Der Ursprung des Silvaners in Franken

Besuch in Castell beim Fürstlich Castell’schen Domänenamt

Ferdinand Fürst zu Castell-Castell

Man soll sich ja nicht an Äußerlichkeiten aufhängen – aber so, wie sich S.D. Ferdinand Fürst zu Castell-Castell am Sektglas festklammert und es mit der Faust fest umschließt, möchte man gar nicht meinen, dass dieser Mann der Chef des renommierten Weinguts Castell ist. S.D. steht für Seine Durchlaucht – eine Anredeform, die uns Bürgerlichen immer noch Ehrfurcht einflößen soll, vielleicht. Aber seit der Abschaffung der Monarchie (vor über hundert Jahren) ist das gar kein Muss mehr, sondern nur noch Höflichkeit. Dabei ist der Fürst, der die Journalisten der Info-Reise auf Einladung des Deutschen Weininstituts durch Franken im Hof seines Schlosses begrüßt, gar nicht so zugeknöpft und verspannt wie sein Sakko es vermuten lässt – woran man sieht: der Schein und die Äußerlichkeiten können trügen.

Silvaner am SchlossbergNatürlich kommt Fürst Ferdinand schnell auf den Silvaner zu sprechen – aus mehrfach gutem Grund: 1659, kurz nach dem 30jährigen Krieg, wurde die damals neue Rebsorte hier erstmals in Deutschland angepflanzt. Wir kennen sogar das genaue Datum und die genaue Anzahl der Rebstöcke – aber diese Details sparen für uns für das Ende des Rundgangs auf, der uns ins Archiv des Hauses führen wird. Spannend und gut zu wissen: der Silvaner wurde in einer Zeit des Klimawandels ausprobiert – „nur anders: es wurde immer kühler“, erklärt Fürst Ferdinand. Während der kleinen Eiszeit gab es Reifeprobleme mit den damals üblichen Trauben, die im gemischten Satz standen. Der Versuch mit der neuen Sorte war den Fürsten von Castell was wert: der „Österreicher“ war dreimal so teuer wie normales Pflanzgut! Aber es hat sich gelohnt, denn  der Silvaner breitete sich von Castell aus aus und wurde mal zur wichtigsten Sorte in deutschen Landen.

Deutschlandweit ist das nicht mehr so, aber in Franken ist Silvaner die Leitrebsorte. Auf den 70 ha, die Castell bewirtschaftet, stehen zu 40% Silvaner. Spannend: Silvaner spielt auch beim jetzigen Klimawandel mit – „wir sind fest entschlossen, am Silvaner festzuhalten“, sagt der Fürst, den der Klimawandel selbstredend beschäftigt. „Wir müssen weit in die Zukunft denken!“, sagt er. Die Frage sei doch:  Was treffen wir heute für Entscheidungen, damit unsere Kinder/Urenkel eine gute Grundlage haben?  Fürst Ferdinand hatte eine Magisterarbeit in Würzburg angeregt, die klären soll: wo gibt es das Klima, das wir in 50 Jahren hier haben, heute schon? Das Ergebnis war gar nicht so weit weg: Colmar im Elsass. Es ist die trockenste Stadt in Frankreich (550 l/Jahr – „wie bei uns“). und es hat da 2-3 Grad mehr Jahresdurchschnittstemperatur. Er sei insofern glücklich, weil die Gegenden ja vergleichbar seien, mit ähnlicher Weinstruktur. „Da kann man sehen und schmecken, was zwei, drei Grad mehr Durchschnittstemperatur bedeuten.“

Pano Beste Weinsicht

Spaziergang durch Schlossberg und Kirchberg

Der Schlossberg bei Castell ist die „Schönste Weinsicht 2012 in Franken“ – eine Auszeichnung, die das Deutsche Weininstitut (DWI) in allen Anbaugebieten 2012 erstmals (und seitdem alle vier Jahre wieder) verliehen hat. Wir hätten auch ohne den Hinweis durch die Stele des Künstlers Ulrich Schreiber angehalten, Aaah und Oooh gesagt und die Kamera klick klick klick machen lassen. Ja, mächtig gewaltig schön ist’s hier! Wenn’s jetzt noch einen Wein gäbe – nicht auszuhalten!

