36 Stunden Dresden – kulinarisch-vinophil

Zwei Nächte im Arcotel mit Besuchen in der Weinzentrale, auf dem Weingut Klaus Zimmerling und in der Elbuferei

36Stunden Dresden

Dresden: das sind die Museen, die Oper, die Altstadt. Das ist in der Vorweihnachtszeit der Striezelmarkt mit all seinen hübschen – und naja, manchmal auch: nicht so tollen – mindestens zehn Brüdern und Schwestern. Aber Dresden ist auch Wein und Kulinarik, was sich freilich außerhalb der Stadt noch nicht so arg herumgesprochen hat. Kenner der Szene aber wissen: zwei der besten Weinbars bundesweit gibt es hier. Das kleine Weinbaugebiet Sachsen hat obendrein drei Weingüter im VDP, dem Verband der Prädikatsweingüter – und einige andere, die nicht dort sind und dennoch guten Wein und/oder Sekt machen. Und zu essen gibt es mehr als Pizza und Döner, man muss nur wissen wo es den Genuss gibt!

Journalistinnen und Journalisten mit diesem Umstand vertraut zu machen, hatte sich Florian Stühmer vorgenommen. Der ist Hoteldirektor im Arcotel HafenCity (wobei man sich in der Hotellerie gerne englisch gibt: General Manager steht auf seiner Visitenkarte. Was immer noch besser ist als in Werbeagenturen der Art Director, was ja von den abhängigen Arbeitsameisen gerne mal als „so eine Art Direktor“ übersetzt wird – aber ich schweife ab…). Das Arcotel öffnete die Türen mitten in der Pandemie, um sie dann auch schnell wieder zumachen zu müssen, was keinen so recht begeisterte. Das Grand Opening, wie in der Hotellerie die offizielle Eröffnung nach einer Aufwärmphase (dem soft opening) genannt wird, fand erst nach mehr als einem Jahr statt. Aber nun läuft’s und es wurde Zeit, auf sich aufmerksam zu machen.

Arcotel HafenCity

Das Hotel (klicken öffnet mehr)

Aus touristischer Sicht liegt das Hotel ideal: nicht mitten im Trubel der Stadt, sondern vergleichsweise ruhig und direkt an der Elbe. Dass das Projekt Hafencity in der Planungsphase insgesamt nicht bei allen Dresdnern auf Gegenliebe stieß, ist Geschichte – und man merkt es jetzt nicht mehr. Mit den Nachbarn vom City Beach hat man sogar eine gemeinsame hässliche Mauer aufhübschen lassen, der StreetArt-Künstler Said Dokins hat hier mit „Tres soles y un rio“ (drei Sonnen und ein Fluss) ein unübersehbares Zeichen für Kunst in der Stadt gesetzt. Die Kosten haben sich die beiden Nachbarn geteilt. Geht also. Im Sommer ist eine location wie der City Beach aber eh ein guter Anlaufpunkt, das werden die Gäste schnell merken. Im Winter macht’s Hotel (das im Sommer natürlich auch eine große Außenterrasse bespielt) die Wege kürzer: es gibt drei Iglus für draußen-drinnen-essen-Erfahrungen.

Das HotelWer (wie wir, denn wir wurden natürlich verwöhnt) eins der Zimmer im Nebenhaus mit Blick auf die Elbe hat, kommt in den Genuss eines Balkons und kann von dort aus auf jeden Fall die Elbe und zumindest andeutungsweise auch die Skyline der Altstadt sehen. Merke: keine Sichtgarantie bei Nebel! Ansonsten ist diese Kategorie Zimmer modern-großzügig und die Matratzen waren allerprimstens. Es gab allerdings dennoch Stoff zum Nachdenken: warum müssen in neuen Hotels die Bäder immer Teil des Zimmers sein? Schlafen Architekten eigentlich in dem, was sie da gestalten? Ich habe es im Bad beispielsweise gerne warm und im Schlafbereich sehr luftig-kalt. Falls man das irgendwo regeln kann: Ich habe es nicht gefunden. Dieser Rant gilt übrigens für die drei letzten besuchten Hotels zwischen Görlitz und Wintrich an der Mosel, also ist man damit wenigstens in (guter? nee!) Gesellschaft.

