aus Sörnewitz in Sachsen aus dem Weingut von Matthias Schuh. Den haben wir – auch mit einem Kochsternstunden-Menü – gerade besucht und uns dort den Weinen gewidmet.

Das Menü

  • Gebeizter Färöer-Lachs | Rosa Pfeffer | Zitrone | Kaviar
  • Bisque von Krustentieren | Hummer | Bohne
  • Filet vom Pommerschen Ochsen | Sellerie | Steinpilze | Kartoffel
  • Gebrannte Creme von der Tonkabohne | Mango | Kokos | Mandel

Die Weinbegleitung

  • 2017 Riesling Kapitelberg trocken | Weingut Schuh | Sachsen
  • 2018 Weissburgunder Meissner Klausenberg | Weingut Schuh | Sachsen
  • 2017 Dunkelfelder trocken | Weingut Schuh | Sachsen
  • 2018 Riesling Kabinett | Weingut Schuh | Sachsen

Die Preise

  • 3-Gänge-Menü 45,50 € (inkl. Weinbegleitung 66,50 €)
  • 4-Gänge-Menü 56,00 € (inkl. Weinbegleitung 83,00 €)

Tausendgüldenstube im Hotel Blauer Engel
Altmarkt 1
08280 Aue

Tel. +49 3771 5920
www.hotel-blauerengel.de

Öffnungszeiten
Di – Sa 17 – 24 Uhr
Feiertag Ruhetag, Küchenschluss 21:30 Uhr

[Besucht am 10. März 2020 | Übersicht der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]


Hinweis:

Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden.

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