Schwatzen, probieren und genießen

Kochsternstunden 2023: Genussbar by Ronny Löser in Freiberg

Genussbar

Es ist ein Irrglaube, dass man früher geht, wenn man früher kommt: man bleibt nur länger! Schwatzt mehr, trinkt vielleicht mehr. Wir ahnten es – weswegen der Besuch in der Genussbar von Ronny Löser in Freiberg für uns immer mit einer Bahnfahrt verbunden ist. Und das ist gar nicht mal so schlecht: die Züge sind meist pünktlich und gar nicht mal so unbequem. Wir mögen das, Fußweg vom Bahnhof zum Restaurant durch die Stadt inklusive. Dieses Mal, als es entgegen aller Vorhersagen plötzlich zu schneien anfing, gedachten wir tapfer der Generationen vor uns, die ja viel mehr zu Fuß (oder mit dem Rad) gemacht haben und deswegen nicht unglücklicher waren. Es fahren übrigens auch von und zum Bahnhof Busse, und auch mit dem Taxi kommt man fix weg vom und zurück zum Bahnhof – das nur nebenbei.

Was hat das alles mit Essen und den Kochsternstunden zu tun? Viel! Beispielsweise: Wetter ist shiet-egal, wie wir norddeutschen zu formulieren pflegen. Und Gast-Freundschaft geht auch über einige Distanz ganz gut. Und schon sind wir mitten drin, denn die Offenheit und Zugewandheit unserer Bedienung fiel schon 2004 und 2005 auf und fand ihren Niederschlag in den wenigen Zeilen, die für eine Bewertung damals im Feinschmecker zur Verfügung standen. Mittlerweile kennen wir den Mann ja auch besser (und er uns, was nicht unwichtig ist für die passende Ergänzungsweinbegleitung für Weitanreisende ohne Autoproblem), aber in der Sache hat sich nichts geändert: so wünscht man sich Gastgeber – kenntnisreich, eloquent, offen und zugewandt.

So, genug vorab gelobt, denn jetzt kommt die harte Realität. Wir sind eher da als erwartet (der Schnee!) – aber egal: „Ich bin noch nicht ganz fertig, aber setzt Euch doch schon mal!“ klingt gut, und außerdem waren eh nur noch die Kerzen auf den Tischen im Gewölbe anzuzünden. Dann ging’s los mit Schwatzen und Probieren. Champagner war übrig von einer großen Probe am Tag davor – why not? (Und bevor jemand zweifelnd sinniert, ob jemand von der kritisierenden Zunft sich derart mit jemandem von der gastgebenden Zunft gemein machen darf? Ja, das ist ein Thema. Aber es geht. Zumal ja hier eh alles streng subjektiv ist!)

Das tatsächliche Menü begann dann zu der Zeit, die unsere erwartete Startzeit gewesen wäre – und weil am Nebentisch noch zwei Kochsternstundengenießer saßen, verstand es die Küche natürlich, uns schnell essenstechnisch zu synchronisieren. Cosi fan tutte! Der Start mit Brot von Härtig ist für uns ja schon fast ein Grund nach Freiberg zu fahren: es ist einfach unbeschreiblich gut – und uns gefällt natürlich auch, dass es diese Brotpartnerschaft trotz hier oder da aufploppender Alternativangebote weiter besteht.

Das Menü war in diesem Jahr auf vier Gänge angelegt und natürlich darauf aus, den Gästen zu zeigen, was die Küche kann. Andererseits liest es sich auch nicht sehr abgehoben von der normalen Karte, sondern nur ein angenehmes bisschen wertiger. Den farbenfrohen wie geschmackvollen Auftakt gab ein Törtchen von Edelfischen, das dann eben nicht nur mit Avocado und Roter Bete angereichert war, sondern obendrein auch noch mit Kaviar. Der Wein dazu liest sich überraschend: ein Gelber Muskateller aus der Wachau – ist das nicht zu blumig? Wir hätten es uns denken können: der Herr Löser kennt sich mit österreichischen Weinen bestens aus, da kann man sich eigentlich blind drauf verlassen, dass es passt (was persönlichen Geschmack natürlich außen vor lässt, aber das gilt ja immer und überall).

