Zwischen Kribbeln und verhaltener Unsicherheit

Eindrücke vom ersten Abend in der Weinzentrale nach der Corona-bedingten Schließung

Weinzentrale

Wir waren verabredet. Ganz im Schwejk’schen Sinne für den ersten Montag nach der Pandemie um sechs in der Weinzentrale. Das klang, als wir es nach Weinreise-Absage und Riesling-Abend-Ausfall vereinbarten, noch lustig, war dann aber fast zehn Wochen später doch mehr als überfällig – und wirkte erstaunlich befremdlich.

Die Weinzentrale von Jens Pietzonka in Dresden ist eigentlich ein Ort unbeschwerten Genießens und ungezwungenen Beisammenseins – verabredet oder nicht: man trifft immer (auf) jemanden, den oder die man kennt. Oder man lernt sich kennen zwischen „was Blubberndes zum Start“ über Lieblingsgeschmäcker von bekannten und neu zu entdeckenden Winzern bis zum Absacker, der noch geht, weil die Bahn eh gerade abgefahren ist und die nächste (glückliche Fügung!) erst in einer halben Stunde kommt.

Das alles fehlte natürlich, und da konnten weder der Couchweintransport mit der Frei-Haus-Lieferung der bekannten Lieblingsweine noch die bisher acht Tresen-Skypes mit Winzern aus Deutschland, Österreich und Südafrika wirklich was dran ändern. Aber wir waren ja nicht die einzigen, die den Zustellern der Weinlieferungen suspekt vorkamen und die sich mit viel zu viel leeren Flaschen in der Dämmerung zum Altglascontainer aufmachten…

Große Freude also, als die E-Mail mit dem Newsletter das sanfte Re-Opening der Wenzentrale annoncierte. Zwar ohne Tresenbetrieb und mit viel Abstand an den Tischen – aber auf so einen waren wir eh scharf: wir waren ja verabredet!

Und dann kommst Du rein in den seit fünf Jahren so vertrauten Raum – und es ist gefühlt irgendwie ein Mix aus der Spannung und dem Kribbeln eines ersten Dates einerseits und der verhaltenen Unsicherheit beim Gang zum Chef, um einen Anschiss abzuholen. Mundmaskiert und dennoch wiedererkannt: das Team hinterm Tresen. Keine Umarmung – das wäre ja nicht Regelkonform! Unser Tisch ist der in der Ecke, wie so oft. Also gehen wir vorbei am Tresen – keine Hocker davor, aber eine wunderbare Batterie von Lieblingsflaschen obendrauf. Voll und zum Mitnehm-Verkauf, sehr anregend! Auch der Tisch neben uns ist so drapiert. Damit der Abstand gewahrt bleibt. Jens Pietzonka hat alles mit dem Zollstock ausgezirkelt – Gesundheit sei ihm wichtig, da könne es keine Kompromisse geben. Unser erstes Getränk: heimisch und blubbernd, ein PetNat von Matthias Schuh – danach dann der übliche bunte Mix, Absacker (wegen der verpassten Bahn!) inklusive.

Und die Gäste? Die kommen keineswegs in Scharen, sondern sehr vorsichtig-verhalten. „Da habe ich fast schon mit gerechnet“, sagt Pietzonka – und hofft auf gutes Wetter, wenn er am 3. Juni in nur 450 m Entfernung an der Elbe die Elbzentrale eröffnet. Open Air und damit aerosolfreundlicher (auch so ein Wort, was vor einem Jahr noch nicht zum aktiven Grundwortschatz gehörte). Bis zum 30. September läuft die Genehmigung dieses Jahr.

Weinzentrale
Hoyerswerdaer Straße 26
01099 Dresden

Tel. +49 351 / 89966747
www.weinzentrale.com

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