Rosé-Herstellung – ein Wettlauf mit der Zeit

Ein Abend in der Weinzentrale mit Rosé-Weinen aus der Provence vom Château d'Esclans

Alles Engel. Alle rosa. Alle irgendwie: boah. Und doch nur Flaschen. Wir müssen reden: über Rosé-Weine aus der Provence, die irgendwie aufräumen mit allen Vorurteilen (wie auch berechtigten Urteilen) über Rosé-Weine aus der Provence. Diese sind anders:  brillant, klar, tiefgründig – und wenn man nicht hinsieht, glaubt man bei den Top-Qualitäten gar nicht, einen Rosé in der Nase oder am Gaumen zu haben (beim Blick auf den Kaufbeleg übrigens auch nicht). Aber über Geld redet Sylvain Fetzmann im Prinzip gar nicht, sondern lieber über Superlative. Das fällt ihm nicht schwer, denn Fetzmann ist Brand Ambassador von Château d’Esclans – und die sind nun mal die Besten. Sagt der Markenbotschafter, von dem man schon qua definitionem nichts anderes erwartet.

Sylvain FetzmannUm nochmal auf die Eingangsphrasen zurück zu kommen, die ja vielleicht etwas verwirrt haben: die Engel tauchen da auch, weil zwei der probierten Flaschen den Angel auf dem Etikett hatten: Whispering Angel steht auf dem einen – das ist vielleicht der Rosé, mit dem das Weingut einer größeren Trinkerschar bekannt wurde. Denn während es vom ersten Jahrgang Whispering Angel (2006) 130.000 Flaschen gab, waren es zehn Jahre später bereits drei Millionen Flaschen, und seitdem geht’s weiter, immer weiter. Ob man Engel flüstern hört, wenn man diesen Wein trinkt, sei dahin gestellt – heutzutage braucht’s ja immer eine Form des story telling. Die Story, die wir zu hören bekamen, ist handfester, denn es geht um Visionen und um Qualität.

Dazu müssen wir ein wenig abschweifen, aber nicht viel. Die Geschichte des heutigen Roséweinguts Château d’Esclans ist nämlich die von Sacha Lichine, der das nordöstlich von Sant Tropez gelegene Château 2006 erwarb. Sacha Lichine ist zweierlei: Wein-Nerd einerseits und Sohn andererseits. Sohn ist man zwar immer, wenn man männlich ist, aber der Herr Papa war Alexis Lichine, ein einflussreicher amerikanischer Weinhändler und Autor und war Eigentümer von Château Prieuré-Lichine in Margaux im Bordeaux. Sylvain Fetzmann erwähnt nicht nur beiläufig, sondern mehrfach, dass Vater Alexis der Papst des Wein genannt wurde, womit wir hier mit Sacha Lichine nun endlich einen anerkannten Sohn des Papstes haben. Klingt gut, ist aber bei näherer Betrachtung ein blöder Titel. Dann doch lieber was Eigenes, um berühmt zu werden – und das war, zehn Jahre nach dem Tod des Vaters, das Château d’Esclans.

Mit dem Schloss kam die Idee, die Welt der Rosés ein wenig zu revolutionieren. Die Weine anders zu machen als beliebig, sie geschmacklich wie preislich in andere Ligen zu pushen. Das Château d’Esclans bot gute Voraussetzungen: alte, sehr alte Rebstöcke gab’s da. Über hundert Jahre alte Grenache-Reben liefern u.a. die Trauben für den Garrus, und auch bei den anderen Château-Weinen sorgen sehr alte Reben für die Tiefe im Geschmack. Neben dem Grenache gibt’s in den Rosés Trauben von Syrah, Cinsault und Rolle (die Sorte kennen die meisten besser unter der Bezeichnung Vermentino) – wobei der Weiße Rolle immer mit den Rotweinen zusammen gepresst werden muss, weil es das Gesetzt so will.

Den sehr alten Ausgangsmaterialien steht modernste Technik gegenüber. Die Oxidation tut den Rosés nicht gut, weil sie leichte Bitterstoffe in den Wein bringt. Die Rosé-Herstellung ist ein Wettlauf mit der Zeit, wenn man den besten klaren Geschmack haben will. Also versucht man alles, damit das nicht passiert. Erste Station: Handlese. Nur bestes Traubenmaterial kommt in die (kleine, zehn Kilo nur) Kiste. Gelesen wird in den frühen Morgenstunden, weil’s da noch relativ kühl ist. Das machen andere weltweit auch so, aber die sind ja auch gut. Station zwei: Sortieren der Trauben. Von den Guten nur die Besten. Patrick Léon, der famose Weinmacher vom Chateau Mouton Rothschild, war Berater für das Château d’Esclans – und der sagte: fünf Minuten habt ihr, um die Trauben zu sortieren. Es gibt da fabelhafte Maschinen, Sortiertische mit Kameras. Die gucken auf und in die sorgsam entrappten Trauben und checken, was bleiben darf und was nicht. Pneumatisch wird dann weggepustet, was nicht passt. Das macht nun nicht mehr jeder, denn so ein Maschinchen kostet – eine Millionen Euro, sagt Sylvain Fetzmann, der ausnahmsweise mal über Geld redet.

