Spaß am Pass

Küchenparty in der Elbresidenz in Bad Schandau

Alte Freunde

„Alte Liebe rostet nicht“ steht auf dem Plakat, das als Bild darüber drei Männer zeigt. Das ist aber kein Aufreger in Bad Schandau, denn wer den Weg an der Elbe entlang geht und das Poster an der Mauer vom Hotel Elbresidenz sieht, weiß ja, wie es gemeint ist: Die drei auf dem Bild haben mal zusammen gearbeitet. In der Küche und als Sommelier am Gast.

Das war im badischen Durbach, hat aber dennoch was mit Bad Schandau und Sachsen zu tun: die Jungs sind von hier, wie man so sagt. Mittlerweile hat es sie – so ist die Branche, was wegen des Ideenflusses auch ganz gut ist – wieder auseinander an verschiedene Orte der Republik verstreut. Und da tut doch so eine Art Klassentreffen einmal im Jahr ganz gut.

Nun wird‘s aber Zeit, die drei Akteure auch mal beim Namen zu nennen und vorzustellen: André Tienelt ist Sternekoch. Seinen ersten Stern bekam er 2009 im Sendig – das war damals das Gourmetrestaurant des Hotels. Den behielt er, bis die Elbe kam und alles in den Fluten untergehen ließ. Wir waren, ohne es zu wissen oder gar zu wollen, quasi live dabei, denn Tienelt mochte schon immer gerne Küchenparties und den Austausch mit Kollegen: am 1. Juni 2013 fand die (damals vierte) GenussFusion statt, wo (noch trockenen Fußes) die Gäste acht Sterne an den Pfannen erlebten. Also eigentlich die Köche mit ihren Sternen, natürlich. Als absehbar, dass nach dem Sommer-Hochwasser 2013 das Hotel nicht so schnell wieder öffnen würde, verließ Tienelt Bad Schandau und wurde 2014 Küchenchef im Hotel Ritter im badischen Durbach.

Damals® bei der Küchenparty als Chef-Pâtissier mit Borthener Erdbeeren dabei: Daniel Hegenbarth. Der folgte Tienelt in den Schwarzwald, lernte dort kräftig hinzu und kehrte zurück nach Schandau, wo er nun als Küchenchef die Geschicke des Restaurant Elbterrasse leitet. Der Dritte im Bunde der alten Freunde ist Ronny Weber. Der war damals in Durbach Sommelier und Herr über einen großen und gut bestückten Weinkeller – etwas, was dem Weinakademiker ungeheure Freude macht. Ronny Weber kommt gebürtig aus Meißen, was den Sachsen-Dreier komplett macht – und auch er hat den Ritter verlassen, hat aber nach einigen Umwegen wieder einen Fuß im Badischen: er ist Markenbotschafter beim Landweingut Sven Nieger (da gibt’s hier gleich nebenan einen sehr informativen Podcast).

Zurück zur guten alten Küchenparty

Das fünfte Wiedersehen wies eine Neuerung auf: gab es in den Jahren zuvor ein gesetztes Essen, so war der Abend dieses Mal als Küchenparty zum Saisonabschluss angekündigt. Also quasi die Rückbesinnung auf die gute alte Küchenparty. Das hat Vor- und Nachteile. Für welche Seite dieses Paars man sich entscheidet, liegt erstaunlicherweise oft bei einem selbst.

Wie das? Dazu begeben wir uns am Nachmittag einfach mal an den Bahnhof, an dem sich S-Bahn und Fähre planmäßig ein Stelldichein geben. Will heißen: wer mit der Bahn aus Richtung Dresden ankommt, wird ohne Stress die Fähre erreichen, die an dieser Stelle die Elbe nicht direkt quert, sondern erst einmal ein wenig flussauf tuckert, um dann direkt vor dem Hotel das andere Ufer zu erreichen. Extra-Tickets braucht man nicht, ist alles drin im Verbundfahrschein – ein Traum. Beim Warten auf die Fähre unterhalten sich drei Ehepaare nebenan. Wie das so sei an Abenden, wo man nicht bedient wird. „Da stürzen doch alle auf die leckersten Dinge und hauen sich die Teller voll!“ Ich höre interessiert zu und denke recht schnell, dass alle eher nicht auf alle zutrifft, aber vielleicht auf alle sechs hier Fabulierenden. Strategien entwickelten sie auch: „Ich gehe mit zwei Tellern zum Einen und du mit zwei Tellern zum anderen“, und dergleichen Dinge mehr, die man nach dem Handtuchauslegen ja auch in Ferienanlagen erleben kann. Schön war der Satz: „Hoffentlich hört jetzt hier keiner der Köche zu!“, mit besorgtem Blick in die Runde der Mitwartenden leise zur Gattin gesprochen. Koch nicht, dachte ich so für mich hin, aaaber…

Im Restaurant mit seiner großen Küche und den vielen Gelegenheiten zum Sitzen an Tischen stellte sich schnell heraus, dass hier Futterneid zu den größten Fremdwörtern überhaupt zählen sollte. Einerseits wegen des Anstands der Anderen und andererseits wegen der professionellen Vorbereitung des Teams. Es. Gab. Genug. Essen und auch Trinken. Und – besonders lobens- und erwähnenswert, weil daran schon etliche Veranstaltungen dieser Art gekränkelt haben –  es gab Servicekräfte, die ratzfatz wegräumten, was wegzuräumen war. Und das lächelnd und nicht nur zu Beginn des Abends (da kann ja jede*r frisch sein).