Aussicht mit WeinprobeOh, wait! Wir sind ja mit Winzern unterwegs: Peter Geil ist Weingutsmeister auf Castell, und das Weingut von Harald Brügel liegt im nahe gelegenen Ortsteil Greuth – mit 6,4 ha Weinbergen in den Lagen Bastel (Greuth), Altenberg (Abstwind) und Kirchberg (Castell). Und die beiden hatten da mal was vorbereitet an der Aussichtsterrasse gleich unterhalb der auffälligen Baumgruppe oben auf dem Schlossberg.

Scheurebe+MuskatellerAuf dem kurzen Weg dahin, so viel Zeit muss sein, stellen die Fotografen unter uns fest, dass die schönste Weinsicht gar nicht punktuell gemeint sein kann, denn alle paar Meter gibt es neue Perspektiven, die Steilhänge des Schlossbergs runter in die hügelige Weite hinein. Bei der Aussicht with a wine zeigten die beiden Winzer zwei Weine, die man nicht primär mit Franken verbindet (obwohl es die ja gibt, sonst hätten wir sie ja nicht trinken können): wir starteten fruchtig (aber selbstredend trocken, sehr trocken.) mit einem 2020 VDP.Gutswein Scheurebe von Castell und einem 2020 Greuther Gelber Muskateller vom Weingut Brügel. Die Scheurebe tänzelt auf der Zunge, auf der sonnenbeschienenen Terrasse im Weinberg sehr erfrischend.

Peter GeilAm Südhang des Schlossbergs wachsen Riesling und Spätburgunder. Am Westhang steht Silvaner – seit zwei Jahren gibt’s nur noch Silvaner Großes Gewächs – „das können wir gut, das steht für uns“. Auf den Markt kommen soll der zukünftig nur noch gereift, nach fünf Jahren Lagerung im Weingut. „Wir übernehmen die Lagerung für die Kunden und investieren entsprechend im Weingut!“, sagt Peter Geil und ergänzt vielversprechend: „Wir glauben an die Langlebigkeit unserer Weine – das werden wir später beim Essen noch mal näher unter die Lupe nehmen…“

Wir sitzen am Rande des Steigerwalds, die Reben haben den Wald im Rücken. Und den Bauch kitzelt die Sonne: beste Südlage! Und unter uns: Keuper. Die fränkischen Winzer haben, wenn ihre Weine auf Keuper stehen und sie (also die Winzer) drüber reden, immer so ein Strahlen in den Augen. Wie bei Scooter und Hyper Hyper (We put some energy into this place), und zumindest bei der Arbeit im Weinberg passen ja sogar die Zeilen I want to see you sweat / I said, I want to see you sweat. Yeah.

Gipskeuper mit seinem hohen Sulfatanteil schmeckt man beim Trinken des regionalen Wassers, aber auch im Wein. Weil in der Gegend Gips abgebaut wird, geht’s den Leuten da auch ganz gut: die Firma Knauf beschert der Gemeinde Iphofen nicht wenig Geld, weswegen es mit der Sanierung der mittelalterlichen Gemeinde gut voran geht. Aber das ist eine andere Geschichte. Keuper also –  aber was ist das denn eigentlich für eine Bodenart? Gar nicht so einfach zu sagen, denn  Keuper ist variantenreich: es gibt Lettenkeuper, Schiefergrusigen Keuper,  Gipskeuper, Alabaster („Fränkischer Marmor“) – aber, lernen wir, es ist immer Calziumsulfat in verschiedenen kristallinen Formen.

Als das Meer trocken gefallen ist, lagerten sich schlickhaltige Materialien ab – Buntsandstein, Muschelkall und Keuper sind die drei Phasen des Trias vor 251 bis 201 Millionen Jahren, also schon ein bisschen was her. Gips und tonig-lehmige Bestandteile führen zu dem unterschiedlichen Gestein. Keuper kann – was ein Vorteil in heißen und trockenen Jahren ist – das Wasser gut halten. Andererseits hält der Boden das Wasser aber auch so dolle fest, dass die Pflanzen sich schwer tun, das gespeicherte Wasser immer bis zum Schluss zu nutzen. Natur ist eben nicht leicht…