Aber Maschinen können irren, meinte der Berater und verlangte einen zweiten Durchgang. Also die guten Trauben in die Kiste und wieder nach vorne bringen. Zeit gestoppt, Ziel verfehlt – das alles war in fünf Minuten nicht machbar. Nun haben sie zwei der teuren Maschinen, in Reihe hintereinander. Wer sowas investiert, muss besessen sein. Fokussiert darauf, aus Rosé nicht nur einen gut gemachten Wein, sondern den besten Rosé zu machen. Der sich abhebt vom Rest, der einzigartig ist.

Sechs Proben aufs Exempel

<strong>The Pale </strong><em>(clicken öffnet mehr)</em>

The PaleMachen wir die Probe!  The Pale ist der Einstiegswein. Die Trauben kommen nicht von den 90 ha, die zum Château gehören – weltweiter Ruhm heißt ja auch Menge, und wenn man dort Erträge reduziert (macht man, teils enorm), wird das nüscht. Also gibt es neben dem Château die Caves d’Esclans Kooperationspartner in der Gegend, handverlesen wie die Trauben im eigenen Berrit. Die dürfen aber maschinell ernten, tun das aber nachts. So vermeidet man die Hitze des Tages und hält die Ernte frisch beim Transport. Der Pale wird in temperaturkontrollierten Edelstahltanks vinifiziert und verbleibt auf der Hefe, um dem Saft Textur zu verleihen. Fast spannender als der Wein, den man fröhlich vor sich hin terrassierend oder balkonisierend wegschlabbern kann, ist hier das Äußere. Eine Szene wie aus dem New York der 1920er Jahre, inklusive Schriftzug, der an den New Yorker erinnert. Die Flaschenform stammt aus der Zeit der Prohibition, und von unten sieht sie aus wie ein Whiskyglas. Das alles passiert in einem marketingaffinen Betrieb nicht ohne Hintergedanken: The Pale wurde im vergangenen Jahr in Amerika und Großbritannien auf den Markt gebracht – und war ein Erfolg mit drei Millionen verkaufter Flaschen. Jetzt also Europa, wo man vielleicht nicht unbedingt gleich an den New Yorker denkt, das Äußere der Flasche aber dennoch als hilfreiches Kaufargument nimmt.

<strong>Whispering Angel </strong><em>(clicken öffnet mehr)</em>

Whispering AngelWhispering Angel war bis dato der Einstiegswein, aber der ist schon eine Nummer ernst zu nehmender. Der Rosé ist eine Cuvée aus Grenache, Cinsault und Rolle. Grenache dominiert und stammt von mehr als 80 Jahre alten Rebstöcken, gute Voraussetzungen für Charakterweine. Oh ja, der kann was – was ja auch beabsichtigt war bei der Konzeption des Whispering Angel. Man wollte weg von der Rosé-Erfahrung „ein Picknick und dann Kopfschmerzen“ (Sylvain Fetzmann) und hat das Ziel erreicht. Aber nicht nur das: er ist damit (und erst recht mit denen, die noch kommen werden) weit übers Ziel heraus geschossen. Der Umgang mit den Trauben ist das Geheimnis, den Ausschluss von Sauerstoff haben wir ja eingangs schon diskutiert, die sehr erwachsenen Reben auch (das Durchschnittsalter liegt bei 40 Jahren). Und dann sind die Rosés durchgegoren. „Alle Rosés, die wir heute probieren, haben 0,4 Gramm Zucker/Liter – weniger geht nicht!“, sagt Fetzmann. Weil man den Zucker nicht brauche, um die Bitterkeit durch Oxidation auszugleichen. Aber was man schmeckt, ist ein wenig Salz  – das bringt der Wind, der Abends vom Meer her weht. Und so fässt er zusammen: „Wir haben die saubersten, reinsten und ausgewogensten Rosé-Weine auf dem Markt!“

