Weinfestbummelei mit Lerneffekt

Die Coolinaria in Görlitz brachte Winzer aus Polen und Deutschland zusammen

Schampus Bronner Brut

Für Korinthenkacker oder Historiker der Zukunft mag das ja alles nicht so einfach sein: die diesjährige Coolinaria in Görlitz – als deutsch/polnisches Wein- und Genussfest | polsko/niemiecki Festiwal Wina i Smaku angekündigt – lief offiziell unter „Premiere“ und „Nummer 1“ ab. Aber da war doch was, vor ziemlich genau einem Jahr? Ja: Die Nummer Null. Die Vorpremiere. Pandemiebedingt (wie wahrscheinlich das Unwort des Jahres lauten wird) feierten die Görlitzer und ihre polnischen Nachbarn schon vor einem Jahr ziemlich ordentlich (wir berichteten) – aber mit gebremstem Programmschaum. In diesem Jahr feierte das Genussvolk, erneut früh im Tal zwischen den Wellen eines gastrofeindlichen Virus, wieder recht zünftig.

CoolinariaEs gab Wein aus Polen, Wein aus Deutschland (Schwerpunkt Sachsen, etwas Brandenburg und solchen auch ohne Alkohol aus Rheinhessen – die trauen sich was dort!) und das, was im Polnischen so hübsch klingt: Smaku, also Geschmack, in vielerlei Variationen. Wermut (aus Görlitz), der Meermut heißt. Oder Nu! – das jüngste Produkt der (Görlitzer, what else?) Brauerei SudOst, das Bier und Sekt aufs Köstlichste vereint. Außerdem, leider anders als im vergangenen Jahr nicht integriert ins Budenrund der Wein- und anderen trinkbaren Geschmackserleuchter – Marktbuden mit Essbarem. Schön für die Passsanten, die auf dem Weg zum EInkauf pfandfrei (mehr Eintritt als Glaspfand wurde nicht verlangt!) an die Ware kamen, schade für die Weinfestbummelanten, die das Angebot schlimmstenfalls gar nicht mitbekommen haben.

Sachsen-WinzerDer Schreiber dieser Zeilen (also: ich) ist so ein Ignorant, weil er bei einigen Winzern hängen blieb – nicht bei allen, dazu war’s zu heiß… Aus Sachsen waren dabei Schloss Wackerbarth, Stefan Bönsch und Matthias Schuh. Nicht der schlechteste Querschnitt und vor allem mit der einen oder anderen Entdeckung – man glaubt ja gar nicht, was die hiesigen Winzer mittlerweile so alles an Qualität im Portfolio haben (Pro-Tipp: Silvaner vom Schuh und Bronner Brut Sekt vom Bönsch!). Die anderen beiden deutschen Weingüter bei der Coolinaria waren hauptsächlich wohl wegen ihren Spezialisierungen vor Ort: Familie Wobar hat ihren Weinberg am Großräschener See – also in Brandenburg. 2012 begann die Aufrebung – gesetzt wurden nur PIWIs, also pilzwiderstandsfähige Rebsorten. Ausgebaut werden Pinotin, Solaris, Johanniter und Cabernet blanc. 2019 gab’s für die Brandenburger, die ihre Weine bei Prinz zur Lippe ausbauen lassen, beim Internationalen PIWI-Weinpreis 3 x GOLD (Sekt, Solaris, Pinotin) und 1 x SILBER (Cabernet blanc 2018).

Die Frauen mögen die Alkoholfreien!So richtig unsächsi, aber keineswegs unspannend, war das Angebot beim Weingut Trautwein. Dort war Franz-Josef Dernst der Liebling der Damen – nicht nur, weil er charmant zu plaudern wusste, sondern weil er alkoholffeie Weine und Sekt im Angebot hatte. Sowas gibt’s nicht oft, und schmecken tut’s noch seltener. Die Damen während der zehnminütigen Beobachtungsphase waren allerdings alle angetan und kauften nicht nur ein Glas für sofort, sondern nahmen auch noch Flaschen für später mit. Das freut den Vertriebler und signalisiert, dass es mit alkoholfreien Weinen langsam bergan geht – wenn auch noch nicht steil. Wobei, pardon für den Übergang, der Riesling vom Morstein (mit Alkohol, natürlich) da schon eher steil ging. Denn Trautwein junior kann auch richtigen Wein machen – er will den Ruf als hidden champion im Kellerei- und Fassweinbereich ausdehnen auf eigene Weine in Flaschen.

Agnieszka Bormann | Krzysztof Fedorowicz Aus Polen waren in diesem Jahr wieder die Damen der Winnica Silesian mit von der Partie – über die haben wir uns ja vor einem Jahr schon ausgiebig gefreut. Also suchte und fanden wir in diesem Jahr mit der Winnica Miłosz einen neuen Liebling (was nichts gegen die anderen Anwesenden sagt – aber man kann ja nicht alles probieren, kann man?). Krzysztof Fedorowicz gehört das Weingut, aber er ist nicht nur Winzer, sondern auch Schriftsteller. Am Vorabend des Weinfestes hatte er – im Rahmen des informativen Beiprogramms, das vom Kulturreferat für Schlesien am Schlesischen Museum zu Görlitz organisiert wurde – über die Geschichte des Weinbaus in Grünberg/ Zielona Góra gesprochen und dabei Themen aus seinem neuesten Buch Zaświaty (Jenseits, erschienen 2020) anklingen lassen, das vor einigen Tagen für NIKE, den wichtigsten Literaturpreis in Polen, nominiert wurde.

Winnica MilosTagsdrauf während des Festes lernten wir mal wieder mächtig hinzu: Die erste deutsche Sektfabrik, erfuhren wir, wurde 1826 in Grünberg, dem heutigen Zielona Gora, gegründet – knapp 200 Kilometer von Radebeul entfernt, wo man zehn Jahre später dem Champagner nacheiferte, weswegen es bei Schloss Wackerbarth den Sekt 1836 gibt. In einem alten Weinkeller von Zielona Gora produziert Krzysztof Fedorowicz seinen Grempler-Sekt und schließt damit an die Geschichte der Firma Grempler & Co. an, die in Grünberg Schaumwein nach der Champagner-Methode mit großem Erfolg produziert hat (1938: 800.000 Flaschen!). Wir probierten einen Grempler Rosé, der aus Zweigelt gekeltert wurde und Lust auf mehr machte.

 

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