Augen- und Gaumenschmaus in legerer Atmosphäre

Ein Besuch im Restaurant Coulisse in Amsterdam

Coulisse

Samstag halb zwei. Das Restaurant im Foyer des ehemaligen Werktheaters ist bis auf einen Tisch besetzt: der ist für uns reserviert. Kein Wunder also, dass wir nicht nur freundlich empfangen, sondern auch gleich ohne viel Aufwand richtig platziert werden! Der erste Eindruck ist hier ein doppelter (geht das?): ein mit 175 m2 keineswegs kleiner und vor allem hoher Raum einerseits, in dem man sich aber andererseits wegen der Herzlichkeit beim Empfang gleich irgendwie wohl fühlt. Wir sind im Restaurant Coulisse, in dem Tim van der Molen als Küchenchef und Simon Witmaar als Chef-Sommelier ihr easy fine dining anbieten.

CoulisseHinter dem Slogan der leichten gehobenen Küche verbirgt sich grandioses Essen auf höchstem Niveau, das mit Leichtigkeit in legerer Atmosphäre serviert wird. In der Coulisse gibt es kein á la carte-Angebot, sondern nur ein fixes Menü. Da ist alles drin: viel Gemüse, bei Bedarf Fisch und Fleisch, in der Saison auch Wild. Wer nur vegetarisch essen will, kann das – nach Ansage beim Reservieren – natürlich auch, und wer Sonderwünsche hat, kann (und sollte) die ebenfalls im Vorfeld äußern: die Küche scheint da flexibel zu sein. Wenn man dann kommt und sitzt, muss man sich übers Menü keine Gedanken mehr machen, denn es wird tagesaktuell ausgedruckt überreicht. Und auch beim Wein oder alkoholfreier Getränkebegleitung zum Menü kann man es sich leicht machen, denn eine passende Auswahl ist im Angebot. Das sollte man machen, denn das Team weiß, was es macht und wählt glasweise aus der großen (und spannend zu lesenden) Weinkarte, was man sonst nur als Flasche bekäme.

Dashi, Datterino-Tomaten und HolunderblütenZügig geht es los mit dem ersten von drei Amuse bouches: Dashi, Datterino-Tomaten und Holunderblüten. Kalt, auf Eis serviert. Zu allererst ein Augenschmaus, dann erstmals an diesem Nachmittag eine Andeutung, welch intensives Aromenspiel auf uns zukommen sollten: Umami galore!. Auf einer Serviette serviert kamen im Anschluss drei kleine Knollensellerie-Tartelettes mit Sommertrüffel – der Gang, der sich freiwillig für den unterm Strich am wenigsten in Erinnerung bleibenden gemeldet hatte. Es sei ihm vergönnt, denn da bleibt wenigstens Zeit, den uns gereichten Wein zu den drei Gerichten zu erwähnen. Wobei ich an dieser Stelle echt froh bin, hier zu schreiben und nicht reden zu müssen: Txomin Etxaniz ist nämlich ein Weißwein aus den einheimischen Sorten Hondarribi Zuri und Hondarribi Beltza aus der D.O. Getariako-Txakolina. Puh. Also: Baskenland, furztrocken, wenig Alkohol (11%). Und, wie man so sagt: lecker. Oder, etwas elaborierter: salzig, fruchtig, leicht brizzelnd. Und passte immer noch, als das dritte Amuse kam: Gegrillte Shiso und Aubergine. Optisch unauffällig, gustatorisch eine Überraschung, vor allem nachdem man sie im Tomatenpulver gewälzt hatte.

Schwertmuscheln, Bergamotte und PflaumenkernWir waren nun schon gut im Schwung, aber noch vor dem ersten Gang. Der versprach Schwertmuscheln, Bergamotte und Pflaumenkern – was im Kopf sich vorab so gar nicht zu einem Bild formen wollte. Da half dann die bunte Realität nach, mit üppigem Salatbouquette (Winterkresse, japanischer Minze und Radieschen) und nussig-frischem Muschelfleisch, wie man es nun wirklich nicht alle Tage bekommt. Das war übrigens der Gang, zu dem der erste Wein ursprünglich gedacht war. Wir hatten ihn schon vorab bekommen, weil wir auf den Apero verzichtet hatten. Ein toller Wein sein, der sich so fügt!