<strong>Rock Angel </strong><em>(clicken öffnet mehr)</em>

Sylvain Fetzmann mit Rock AngelRock Angel im Glas – und man riecht und schmeckt – verhalten, aber spürbar – Holz. Bei den roten und weißen Stillweinen ist Holz ja gang und gäbe, aber beim Rosé? Lange Zeit undenkbar. Doch nur Versuch macht kluch, wie man so sagt – und in kleinen Schritten probierten sich die Weinmacher um Sacha  Lichine aus. Man nahm nicht ganz so alte Reben, man machte erst einmal nach bewährtem d’Esclans-Rezept einen Rosé – und gab dann die Hälfte davon in alte, bis zu fünf Mal gebrauchte Barriques und ließ ihn dort fünf Monate liegen. Danach wurden beide Partien wieder miteinander verblendet – und heraus kam „Whispering Angel in Lederjacke“, wie Sylvain Fetzmann sagt. Rock Angel eben. Großartig zum Essen, denn alles aus dem Barrique ist crémig und komplexer. Die Probe aufs Exempel machen wir an diesem Abend in der Weinzentrale schon die ganze Zeit. Zum Rock Angel gab es eine verrückte Tuna-Pizza, ganz ohne Pizza-Teig. Sebastian Roisch hatte dazu Reisnudeln gecruncht, Gemüse mariniert (da wurde es dann schon asiatisch), Thunfisch nur ganz ganz kurz rundum angebraten und alles mit diversen Saucen abgeschmeckt. „Absolutely fantastic!“ befand nicht nur Sylvain Fetzmann. „Unsere Weine passen wunderbar zur asiatischen Fusion-Küche!“ freute er sich über die perfekte Harmonie. Weil es da nicht stand, bin ich mal nachtragend: zum Whispering Angel gab es Geflämmte Jakobsmuschel | Lotuswurzel | Zuckerrübengemüse – das ging im großen Wissensdurst ein wenig unter, passte aber auch schon sehr trefflich. Just saying…

<strong>Château d'Esclans </strong><em>(clicken öffnet mehr)</em>

Chateau d'EsclansWir verlassen die Höhlen und kommen ins Schloss – anders als bei den bisherigen Weine der Caves d’Esclans kommen die Trauben also nun vom eigenen Grund. Der erste Wein der Serie heißt wie das Weingut Château d’Esclans. Der Wein sei die Antwort auf Wünsche der Kunden, vor allem der älteren: die wollten was Konservativeres, weil man mit 80 ja auch nicht mehr wirklich ein Rockin‘ Angel sei, erzählt Sylvain Fetzmann. Natürlich sollte es wieder ein very special wine werden, und das ging dann so:  Im Wein sind die Trauben (alles Grenache) von drei Weinbergen. Die einen 120 Jahre alt, die nächsten 85 Jahre alt, die jüngsten 65 Jahre alt. Die machen 85 Prozent aus, der Rest sind der bei d’Esclans übliche Mix aus u.a. Syrah und Rolle. Die geringe Produktion dieses Rosé  ist nur für die High-End-Gastronomie, Palasthgotels und Restaurants mit großartigem Küchenchef gedacht: „das ist kein Picknick, das ist wichtiger Wein!“, meint Fetzmann. Wein, der im Prinzip wie beim Rock Angel reift, dann zur Hälfte für sieben Monate in nicht ganz so altes Holz kommt und dann wieder zusammen geführt wird. Das gibt einen subtilen Geschmack von Holz, der dem Rosé gut bekommt. Wir nähern uns im Geschmack den Weißen Burgundern und haben damit wieder einen sehr passenden Begleiter zum nun servierten Terijaki von der Eismeerforelle mit Selleriepürèe und Wildem Brokkoli. Kurzer knapper Kommentar: „Bravo!“

<strong>Les Clans </strong><em>(clicken öffnet mehr)</em>

Les ClansLebenslanges Lernen ist für Winzer ja normal, weil jeder Jahrgang individuell ist. Man kann natürlich zusätzlich noch an seinen Prozessen arbeiten. Und dabei zu Ergebnissen kommen, die „weltweit einzigartig sind“ (sagt Sylvain Fetzmann, der nicht mit Superlativen geizt). Und weil man im Château herausfand, dass die beste Temperatur für die Weinreife zwischen 12 und 14,5 Grad liegt (Unter 12 Grad stoppt die Gärung, über 14,5 Grad nimmt der Wein zu viel Tannin vom Holzfass auf), erfand man für die Fermentation in Barriques ein sehr ausgeklügeltes System der Kühlung. Sieht etwas verwirrend aus, ist es auch. Weltweit einzigartig eben. Das System sieht Thermometer in allen Barriques vor, dann Wasserschläuche mit Kühlung. 1 Kilometer Duschschläuche (story telling: „die Idee kam dem Kellermeister morgens unter der Dusche!“) mit vier Grad kühlem Wasser sind im Keller verlegt, sie gehen in die Fässer und kühlen den gärenden Wein bei Bedarf runter.