Eine Spezialität der Arcotels sind Themenzimmer. In Dresden gibt’s drei davon: die Bunte Bude mit einer veränderbaren Couchlandschaft, den Welten-Blick mit Fernrohr, Globus, Weltkarte und rundem drehbaren Bett sowie Käpten’s Kajüte, die ich schon deswegen gerne mal buchen würde, um den Deppenapostroph an die bessere Stelle hinterm „p“ zu schieben oder besser noch ganz wegfallen zu lassen. Käptens Kajüte hat den maritimen Touch, der ganz gut zur HafenCity passt, mit Schiffsboden und Schlafkoje überm Doppelbett.

jens Pietzonka | Sebastian Roisch

Die Weinzentrale (klicken öffnet mehr)

Die Weinzentrale von Jens Pietzonka ist neben der WeinKulturBar von Silvio Nitzsche eine der eingangs erwähnten deutschlandweit bekannten Weinbars in Dresden. Seit etwas mehr als einem Jahr erhielt die Bar, die 2015 in einem ehemaligen Lampenladen am Rande des Szeneviertels Neustadt entstand, nochmal gehörig Schwung: da stieß Sebastian Roisch zum Team – und der kann kochen wie ein Weltmeister. Raum dafür hat er kaum, die Küche ist klein und war ja ursprünglich nur als Barfood-Vorbereitungsraum gedacht. Aber nun schickt der Chef ganze Menüs, bei denen jeder Gang seinen passenden Wein findet. Da Sebastian so gut kocht, kann es sein, dass er bald weg ist aus der Weinzentrale – aber nicht vom Jens: die beiden suchen nämlich, wie Pietzonka dem Pressetrupp beim abendlichen Besuch verriet, ein Restaurant. Zusätzlich zur Weinzentrale, die dann wieder mehr Weinbar als Weinrestaurant sein soll. Dass am neuen (noch zu findenden) Ort der Wein weiterhin wichtig sein Wird, ist quasi gesetzt – zumal ab dem 1. Dezember mit Jana Schellenberg eine neue prominente Sommeliere Teil des Teams sein wird. Restauranterfahrung bringt sie ja mit (wer mehr wissen will: vor einem Jahr etwa hatten wir Schelli im Podcast).

WeinzentraleDer für uns vorbereitete Genuss-Abend war ein typisches Abbild eines feinen Weinzentrale-Abends. Man hat den Eindruck, dass sich Jens Pietzonka und Sebastian Roisch (die sich vor Jahren in der Villa Merton in Frankfurt kennen gelernt hatten) gegenseitig hochschaukeln, wenn es ums passende Pairing geht. Konsequenterweise gibt’s nicht nur einen Gruß aus der Küche (Rote Beete Schaum & Salat Jacobsmuschel, Auster, Gurke), sondern dazu auch einen aus der Bar – was ganz Feines, nämlich Decade Sekt Brut Nature aus dem Jahrgang 2010 von Bamberger aus Meddersheim an der Nahe. 100 Prozent Riesling, gelesen im Oktober 2010, abgefüllt im August 2011 und degorgiert im Februar 2021. Und genossen im November 2022 – kann man mal machen!

Die allerletzte Flasche seines eigenen Projekts Weinfunatiker – einen 2018 Slate Riesling, gemacht natürlich im Weingut von Othegraven, schenkte Jens zu einem Signature-Dish vom Sebastian aus: Die Crunchy Tuna Pizza hat mit einer „Nummer sieben, die Tonno – aber ohne Zwiebel!“ beim Italiener allerdings so rein gar nichts zu tun. Statt (Hefe-)Teig ist die Basis gecrunchte Reisnudeln, statt Tomatensauce gibt es Spicy Mayo, und statt Dosenthunfisch sind kurz abgeflämmte Tuna-Würfel in Sushi-Qualität der Belag.

Mit eigenen Weinen ging es weiter. Eigen meint – anders als man das manchmal hat – wirklich eigen, also nicht nur ein eigenes Etikett auf ansonsten normalem Wein des Weinguts. Der 2018 Ungestüm Grauburgunder von Matthias Schuh & Weinzentrale, Sachsen zum Pulpo mit Carbonatta und Buchweizen-Nudeln beispielsweise ist noch eine deutliche Spur trockener und heftiger als die Version, die der Winzer für sich in dem Jahr gemacht hat. Es war, wenn meine Erinnerung nicht trügt, der erste Orange-Wein der Region – auf jeden Fall der erste genießbare. Zu Eismeerforelle mit Wildem Broccoli und Sellerieschaum gab es den (immer noch zu jungen, aber schon sehr trinkbaren 2020 A. Chardonnay Select by Jens Pietzonka, den Philipp Wittmann (Rheinhessen) hergestellt hat. Er hat Pietzonka dafür Trauben aus bester Weinbergslage zur Verfügung gestellt, „eine große Ehre“, wie Jens beim Vorstellen des Weins glaubhaft versichert (kleiner Lagentipp zur Erklärung des „A.“ vorm Chardonnay). Zu ergänzen aus Gastsicht vielleicht noch: eine große Freude.