Gebratene Crapaudine Rote Bete, Szechuan und KorianderOptisch gar nicht besonders, aber am Gaumen der Top-Hit des Tages: Gebratene Crapaudine Rote Bete, Szechuan und Koriander. Erdigkeit, leichte Schärfe und die unverwechselbare Aromatik von Koriander hinterließen einen nachhaltigen Eindruck. Ein prima Beispiel dafür, dass vegetarische Gerichte den fleischig-fischigen in nichts nachstehen müssen, wenn man’s nur richtig macht! Dazu ein Wein, den man auch nicht so oft im Glas hat: 2020 Irpinia Fiano von Ciro Picariello. Fiano ist eine alte autochthone Rebsorte im Süden Italiens, die bestockte Rebfläche betrug 2016 weltweit nur 2187 ha. Wieder was gelernt! Furztrocken, mit Verlaub, und mit dem fruchtig-mineralischen Geschmack ein merkenswerter Begleiter.

Hamachi vom Grill mit Kombu und IngwerWenn das Brot erst mitten im Menü kommt, stellen sich wenigstens zwei Fragen. Erstens: warum haben wir es am Anfang nicht vermisst? Und zweitens: was soll das jetzt? Erstens beantwortet ich wie von selbst. Wir brauchten es nicht, denn die Funktion als Ohnmachtshappens, bis die Küche in die Gänge kommt, brauchten wir nicht. Es ging ja gleich richtig los! Und zweitens: Hamachi vom Grill mit Kombu und Ingwer bot soviel Anlass zum Ditschen (um das einmal sächsisch auszudrücken), dass kein Brot überhaupt keine Lösung gewesen wäre. Dicke frische Scheiben, mit röscher Kruste und flaumiger Krume: so sollte Brot sein. DAS zu jedem Gang oder gar vorab wäre wirklich gar keine gute Idee gewesen… Was tranken wir dazu? Passend vor allem zum sahnig-öligen Flüssigkeitspegel unter der buttrigen Gelbschwanzmakrele ein 2020 Terre de Marne, Charnonnay, Domaine Durgois, Arbois! Komplex, etwas Holz und Salzigkeit.

Perlhuhn in zwei Teilen: SuppeWas dann kam, müsste man wahrscheinlich in der klassischen Abfolge den Hauptgang nennen – obwohl ja in Wirklichkeit alles irgendwie gleichberechtigt war. Also: Auftritt ein Perlhuhn in zwei Teilen. Der (aus meiner Sicht aufregendere) Teil in einer Schale als Suppe – zu der die Knochen des Tiers ausgekocht wurden und mit Gewürzen wie Kardamom und peruanischem Pfeffer abgeschmeckt wurden. Etwas Fleisch von den Beinen dazu und für Optik und Geschmack noch Blüten – perfekt. Die Suppe stahl dem marinierten, glasierten und gegrillten Bollen eindeutig die Schau. Dazu gab es einen Roten von zwei Winzern aus drei Trauben: 50/50 – Grenache, Carignan, Cinsault – 2019 von der Domaine Anne Gros & Jean-Paul Tollot (und für Rotweinmagichnicht-Fraktion einen 2020 Humus Vinho Branco, Portugal).

Erdbeeren, Magnolie und PetersilieZum Dessert hatten wir einen Wein, den wir kannten: 2019 Siefersheimer Heerkretz, Riesling Spätlese, Wagner-Stempel, Rheinhessen – und zu dem gab es Erdbeeren, Magnolie und Petersilie. Eine ungewohnte, aber überraschend passende Kombination. Zum Espresso danach wurde es dann wieder traditioneller mit Canalé und Choco bros

Coulisse
Oostenburgergracht 75
1018 NC Amsterdam

Tel. +31 20 737 10 07
coulisse-amsterdam.nl

Geöffnet
Dienstag bis Freitag 19-24 Uhr
Samstag: 12.30-24 Uhr

[Besucht am 7. Mai 2022]

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