Klassik und Kulinarik Open Air auf der Seebühne

Die Prague Royal Philharmonic und René Pape eröffneten ein Open-Air-Wochenende

Seebühnen-Sunset

Man kann ja dem Wetterkünstler Petrus gar nicht dankbar genug sein. Da malt er mit knalleroten Farben einen Abendhimmel über die Region, den man für Geld nicht hätte kaufen können. Und dazu spielen die Damen und Herren des Prague Royal Philharmonic Feuriges aus Spanien: Carmen! Das passte ja ganz gut und schien, obwohl das Progamm natürlich schon Tage vorher festgeschrieben und der Himmel Minuten zuvor noch regenschwanger grau war, bestens inszeniert und sorgte mit dafür, dass der Eröffnungsabend der neuen Seebühne Dresden einen nachhaltig schönen Eindruck hinterließ.

Die Seebühne schwimmt im kleinen See gegenüber der Messe Dresden im Ostra-Areal. Wer bei Seebühne an den Bodensee und die Bregenzer Festspiele denkt, muss die Dimensionen freilich erst einmal runter rechnen auf eine Bühnenfläche von 170 m2 und höchstens 676 Zuschauer (Bregenz: 7.000) – dafür stand mit René Pape ein Weltstar aus Dresden auf der Bühne, der einen Hauch von Metropolitan Opera (New York), Opéra National de Paris, Wiener Staatsoper und Mailänder Scala mitbrachte. Im Kinofilm Die Zauberflöte sang er unter der Regie von Kenneth Branagh den Sarastro – und dessen Arie „In diesen heiligen Hallen“ war dann auch das erste Stück, das Pape sang.

Sommer-Open-Air…An dieser Stelle ganz am Anfang des Programms hatte der Wetterkünstler P. übrigens beschlossen, es ein wenig regnen zu lassen. Das tat er ganz sicher nicht wegen des Basssängers P., sondern wahrscheinlich aus zwei Gründen: erstens genoss man nach dem wirklich nur kurzen Schauer den Rest des dann doch sommerlichen Abends um so mehr. Und zweitens mussten natürlich auch die notorischen Nörgler bedient werden, die sich an dieser Stelle trefflich darüber aufregen konnten, dass es bei einem Open Air auch regnen kann. Die Schlauen hatten übrigens Regenschirme dabei.

„Best Classics of Europe“ war der Abend betitelt, man hätte ihn auch die beliebtesten Gassenhauer der Klassik nennen können, ohne das despektierlich zu meinen – im Gegenteil: bei so einer Serenata will man sich doch ganz dem Genuss hingeben und nicht schwermütig alles bekritteln. Strauß, Mozart, Verdi, natürlich (es spielten doch die Prager!) Dvořák und Smetana – sowie, wie der sehr angenehm anmoderierende und überleitende Heiko Matthias Förster anmerkte, ein unter der Corona-Pandemie leidender Mann, der schon lange tot ist: Beethoven. Den hätte man dieses Jahr seines Geburtstags wegen an zahlreichen Orten hören können, da war ja viel geplant. Nun gab’s wenigstens das Finale der 5. Sinfonie. Hach, wie schön!

Pattis-Menü SeebühneZweifelsohne zum Genuss und zur Leichtigkeit des Abends trugen auch Mario Pattis und sein Team bei. Von der berühmten Currywurst bis zum kompletten Vier-Gang-Menü ist da alles möglich. Ich durfte (auf Einladung – zum Thema Journalistenbetuddelung siehe hier) das Menü probieren. Laut Karte waren die einzelnen Gängen den vier Arien von René Pape zugeordnet – aber das war erfreulicherweise nur eine Verneigung vor dem großartigen Bass. So ging es schon vor Beginn des Programms los und dann – Pattis und sein Team sind ja Profis und alte Cateringhasen – zügig weiter.

Als Amuse stand bereits eine Steinpilzcreme mit Lachstatar auf dem Tisch – im Weckglass und mit dem bereit stehenden Brot gut gegen den Hunger nach der Anreise. Beim Lesen  der Menükarte fand ich die Kombi gewagt, musste dann aber überrascht zugeben: es passte nicht nur, es schmeckte auch. Nicht obwohl, sondern weil die Steinpilzcreme kräftig war! Man lernt eben auch als Gewohnheitsesser nie aus.

Als Suppe brachte der Service ein Cappuccino von Karotte und Ingwer mit gebratener Jakobsmuschel an den Tisch. Als bekennender Jakobsmuschelfan war ich begeistert, wenn auch die Komponente gebraten bei meinem Exemplar ein wenig zu kurz gekommen war. Etwas Farbe und damit ein My Röstaromen außen wäre gut gewesen, natürlich ohne dabei innen die perfekte Glasigkeit dafür zu opfern. Karotte-Ingwer hingegen hatte wieder alles, was man erwartet: Süße, leichte Schärfe, viel Geschmack. Und das pochierte Bio-Ei, das im Namen des Gerichts nicht vorkam, sollte auch nicht vergessen werden, denn es passte und sorgte für zusätzliche Überraschung.

Rein theoretisch hätte man zu jedem Gang einen eigenen Wein bestellen können, es gab weiß-rosé-rot by the glass oder in der Flasche. Für einen lauen Sommerabend ging aber auch nur einer: Sophie Helene, ein Rosé von Christoph Hammel aus der Pfalz. Der passt immer. Natürlich auch zum Hauptgang, Erzgebirgisches Kalb mit Sommergemüse und einem Kartoffeltörtchen mit Zitronengrasbutter. Der kam unter der Cloche, was angesichts des weiten Wegs von der Küche bis zum Gast durchaus seine Berechtigung hatte. Selbst Regen wäre da am Silber abgeperlt! Ansonsten: sehr feiner Hauptgang, das Filet selbstredend auf den Punkt gegart. Und ausreichend Sauce, was ja auch nicht immer der Fall ist, wenn das Essen besser ist!

Als das Dessert kam, saß ich noch. Nahezu parallel aber kam ein Freund und Kollege – und da musste das Dessert warten. Aus fotografischer Sicht keine gute Idee, aber an diesem Abend sollte es ja auch menscheln. Mario Pattis, der zufällig am Tisch vorbei kam, als ich mich gerade wieder setzte, wollte sofort ein neues Dessert bringen – „Ihres hat ja nun schon etwas warten müssen!“. Ich habe mich gefreut über die Aufmerksamkeit: so muss das sein! Und kein neues genommen, sondern die schon etwas angewärmte Variation von Beeren und Schokolade genossen. Das Foto ist dann aber doch nicht so der Hit geworden…

Renè Pape: Can CanDer Zugabeteil (der natürlich absehbar war) begann mit Offenbachs Can Can. Und da gab’s eigentlich die schönste Beobachtung für die entspannte Atmosphäre dieses Abends hinter bzw. genauer neben der Bühne. So gar nicht mehr im Rampenlicht tänzelte René Pape zurück vom Abschlussapplaus den rund 20 Meter langen Steg ans Ufer. Ja, genau so war der Abend!

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