Wir waren nun zwar langsam gesättigt, aber zu einer 2015 Rotwein Reserve von Markus Schneider (Pfalz) musste man natürlich das
Bratenbrot von der Rinderbacke (mit Kohl und Senfgurke) probieren. Außer dem Namen hat das mit dem bekannten einfachen Abendrot nicht mehr viel zu tun, aber was hätten wir denn tun sollen? Allenfalls ein wenig Platz lassen fürs Dessert, zu dem es den 2020 Riesling RZ 26 von Martin Schwarz (Sachsen) hab. Ja, wenn es sein muss, kann Martin Schwarz auch süß! Zum Gewürz-Apfel mit Mohnkäsekuchen und Schmand eine würdige Begleitung.

Weinzentrale | Hoyerswerdaer Straße 2, 01099 Dresden | Tel. +49 351 / 89966747 | www.www.weinzentrale.com

Klaus Zimmerling

Der Spitzenwinzer (klicken öffnet mehr)

Klaus Zimmerling ist Winzer in Pillnitz. Er macht nicht alles anders als seine Kollegen (m/w/d), aber vieles. Man könnte ihn einen introvertierten Eigenbrötler nennen, aber das macht manchmal nur den Eindruck, und wer ihn besser kennt, weiß, dass es nicht stimmt. Denn anders als viele seiner Kollegen ist er eher ruhig und lässt lieber seine Weine für sich sprechen. Oder aber er gibt das Wort an seine Frau Małgorzata Chodakowska, die schöne Menschen schnitzt, weil sie genusssüchtig ist (sinngemäß zitiert nach einem Beitrag der Dresdner Galeristin Karin Weber). Wer nun spontan denkt: die Frau passt zum Winzer!, der (oder die) hat natürlich Recht, aber nicht nur wegen des Genuss-Zitats. Man merkt das – wenn man die Beiden erlebt auf ihrem Weingut, aber auch beim Anblick jeder Flasche: jeder Jahrgang hat als Etikett das Bild einer Skulptur von Małgorzata Chodakowska. Da kann, wer jahrelang schon Zimmerling aus eigener Flasche im Glas hatte, auf eine hübsche Galerie gucken und sich an die unterschiedlichsten Weine erinnern.

ZimmerlingZimmerlings Weingut liegt mitten im Königlichen Weinberg. Oberhalb des Weinbergwegs (und des Weinguts) erhebt sich die markante Rysselkuppe. Das hat nichts mit einem anders geschriebenen Rüssel zu tun, sondern mit dem kurfürstlichen Rat und Kammerreferendar Gottfried von Ryssel, der von 1656 bis 1707 lebte. Rund 4,5 ha umfasst dieser vom VDP als Große Lage eingestufte Teil des Königlichen Weinbergs (einschließlich des flacheren Teils unterhalb des Weges). Zimmerling baut hier überwiegend Riesling an (40 %), dann noch Weiß- und Grauburgunder, Kerner, Traminer und Gewürztraminer, Sauvignon Blanc (Neuanpflanzung 2021), Roten Riesling, Goldmuskateller und Spätburgunder (für Sekt oder als Blanc de Noir bzw. Rosé im Angebot). Warum so viel? „Manchmal tut eine kleine Beigabe dem Wein gut, zum Beispiel ein wenig Roter Riesling hebt den Riesling und erschließt neue Geschmackskomponenten“, sagt Klaus Zimmerling. Außerdem liebt er es, langsam und mit Bedacht zu ernten: die Vielfalt hilft beim Ernte-Stretching.

Der Besuch beim Winzer mit Weinprobe von Wenen der Jahrgänge 2016–2021 findet seinen Niederschlag übrigens in einem eigenen Artikel (coming soon).

Weingut Klaus Zimmerling | Bergweg 27, 01326 Dresden | Tel. +49 351 / 2618752 | weingut-zimmerling.de
Skulpturen von Malgorzata Chodakowska
| skulptur-chodakowska.de

Keep your arms crossed_0413

Die Elbuferei (klicken öffnet mehr)

Die Elbuferei ist das Restaurant im Arcotel. Aber wer nun denkt: ach ja, Hotelrestaurant… – irrt. Mit dem Engagement von Marcel Kube war eigentlich klar: da soll es locker & lecker zugehen. Denn der mit einem Stern (im Atelier Sanssouci der Villa Sorgenfrei) gekrönte Koch hatte zwar den Sternerummel satt, als er das Haus verließ, aber nicht den guten Geschmack. Und nun gibt er seit 2021 als Chef der offenen Küche den Geschmack vor. Zur Eröffnung lautete das Konzept: Tapas! Und irgendwas mit Mittelmeer. Mittlerweile ist es immer noch irgendwas mit Mittelmeer, aber keineswegs nur noch Tapas.