Food zum RoséDas waren die Voraussetzungen für Les Clans. Der ist nun wirklich vom Geschmack sehr Nahe dran am Burgund. „Bei einer Blindverkostung würden die meisten Sommeliers und Weinexperten ihn für einen weißen Burgunder wie Meursault oder Chassagne-Montrachet halten.“, erfahren wir. Aber auch, dass er schon jung zugänglich ist, aber durchaus altern kann. Und ja: es ist natürlich ein Rosé. Man nimmt die gleichen Weinberge und Weine wie beim Château, aber baut den Wein in drei unterschiedlich alten Gruppen von Barriques aus (ein Jahr, zwei Jahre, drei Jahre alt). Die Weine werden zusammengeführt und – surprise! – wieder getrennt, um in Barriques der gleichen drei Altersgruppen zehn Monate zu reifen, wobei sie einmal die Woche umgerührt werden (battonage nennen die Winzer das Aufrühren der Hefe, was deutlich feiner klingt). Selbstverständlich werden am Ende des Prozesses die Weine wieder assembliert zu „unserem technischsten Wein: Les Clans“. Dazu servierte Sebastian Roisch Wachtelspieß, Japanisches Risotto, Pfifferlinge. Kommentar des Rosé-Fachmanns: „Wow!“ Das Food-Pairing sei einfach der Wahnsinn…

<strong>Garrus </strong><em>(clicken öffnet mehr)</em>

Garrus mit Sylvain FetzmannGarrus einen Dessertwein zu nennen, ist hart an der Grenze zur Beleidigung. Es gab ihn zwar zum Dessert (Himbeer-Royal / Matchaeis), aber Garrus ist der Spitzenwein von Château d’Esclans. „Go crazy!“ lautete der Auftrag an den Kellermeister. Und er fand das eine gute Idee und handelte wie folgt. Nur 120 Jahre alter Grenache Wein („der älteste Grenache der Welt!“ sagt der Mann der Superlative) und lediglich 2 Prozent Rolle, nur neue Barriques, dann aber natürlich die bekannte Technik für perfekte Rosés. Die Reife – wieder in neuen Barriques – dauerte ein Jahr mit Battonage zweimal die Woche. Ein Wein „nicht für Kinder“. Das gilt auch für den Preis, denn der Garrus ist nicht nur vom Geschmack weit oben an der Spitze angesiedelt. Heiner Lobenberg schreibt (zum Jahrgang 2020, wir hatten den 2019er): „Lange Zeit war der Garrus seit seiner Einführung 2006 der mit Abstand teuerste Rosé der Provence – und einer der hochpreisigsten der Welt. Kultig und legendär oder etwas too much und preislich überzogen?! Am Garrus scheiden sich die Geister. Fraglos ist es einer der beeindruckendsten und wuchtigsten Rosés überhaupt.“ Dem ist nichts hinzuzufügen, außer: mir hat der Les Clans deutlich besser gefallen. Vielleicht, weil er nicht so maskulin (Fetzmann über den Garrus) ist…

Sylvain Fetzmann und Christian FussanPS: alle wörtlichen Zitate von Sylvain Fetzmann sind Übersetzungen, denn „ich lebe seit vier Jahren in Frankfurt, spreche aber kein Deutsch“ – sagte er auf deutsch und wechselte dann ins Englische mit diesem (Frauen würden sagen: süßen) französischen Touch.

PS2: Der Abend für einen exklusiv eingeladenen Kreis fand am 1. September 2022 in der Weinzentrale in Dresden statt. Was dort nicht zur Sprache kam: seit 2019 ist Moët Hennessy Mehrheitsaktionär von Château d’Esclans. Sacha Lichine ist nach wie vor Präsident von Château d’Esclans und wird das Anwesen weiterhin beaufsichtigen und seine zukünftige Entwicklung steuern. Christian Fussan, Verkaufsleiter bei Moët Hennessy, war an diesem Abend in Dresden dabei und hat mich – wenn auch im Bericht unzitiert – mit Informationen versorgt.

Château d’Esclans
4005 route de Callas
83920 La Motte en Provence

Tel. +33 494-604-040
www.esclans.com

 

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