Weinguides 2023: eichelmann

1.862 Gramm liegen schwer in der Hand. Aber beim eichelmann (jawohl, klein geschrieben!) nimmt man das gerne in Kauf. Denn das nach seinem Gründer und immer-noch-Chefschreiber Gerhard Eichelmann benannte Werk gilt als ein zuverlässiger Führer durch die deutsche Weinwelt. „Deutschlands Weine“ steht dann auch sehr selbstbewusst auf dem gelben Umschlag, doch wer eine Zeile weiter liest, nimmt (sicher billigend) eine kleine Einschränkung in Kauf: nicht alle, sondern nur 9.800 Weine – von 910 Weingütern aus 13 Regionen.

Auszug aus dem eichelmann 23Probiert hat das Tester-Team (hier muss man nicht nur aus sprachlichen Erwägungen nicht gendern: nur Männer sind im Buch als Autoren genannt!) mehr: „Fast 12.000 Weine wurden dieses Jahr von der Redaktion verkostet“, steht im Pressetext des Verlags. Daraus kann man wohl schließen, dass es Winzer gibt, die sich was trauen, beispielsweise: einen Wein zur Verkostung einzuschicken, der nicht wirklich gut ist. Wir lesen (und finden gut, dass es da so steht) im Buch: „Da wir Erzeuger mit unterdurchschnittlichen oder gar mangelhaften oder völlig ungenügenden Weinen nicht empfehlen, finden sich, mit ganz wenigen Ausnahmen, keine Weine im Buch, die weniger als 75 Punkte erhalten.“

Die Punkte folgen dem international üblichen System mit maximal 100 Punkten, bei dem alles ab 80 Punkten gut – sehr gut – hervorragend oder gar großartig, Weltklasse ist. Nicht ganz ohne Stolz weist der Verlag in der Pressemeldung darauf hin, dass „der Autor mit seiner Zeitschrift Mondo [das international übliche 100-Punkte-System] in Deutschland eingeführt hat“. Zu jedem Wein ist der Preis ab Weingut angegeben, was ein netter Service ist. Ein wenig Prosa zur Weinbewertung findet man nicht direkt bei den Weinen, sondern im Abschnitt „Kollektion“ direkt über den Weinbewertungen.

Wie es kommt, dass nicht alle Weingüter im Buch sind? Ganz einfach: die Winzer entscheiden prinzipiell selbst, ob sie dabei sein könnten. Denn nur wer der Redaktion Weine schickt, hat überhaupt eine Chance, im Buch (und in der App) dabei zu sein. Das gilt nicht nur für den eichelmann, das ist bei allen (mir bekannten) Weinführern so. So gesehen sind die Weinführer wie eine Wanderkarte, auf der nur die der Forstverwaltung genehmen Wege eingezeichnet sind – im Ernstfall also irreführend.

Die Weingüter werden (wie auch bei anderen Weinführern üblich) separat bewertet und nicht als Schnitt der Weinbewertungen, fünf Sterne sind das Maximum (halbe Sterne gibt’s auch). Anders als bei den Anderen ist im eichelmann die Anordnung: nach allgemeinem Vorgeplänkel mit den Preisträgern (Weingüter des Jahres, beste Kollektion rot/weiß/Sekt, etc) folgt eine Karte mit den Weinbaugebieten inklusive einiger Kennzahlen: Basiswissen zum Nachschlagen, denn wer weiß schon alles? Anschließend werden die Regionen einzeln kurz vorgestellt und die dort schuftenden Winzer*innen, sortiert nach Qualität. Wer nun aber mehr über, beispielsweise, den Huber in Baden wissen will, muss im Hauptteil suchen. Der ist alphabetisch sortiert, woran man sich gewöhnen kann. Es bleibt aber, wenn man in der Gegend ist und sich schlau lesen will, ein viehisches Geblätter. Zwar gibt es ganz hinten im Buch ein Ortsverzeichnis, aber da muss man schon pfiffig sein. Wer weiß denn schon (außerhalb Sachsens), dass Schloss Wackerbarth zu Radebeul gehört? Und wer Schloss Proschwitz finden will, wird nicht etwa in Meißen fündig, sondern muss unter Zadel suchen, obgleich das schon seit langem nicht mehr der Ort ist, wo Wein gemacht wird.

Screenshots der AppAbhilfe schafft hier die App. Sie ist im Buchpreis enthalten, es gibt einen Code im Buch. Die Installation auf dem iPhone klappte auf Anhieb, die anschließende Nutzung auch auf dem iPad blieb mir versagt (obwohl es bei der Erstanmeldung hieß: „Ihre Emailadresse … wird benötigt, wenn Sie den Code für ein weiteres Gerät verwenden möchten…“ Was bei nahezu allen Programmen weltweiter Herkunft problemlos funktioniert, ist deutschen IT-lern offensichtlich immer noch eine Bürde/Hürde. Inhaltlich hilft die App aber tatsächlich weiter: Wenn ich es zulasse, zeigt sie meinen Standort und die Weingüter in der Gegend. Durch entsprechende Klicks kann ich mich sogar hinlotsen lassen (via Google Maps). Aber ansonsten haben die Programmierer zu viel oder zu wenig von dem guten Zeugs getrunken: wie komme ich denn bitte von meinem gewählten Weingut auf der Karte zum Text übers Weingut (Antwort: direkt gar nicht), wie zu den bewerteten Weinen (Antwort: ooch ni). Ach Kinnings, dieses Neuland!

Ich könnte natürlich die Region wählen, in der ich mich wähne, finde dort „alle Winzer“ (in Gänsebeinchen, weil es für Sachsen nur zwei sind: Proschwitz und Wackerbarth) und kann mir einen aussuchen, um dann zu lesen, was auch im Buch steht. Immerhin: auf Reisen praktisch, weil quasi ohne Zusatzgewicht im Gepäck möglich…

Gerhard Eichelmann
eichelmann 2023
Deutschlands Weine

1.188 Seiten, Hardcover,
durchgängig farbig bebildert
Format 17,6 x 25 cm, 39,95 €
ISBN: 9783938839546
Mondo Heidelberg
Erscheinungstermin: 2. November 2022

[Alle Rezensionen der Weinguides 2023]

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