Das hat was mit Schubladen und Konzepten zu tun. Wenn man ein Haus (egal ob Hotel oder Restaurant oder gar beides zusammen) am Markt positionieren will, kommt es gerne zu so Schubläden: Mach mal was mit mediterraner Küche, das schmeckt den Leuten und lässt sie vom Urlaub träumen. Natürlich viel schwurbliger und länger formuliert, aber darauf läuft’s ja letztendlich hinaus. Die Küche  von Marcel Kube ist nun aber nicht unbedingt das, was in kleine Schubladen passt, für den kreativen und undogmatischen Koch müsste es schon eine Kommode mit vielen Fächern sein.

ElbufereiAuf dem Weg von der Schublade zur Kommode haben Kube und sein Team (davon etliche, mit denen er schon in der Villa zusammen gearbeitet hat) schon mal den Begriff mediterran um die Teile des Mittelmeers erweitert, an die man nicht sofort denkt – obwohl doch der Nahe Osten auf jeden Fall dazu gehört. Da kommen einem die Gerichte gar nicht mehr spanisch vor! Von der engen Tapas-Idee ist man mittlerweile auch weitgehend abgekommen, obwohl es das eine oder andere Gericht noch in tapasähnlicher Größe gibt: ganz klassisch kann man ein Menü in drei, vier oder fünf Gängen bestellen (49/59/69 €).

Marcel Kube (2021)Das Motto für seinen Job trägt Marcel Kube offen zur Schau: Kreativität: Leidenschaft & Perfektion steht als Tattoo auf seinem rechten Unterarm und begleitet ihn sozusagen permanent bei der Arbeit. Da die Küc he offen ist, kann man den Köchen bei der Arbeit zusehen. Immer wieder schön: es geht ruhig, konzentriert und zügig zu. Das ist eine Stimmung, die sich nicht für Boulevardpresse eignet und schon gar nicht für Selbstfdarsteller-Romane, da müssen ja Pfannen fliegn und die Messer gewetzt werden. Entsprechend sachlich-nüchtern kommen die Ansagen des Chefs – die Gerichte heißen (schon immer bei Marcel Kube) so, wie das, was drin ist.

  • Brot von Elias Boulanger, reines Sauerteigbrot mit Kürbishummus mit Honig und Macadamia-Nüssen und Salbei
  • Confierter Champignon auf Auberginenmarmelade mit Portwein und einem Grünkohlsalat mit Rauchmandel
  • Artischockensalat mit Kapern, Rosinen, Petersilie auf abgehangenem Joghurt (Labneh) mit gepufftem Reis
  • Lachsfilet roh mariniert und geflämmt, Fenchel, Salzzitrone und Escabeche Sud
  • Gebratener Rehrücken, Flower Sprouts, Topinambur, Jus von Berberitze, Crunch von Ararat
  • Schokoladencreme Himbeer-Paprika-Sorbet, Basilikum, Himbeere und Mini-Paprika, süß-sauer eingelegt
  • Elbuferei-Trüffel mit Kakao-Malz

WeineZu so einem Essen, das alle Geschmackssinne herausfordernd stimuliert und obendrein auch die Optik aufs Allerfeinste bedient, gehören gute Weine! Bei einem Testessen vor einem Monat musste ich noch ein wenig jammern – „das alles schmeichelt und schmeckt“, lautete das fazit in einem Beitrag für den falstaff, „und wenn es nun noch mehr und vor allem nicht so einfache Weine dazu gäbe, wäre der Genuss vollkommen…“. Zufall oder Plan – egal: wir bekamen zu unserem Menü zwei Weine von Klaus Zimmerling (2019 Cuvée aus Grauburgunder und Kerner / 2018 Riesling) und zum Hauptgang einen 2018 Pinot Noir unfiltriert von Martin Schwarz sowie vom Weingut Wolkenberg zum Dessert deren NoPort – wer da noch meckert, hat selber Schuld 😉

Elbuferei | Leipziger Strasse 29, 01097 Dresden | Tel. +49 35 144 81110 | www.elbuferei.de

Hinweis:
Die Recherchen zu diesem Bericht wurden im Rahmen einer Pressereise am 16. und 17. November 2022 vom Arcotel HafenCity Dresden unterstützt.

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