Die Köche hatten Spaß!

Nachdem sich also die befürchteten Nachteile so nicht zeigten, ein Wort zu den Vorteilen. Und da beginne ich gleich mal mit einem Perspektivwechsel: die Köche hatten Spaß! Denn es gab in der Küche nicht nur vergleichsweise ausreichend viel Platz für jeden von ihnen, sondern auch einen DJ, der den Raum beschallte. Da wirbelt es sich offenbar gleich viel schneller und leichter! Die Schlangen vor den einzelnen Stationen waren manchmal länger und manchmal kürzer, aber wenn man nicht allzu wortkarg vor sich hin muffelte, bot das die Chance auf Gespräche. Zumal der Vorteil der Selbstbedienung ja auch ist, dass man eh immer mit nem Glas durch die Räume geht – sei es Wasser, sei es Wein oder sonst was, wo mein Auge nicht hin reichte…

Ronny Weber wäre bei dem System als Sommelier natürlich hilflos unterfordert, also bekam er als Sonderaufgabe ein Elemente-Wein-Tasting. Für eine kleine Gruppe, die sich alle 45 Minuten spontan zusammen finden musste (was super klappte) hatte er je einen Wein im Angebot, den er Luft – Erde – Wasser – Feuer zuordnete. Wilde Sachen kann man machen mit Wein und Wissen! Wir probierten und nahmen Weinwissen, Philosophie und Geschmack auf von einem 2020 Crémant Brut vom Weingut Jülg aus Schweigen an der deutsch-französischen Grenze, einem 2020 Zarate Albariño aus Rias Baixas, Galizien, einem 2021 Riesling Kabinett Pündericher Marienberg (Mosel) von Clemens Busch und einem 2020 Rossojbleo von Gulfi, Sizilien. Nahe am Ätna und also gut für Feuer, aber dennoch – vor allem, wenn wie empfohlen, etwas kühler genossen – ein fabelhafter Trinkwein und nicht so ein schwerer Nachdenker.

In Sachen Wein wäre noch erwähnenswert, dass etwas unterm Radar von vielen Besucherinnen und Besuchern an einem der Weinstände eine leibhaftige Winzerin anwesend war. Es gab dort Wein aus Portugal, genauer: aus dem Alentejo. Praktisch: die Winzerin des Weinguts Quinta da Plansel spricht deutsch! Aus gutem Grund: Dorina Lindemann-Böhm ist die Tochter von Hans Jörg Böhm, einem Weinhändlerssohn aus Neustadt an der Weinstraße und – ganz kurz gefasst – wichtigem Mann im jüngeren portugiesischen Weinbau. Über die beiden könnte man viele Geschichten schreiben (wer weiß, was sich da noch mal ergibt…), und über die mitgebrachten Weine öfter noch mal nachtrinken. In Ermangelung des an den Ständen aus Sachsen und Saale-Unstrut nicht vorhandenen Rieslings (bei gleichzeitigem Großangebot von Bukettsorten) war das Alentejo in Bad Schandau schon im Weißweinbereich (m)eine stete Anlaufquelle. Bei den Roten dann sowieso…

Die Stationen des Abends

  • Daniel Hegenbart als Chef de la Kösch hatte an seiner Station gleich zwei Gerichte im Angebot: Schweinebauch 24 h | Soba | Pak Choi Dashi | Miso und Lachs „Loch Duart“ | Quinoa | Tandoori | Guave
  • Gleich daneben stand André Tienelt und zauberte Reh Teriyaki | Brokkoli | Buchweizen | Gyoza
  • Bei Robert Arnold probierten wir Avocado gebacken | Tabouleh | Aubergine | Sauce Rouille
  • Alexander Becker (Restaurant Elbterrasse) bereitete den Klassiker  Landei | Spinat | Kartoffelschaum zu
  • Maximilian Kindel bot Kabeljau in Koji gebeizt | Bouchout Muscheln | Rettich | Thai Basilikum an
  • Für einen süßen Abschluss sorgte Anna Szikszai-Geißler (Restaurant Elbterrasse) mit Valrhona Caramelia | Birne | Fenchel | Riesling

…und dann gab es noch Austern (mit Sekt von Wackerbarth ein perfect match…) Lachs & anderes Fingerfood, Heringshappen als vorsorgliches VorabKaterGericht und viiieeeel mehr Süßigkeiten. Da kann man sich ja schon mal auf das nächste Treffen in einem Jahr freuen – denn alte Liebe rostet bekanntlich nicht…

Hotel Elbresidenz an der Therme Bad Schandau
Markt 1-11
01814 Bad Schandau

Tel. +49 35022 919 0
www.elbresidenz-bad-schandau.net

[Besucht am 5. November 2022]

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*