Bodenstation CastellDas erfahren wir von den beiden Winzern, die eben auch ein wenig Geologen sein müssen in ihrem Job, an der Bodenstation Castell – einer von verschiedenen Stationen des Bayerischen Landesamts für Umwelt. Die Station selbst ist ein schönes Beispiel für gut gemeint muss nicht gut gemacht sein. Man sollte die Designer, die mit ihrem spiegelnden Glas verantwortlich für mehr Reflexe als Reflexion verantwortlich sind, zum Danebenstehen vergattern, auf dass sie die Texte vortragen und ein Foto des Schnitts durch den Boden bereithalten. Alternativ dazu kann man sich den Flyer im Internet ergattern und dort das gewünschte Foto finden – aufgenommen natürlich vor dem Anbringen des Spiegelglases. Und, wo bleibt denn hier das Positive? Na gut: Bodenprofil und Infotafel (hinter Spiegelglas mit weißer Schrift vor hellem Hintergrund: geil!) sind in einem Schutzhäuschen untergebracht. Wenn’s regnet, ist man da als Mensch auch ein klein wenig geschützt.

Peter Geil mit KugelspielMan sollte den Ärger über derlei Gedankenlosigkeit einfach runterspülen. Haben wir gemacht: mit einem 2020 Casteller Kugelspiel Silvaner (VDP.Erste Lage) und einem 2019 Castell Silvaner Trocken vom Weingut Brügel. Wir standen zwar nahe am Silvaner, aber das war der vom Schlossberg. Die Lage Kugelspiel tat sich aber vor uns auf – und man sah natürlich auch gleich, warum der Berg so heißt! Fünf Züge machen den Berg aus, der obere Teil ist mit Silvaner bestockt – 50 Jahre alte Rebstöcke dieser relativ kühlen Lage geben einen straffen, kargen Silvaner-Vertreter.

Harald BrügelHarald Brügel kennt die Bedingungen vor aus seiner Kellerarbeit – 1989 hat er nämlich bei Castell im Keller angefangen, er lernte dort den Beruf des Weinküfers. Sein Silvaner aus Castell kommt aus dem Gegenhang des Kugelspiels, es sei „eine etwas hitzigere Lage“. Das ist keine Erste Lage, sondern ein Ortswein. Ausgebaut im Edelstahl, ganz klassisch vergoren – aber die Kellerarbeit sei nur der geringere Teil, die Hauptarbeit liege im Weinberg.

„Wir führen unser Weingut traditionsbewusst in der ersten Generation!“, erklärt Harald Brügel über sein Weingut. Der elterliche Betrieb war ein landwirtschaftlicher Gemischtbetrieb – aber als der Junge dem Vater sagte, dass er lieber Wein machen würde, fing der Vater zu Hause an umzubauen. Davor hatten sie zwar auch schon schon Reben, aber die Trauben an die Genossenschaft abgegeben. Seit 1992 gibt’s eigenen Wein, aktuell von 6,5 ha – und fühlen sich mit der Größe wohl („wir kennen die Weinberge persönlich!“).

Die Freundschaft zu Castell und anderen Betrieben wie Wirsching, wo er ebenfalls reingeschnuppert hat, sei ihm wichtig, meint Brügel: „Wir entdecken die Gegend, die Weiterentwicklung funktioniert besser, wenn man es gemeinsam macht.“ Es sei viel besser, als wenn man sich allein entwickelt. „Wir sind alle Botschafter des Silvaners und des fränkischen Weins“, sagt er. Der Gelbe Muskateller, den wir bei der ersten Probe im Weinberg verkosteten, war seine erste eigene Entdeckung, die er nicht bei den Nachbarn abgeguckt hat. „Ich wollte eine Rebsorte, die eine starke Aromatik hat, aber die herzhafte Aromatik des Keupers mitnimmt.“ Eine mit guter Säure und später Reife. 2008 hat er die Stöcke gepflanzt {und danach im Archiv festgestellt, dass die Sorte früher schon in der Gegend angebaut wurde).

