Kochen lernen im Plauderton

Kochbuch "Alles wird gut" von Christian Seiler mit Geschichten rund um die Rezepte

Titelbild Alles wird gutWenn jemand noch gar kein Kochbuch hat, sich aber beginnt fürs Kochen zu interessieren – was empfiehlt oder schenkt man da? Früher® war das einfach: im Westen bekam man das Dr. Oetker Schulkochbuch, im Osten Wir kochen gut vom Verlag für die Frau. Heute gibt es mehr Kochbücher als schlechte Köche (m/w/d), und die Auswahl ist nicht nur groß, sondern auch sauber zielgruppenspezifisch optimiert. Es gibt was für Veganer, was für Vegetarier, die Fischküche, die Fleischküche, allerlei Länderküchen, Desserts und nicht erst seit der Pandemie Brotbücher in verwirrender Vielfalt. Nun kommt die (Er-)Lösung! Mit einem Buch, das gar kein klassisches Kochbuch ist, sondern vielleicht eher ein Essayband mit lesenswerten Geschichten und den dazu passenden Rezepten. Geschrieben hat die Geschichten Christian Seiler, dessen lockeren Plauderton in Verbindung mit viel fundiertem Wissen ich ja schon lange schätze.

Alles wird gut hat er seine Sammlung genannt, in der natürlich auch mein Lieblingsrezept eines Ragù wieder auftaucht. Seiler hatte das 2017 in der Adventszeit veröffentlicht. Nicht die typischste Zeit, um sich vier Stunden (und länger) mit einer einfachen Spaghetti-Sauce rumzuschlagen, möchte man meinen – und irrt. Passt prima und ist nachhaltig. Jetzt im Buch ist dieser Beitrag der erste von dreien, die sich mit der hierzulande meistens Sauce Bolognese genannten Pasta-Begleitung beschäftigt. Nummer zwei ist eine fleischlose Bolognese, in der (vom „erwachsen werdenden Sohn“, der sich für schmackhaftes Essen ohne Fleisch interessiert, angeschleppten) Sojagranulat eine wesentliche Rolle spielt. Christian Seiler hat da was ausprobiert und behauptet: „Sie werden in der Blindverkostung [der beiden Varianten klassisch–Sojagranulat] keinen Unterschied bemerken.“ Version drei ist dann die konsequente Fortsetzung des Gedankens und kommt ganz ohne Fleisch und auch ganz ohne Sojagranulat aus, weil auch eine Bolognese aus Pilzen und Gemüse sich ganz wunderbar in den Seilerschen Kochkosmos eingefügt hat.

Schon wegen solch ausführlich kommentierter Rezepte, in denen es weit über das Henriette-Davidis-Motto „Man nehme…“ hinaus geht, macht das Buch Spaß. Aber es sind nicht nur die in schöne Worte gefassten Geschichten, es ist auch (um das mal etwas hoch aufzuhängen) das soziale Mitdenken. Gleich nach den Ragús beispielsweise erzählt Seiler die Geschichte der Pasta all’amatriciana und kommt natürlich dabei auf die vom Erdbeben zerstörte Stadt Amatrice zu sprechen. So weit, so gut. Aber es ist der letzte Absatz dieses Beitrags, der hängen bleibt: „Die gekochte Pasta in der Sauce wenden, dann beide Käsesorten hinzufügen und alles gründlich mischen. Dann überlegen Sie sich, wohin sie ihre Spende für den Wiederaufbau von Amatrice schicken wollen. Großzügig sein, wie mit dem Käse.“

Für solche Sätze liebe ich den Autor (rein platonisch, versprochen). Aber auch für die weise Gelassenheit, mit der er seine Quellen verrät und munter in die Texte einbaut. Hier tut einer endlich mal nicht so, als ob alles seins sei. Christian Seiler zitiert (aus gutem Grund) ganz oft Die klassische italienische Küche von Marcella Hazan – in seiner Lektüre-Empfehlung die Nummer eins von 30 Büchern. Aber er nennt auch die anderen Inspiratoren wie Yotam Ottolenghi, Claudio Del Principe, Tanja Grandits und viele andere. Und er macht das nicht mit Fußnoten, die eh keiner liest, sondern liebevoll. Meine Lieblingsstelle offenbart den von mir so arg gemochten hintersinnigen Humor: „Ich zum Beispiel koche seit Jahren den Lachs mit Ingwer-Senf-Glasur, den ich einst in einem Kochbuch von Tanja Grandits gefunden habe, inzwischen aber mit geschlossenen Augen zubereiten kann. … Das Gericht gehört inzwischen so zu Weihnachten, dass ich Frau Grandits bei Gelegenheit fragen muss, ob sie das Rezept nicht eigentlich von mir hat…“

Wenn jemand noch gar kein Kochbuch hat, sich aber beginnt fürs Kochen zu interessieren – dem (oder der) würde ich dieses Buch empfehlen oder schenken. Zumal die Form dem Inhalt entspricht: es ist ein liebevoll gemachtes Buch, mit Hardcover, zwei Lesebändchen, einem schönen schnörkellosen Layout und einem Index, der hilft, zu finden, was man sucht.

Alles wird gut
Rezepte und ihre Geschichten
gebunden, 480 Seiten, Format 15 x 21 cm
Echtzeit Verlag, ISBN: 978-3-906807-33-1
48 € (porto- und spesenfrei beim Verlag, aber wir empfehlen wie immer auch den lokalen Lieblings-Buchhändler)

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