Kochen mit Gefühl – quanto basta

Eine Frage: Braucht man eigentlich noch Bücher, wo es doch dieses Internet gibt? Wie bitte? Dumme Frage? Die gibt’s doch gar nicht, oder?  Stimmt. Aber Antworten gibt’s auf jede Frage: also ja doch! Na klar braucht es Bücher! Selbst dann, wenn die wesentlichen Inhalte, noch dazu vom gleichen Autor, im Netz stehen. „Anonyme Köche ist ein persönlicher Blog von Claudio Del Principe ohne kommerzielle Zwecke. Das Lesen der Inhalte ist kostenlos“, steht auf der Webseite des Texters und Autors von mittlerweile acht Kochbüchern. Zwei davon liegen auf meinem Couchtisch, beide haben den gleichen Haupttitel: a casa. „Das“, würde es in der Sendung mit der Maus jetzt heißen, „ist italienisch und heißt: zu Hause.“

Was schon fast ein wenig wie schnell-mal-profit-aus-den-lockdowns-schlagen klingt, ist aber schon seit 2007 Programm bei Claudio Del Principe. Da begann sein Blog Anonyme Köche, und was sich da – mit eher unaufgeregte Optik (aber dennoch schönen Fotos!) und lesbaren Texten – präsentiert, hat seinen Weg in Bücher gefunden. Die sind fast wie der Blog: schöne geschriebene Texte (statt langweiliger Rezeptschritte), die immer noch tollen Bilder kommen besser zur Geltung, weil sie zum Großteil die ganze Seite einnehmen – und das Layout ist auch unaufgeregt, aber sachdienlich und mit ansprechender Typographie. Fester Einband, griffiges Papier, Fadenheftung, Lesebändchen: damit kann man arbeiten oder sich auf die Couch zurückziehen.

Auf der Couch zu kochen, ist ja ein feines Gedankenspiel, bei dem man wenigstens hinterher weder aufräumen noch spülen muss. Also lese ich und frage mich dabei: ob das wohl hier genau so gut klappt? Sage ich Ja!, proste ich mir zu (auch beim Couch-Kochen braucht es einen Koch-Wein!). Manchmal aber muss ich dann auch mit leichtem Zweifel zum Glas greifen, nochmal nachlesen und gegebenenfalls nachjustieren. Solche Rezepte gibt es durchaus beim Claudio, aber wenn sie, beispielsweise, schon „Bitte nicht verzweifeln“ heißen, dann tut man eben dieses nicht, denkt sich sein Teil und weiß, dass alles nicht sooo einfach ist wie beschrieben. Es geht da übrigens um ein richtig dickes Kalbskotelett, dass außen braun und innen saftig werden soll. Der Trick besteht darin, das Kotelett abwechselnd 30 Sekunden bei großer Hitze zu braten (und zu bewegen) und es dann zwei Minuten auf dem Rost ruhen zu lassen. Das leuchtet ein und klingt gut. Dass ich aber zwischendurch Bratkartoffeln plus geschmorten Salat fertig kriegen soll (also in den jeweils zwei Minuten Ruhezeit), glaube ich nicht. Das klingt nach Stress und nicht nach Erholung und Spaß beim Kochen. Ich finde ja, dass die 15 Minuten Kotelett-Ruhezeit im Backofen für solche Beilagen-Sperenzien viel besser geeignet sind. (Das Gericht steht auf Seite 184 in Band 1, eine Antwort auf mein Problem bekam ich dann ungefragt in Band 2: „Ich könnte so nicht kochen!“, zitiert Claudio  – auf Seite 53 – da seine Frau. Puh, da bin ich wenigstens nicht allein…)

Sind derlei Kleinigkeiten schlimm? Nö, denn es sollte beim Kochen ja immer auch ein wenig um Kreativität gehen, um Anregungen. Und Anregungen gibt es mehr als genug in Band eins und zwei von a casa. Dabei gibt es sehr aufwändige Rezepte, die man sich für irgendwann mal vornehmen sollte (bei mir: ein kleiner Pastateller, der 36 Stunden Vorbereitung braucht, weil Cicerchie – Platterbsen – und das Sieben-Stunden-Lamm die Gnocchetti Sardi ergänzen: Seite 39-41 in Band 1). Und es gibt die wirklich alltagstauglichen wie Gente di mare (Band 2, Seite 19), ein einfaches Rezept mit hehrem Anspruch, denn „wusstet ihr, dass jedes Jahr Milliarden von Seppie ein unwürdiges Ende finden? Sie werden zu oft so schlecht zubereitet, dass sie gummiartig werden und dazu nach nichts schmecken.“ Das soll und wird nun ein Ende haben.

Auch alltagstauglich sind die vielen Pasta-Rezepte, selbst wenn wir uns hierzulande umgewöhnen müssen: Pasta selber machen? Ist das nicht nur was für italienische Großmütter, die mit dicken Armen Unmengen von Teig kneten? Nee, isses nich! Geht auch in kleinen Mengen mit entsprechend dünnen Oberärmchen. Man lernt, ganz nebenbei, die Vielfalt italienischer Pasta kennen und dabei vielleicht auch die Gelassenheit beim Herstellen. Ein Zitat dazu fand ich nicht in den Büchern (steht ja vielleicht dennoch irgendwo, kann sein: ich habe die beiden Bände ja nicht wie einen Roman gelesen, sondern in freudiger Willkür häppchenweise genossen). Das Zitat also ist eins aus dem Blog, Beitrag 8986. Da reden Claudio Del Principe und sein Freund (und ebenfalls Kochbuchautor) Christian Seiler übers Nudelteigmachen: „Die italienischen Frauen, die ja die wahren Heldinnen und Hüterinnen der beliebtesten Küche der Welt sind, haben eine geheime Mengenangabe. Sie heisst: Quanto basta. Das bedeutet, so viel wie es braucht. Nicht jedes Ei ist gleich gross. Nicht jedes Mehl nimmt gleich viel Feuchtigkeit auf. Man startet mit der Grundformel 1 Vollei auf 100 g Weichweizenmehl pro Person. Aber wir entscheiden während dem Kneten, ob wirklich das ganze Mehl verarbeitet wird. Wir nehmen nur „quanto basta“ bis sich der Teig richtig anfühlt.“

a casa
Erschienen 2017, 5. Auflage, 2021
gebunden, 320 Seiten, 17,5 cm x 24,5 cm
atVERLAG, ISBN: 978-3-03800-970-2
47 €

a casa Band 2
2. Auflage, 2022
Gebunden, 248 Seiten, 17,5 cm x 24,5 cm
atVERLAG, ISBN: 978-3-03902-180-2
39 €

 

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