Ich steh‘ im Wald. Und im Nebel.

Ruta 1: vom Mirador de El Bailadero am Rande des Nebels zum Mirador del Rejo

Los Roques

Die offizielle Wanderroute Nummer eins auf La Gomera ist ein niedlicher kleiner Spaziergang. Die Ruta 1 führt von einem der zahlreichen Aussichtspunkte – dem Mirador de El Bailadero – „am Rande des Nebels“ (so steht es auf einer Tafel) zu einem weiteren Aussichtspunkt, dem Mirador del Rejo. Der Nebel ist für faszinierende Momente verantwortlich, wenn er plötzlich (und plötzlich meint wirklich: von jetzt auf gleich) aufreißt und den Blick auf die Roques freigibt – idealerweise diese dann sogar von der Sonne beschienen sind. Aber wenn man Pech hat, ist und bleibt es suppig. Dann hilft nur: weiter gehen, denn erstens kann es am Ende des nur 450 Meter kurzen Weges schon anders sein, und zweitens bietet auch der Rückweg mögliche winds of change.

AudioführerWie schon bei anderen Wanderungen, so trifft man auch hier wieder auf Hinweise zu Audioguides. Die Texte sind manchmal, nun ja: schwülstig. Aber insgesamt ist das ein toller Service und, wenn die Texte vom Schwulste befreit sind, auch informativ. Wem Hörtexte in der ansonsten unberührten Natur zu modern vorkommt, kann ja Tafeln lesen – oder diesen Text 😉 .

Skizze der See von WolkenAm Rande des Nebels zu gehen, ist optimal – passiert aber selten. Oder sagen wir mal vorsichtig: nicht immer. Es kann also sein, dass man im Nebel steht und daher genau merkt, wie es den Pflanzen geht: kühl und feucht ist es. Gut für die Pflanzen, denn dieser horizontale Regen hilft ihnen beim Überleben. Wie das funktioniert? Na, ganz einfach! Wir sind hier auf dem Rücken der Insel. Die Inselkämme sind dem Einfluss der Passatwinde ausgesetzt. Auf ihrem Weg über den Atlantik nimmt die Luft Feuchtigkeit auf. Treffen die Luftmassen an Land, regnen sie sich ab – oder hüllen, wie hier, die Inselwälder im Nebel ein. Wegen der hohen Luftfeuchtigkeit ist der Wald voll von Moos, Flechten, Farnkräutern und anderen wasserliebenden Pflanzen. Sogar der Boden und die Steine sind von Moos grün gefärbt. Der Niederschlag des Nebels ist in der Regel größer als der normale Niederschlag und gleicht im Sommer den Mangel an normalem Regen aus.

Mirador del RejoMan sieht von oben herab sehr schön, wie die Wolken sich am Berg stauen und hochziehen. Mit dem immer wieder durchscheinenden blauen Himmel, dem steten Wechsel von waberndem Nebel und klarer Sicht erhalten die Berghöhen einen mystischen Charakter. Das empfanden wohl auch die Ureinwohner von Gomera nicht viel anders. Sie nannten solche Orte Bailadero – Tanzplatz. In Trockenzeiten kamen die Hirten mit ihren Ziegen und Schafherden hier hinauf. Sie hatten ihre Tiere tagelang nicht gefüttert und ihnen auch nichts zu trinken gegeben, weswegen sie (die Tiere…) lauthals meckerten und blökten – „um den Himmel um Regen zu bitten“. Wir hatten freilich gut getrunken und blökten nicht, zumal uns ja auch eher nach Sonne war als nach Regen.

Im NebelwaldDie Sonne sahen wir auf dem Abstieg (90 m) zum Mirador del Rejo. Der Aussichtspunkt direkt über der Straße CV-14 nach Hermigua gibt den Blick frei auf den Roque del Rejo und die Schlucht von Hermigua mit dem Meer im Hintergrund – wobei mal das eine oder mal das andere auch im Wolkennebel untergehen kann. Auf dem Rückweg – der dem Hinweg entspricht, lediglich mit Richtungswechsel (also erst mal wieder 90 Meter hoch!) – ergeben die verdrehten sowie wild durcheinander wachsenden Stämme des Regenwaldes immer wieder neue Bilder. Sie sind vollständig mit Epiphyten (Arten, die auf den Bäumen wachsen, um die Feuchtigkeit der Atmosphäre zu nutzen) bedeckt. Sie fangen die Feuchtigkeit des Nebels ein und nutzen das organische Material, das sich auf den Stämmen und Zweigen ansammelt.

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