Jesko Graf zu DohnaIns Fürstlich Castell´sche Gesamtarchiv führte uns der Spaziergang dann abschließend. Der stattlicher Renaissancebau wurde 1601 als Badehaus des einstigen Wildbads Castell erbaut, Archiv ist es seit 1905. Jesko Graf zu Dohna ist der Leiter des Archivs. Ein Kilometer Akten und Ordnungen mit 8.000 Urkunden lagern im Archiv, da gibt’s viel zu lesen und erfahren. Forschende nutzen das ganz gerne für Master- oder Doktorarbeiten. Eine Urkunde hat Ende des vergangenen Jahrhunderts besonderes Aufsehen erregt: die älteste Erwähnung der Silvanerreben. Allerdings verkappt, und das kam so:

Im April 1659 brachte ein Bote aus Obereisenheim 25 Österreicher Fechser nach Castell, die am 10. April im unteren Schlossberg eingepflanzt worden sind. Österreicher ist ein Synonym für Silvaner, bis ins 19. Jahrhundert wurde er noch so genannt. Da der Begriff nicht mehr gebräuchlich ist, musste also ein wenig Transferleistung erbracht werden. Warum die Sorte als Österreicher ankam, scheint leicht zu erklären: sie ist eine Kreuzung aus Traminer und der autochthonen Sorte Österreichisch Weiß (eine sehr säurestarke Sorte aus der Gegend von Wien). Der Abt von Ebrach hat übrigens sechs Jahre später in der Lage Würzburger Stein pflanzen lassen. So kam der Silvaner dann auch dort hin – und später in alle deutschen Anbaugebiete. Aus denen er dann auch wieder verschwand, weitgehend. Außer in Rheinhessen und in Franken.

Weinstall…und dann gab es ja da noch das Versprechen, beim Essen etwas mehr über die Langlebigkeit des Silvaners zu erfahren.  Im Weinstall Castell servieren die Gastgeber Anuschka und Martin Schulze Passendes zum Wein – Klassiker und kreative Kreationen des fine dining. Zum Reh gab es keineswegs einen Spätburgunder, sondern sehr passend: gereifte Silvaner. Harald Brügel hatte einen 2012 Silvaner PUR mitgebracht. PUR steht für puristisch, erklärt der Winzer – und sagt auch, was er darunter versteht: Weine, bei denen sich der Winzer zurücknimmt und die Natur machen lässt. Spontan vergoren, langes Hefelager – und in diesem Fall auch lange auf der Flasche im Lager gewartet, bis der Moment passt. Dieser schmeckte überhaupt nicht wie neun Jahre alt, was die Frische anbelangt. Dieser Wein kommt kommendes Jahr erneut in den Verkauf, weil Harald Brügel genug davon zurückgelegt hat.

Noch einmal vier Jahre älter, aber erstaunlicher Weise noch ein Tacken frischer und präsenter war der 2008 Kugelspiel Silvaner, ausgeschenkt aus einer Magnum-Flasche. 2008: ein unterschätzter Jahrgang. Sehr animierend für einen 13 Jahre alten Silvaner! „Für mich ist das eine Bestätigung, dass wir alles richtig gemacht haben, wenn so alte Weine sich derart präsentieren!“, sagt Peter Geil.

Liste der probierten Weine

  • im Weinberg
    • 2020 VDP.GUTSWEIN Scheurebe trocken
      Fürstlich Castell’sches Domänenamt
    • 2020 Greuther Gelber Muskateller trocken
      Weingut Brügel
    • 2020 VDP.ERSTE LAGE Kugelspiel Silvaner trocken
      Fürstlich Castell’sches Domänenamt
    • 2019 Castell Silvaner trocken
      Weingut Brügel
  • im Restaurant
    • 2020 „Die Gefährten“
      Grauburgunder & Weißburgunder trocken
      Fürstlich Castell’sches Domänenamt
    • 2019 Spätburgunder – weißgekeltert trocken
      Weingut Brügel
    • 2008 EDITION GRAF FERDINAND
      Casteller Kugelspiel Silvaner trocken
      Fürstlich Castell’sches Domanenamt
    • 2012 Silvaner Pur trocken
      Weingut Brügel

Fürstlich Castell’sches Domänenamt
Schlossplatz 5
97355 Castell

www.castell.de

Restaurant Weinstall Castell
97355 Castell
Schlossplatz 3

Tel. +49 9325 / 980 99 49
www.weinstall-castell.de

Weingut Brügel
Hauptstraße 49
97355 Castell-Greuth

www.weingut-bruegel.de

[Besucht am 2. September 2021 | Alle Beiträge Wein und Winzer Franken]

 

Hinweis:

Die Recherchen zu diesem Beitrag wurden unterstützt mit einer Pressereise auf Einladung des DWI (Deutsches Weininstitut).

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