Apropos Geschmack. Wir sind ja bekennende Topinamburzweifler und hatten gleich zu Beginn des Abends gefragt, ob da eine Alternative möglich sei? Oh ja, sagte Ronny Löser mit fast schon vor Freude glänzenden Augen: er habe da ein Hummersüppchen – und bevor er noch „gekocht“ sagen konnte, schall ihm ein zwiefaches „nehmen wir!“ entgegen. Das war eine gute Entscheidung, zumal mit der gebackenen Auster (die auf dem Tellerrand lag) das ein Gang wurde, der meeresgleichen sucht. In der Getränkebegleitung war hier ein alkoholfreier Cocktail vorgesehen, der uns beim ersten Schluck etwas belanglos schmeckte, sich aber im Laufe der Zeit geschmacklich machte. Eine neue Erfahrung: nicht nur gute Weine brauchen manchmal Luft, Cocktails offenbar auch!

Fisch oder Fleisch zum Hauptgang? Keine Frage: beides! In seiner schönsten Form als Surf and Turf, mit einem perfekt gegarten Stück vom Galloway Rind als Basis, auf dem obenauf ein ordentliches Stück Hummer lag (so eine Suppe wie die zuvor kommt ja nicht aus dem Nirgendwo!). Dazu ein noch jugendlicher Pinot Noir aus dem Kremstal, der sicher noch einige Jahre länger liegen kann (wenn man ihn lässt) – aber auch so hinterließ er schon einen elegant-harmonischen Eindruck, der durch das elegante und geschmackstützende Vision-Glas unterstrichen wurde.

Bunt wie am Anfang wurde es am Ende noch einmal: bei einem üppigen Dessert, das sich wie gewohnt eines eigenen Magens bediente und so trotz eines vorherigen kleinen Sättigungsgefühls noch Platz fand. Und weil wir so spät abends gar keinen Espresso mehr brauchten und mit der Bahn gekommen waren, gab’s noch einen weiteren Wein aus Österreich: ein Grüner Veltliner aus dem Ried Pellingen vom Nigl, eine Erste Lage und ein grandios komplexer Wein, zu dem ich eine sehr schöne Beschreibung gefunden habe: „Ein Meditionswein, der gerne solo mit den besten Freunden getrunken werden will – aber auch den noch so mürrischen Schwiegervater vom Sessel reißen wird.“

Das Menü

  • Brotgedeck von der Feinbäckerei Härtig aus St. Michaelis | Gesalzene französische Fassbutter
    Steirische Marille mit Vilarnau Rosé Sekt aus Barcelona
  • Törtchen von Edelfischen mit Avocado, Roter Bete & Kaviar
    2019 Gelber Muskateller, Federspiel Wachau, Weingut Knoll
  • Topinambursüppchen mit asiatisch mariniertem Kalbsbäckchen oder gebackener Auster
    Unser alkoholfreier Cocktail des Tages
  • Surf and Turf von Familie Haupt’s Galloway Rind mit Hummer, zweierlei Püree von Vanille & Blumenkohl sowie Erbse, Wasabi & Minze
    2016 Pinot Noir, Weingut Nigl, Kremstal
  • Desserttrilogie Warm & Kalt
    Espresso oder Kaffee vom Kaffeesachsen

Die Preise

4-Gänge Menü 79,00 € –  inkl. Getränkebegleitung 119,00 €

 

Genussbar
Mönchstraße 1
09599 Freiberg

Tel. +49 3731 2188290
genussbar-freiberg.de

Öffnungszeiten
Mo – Sa ab 17 Uhr

[Besucht am 6. März 2023 | Übersicht der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]

Hinweis:
Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden.

1 Trackback / Pingback

  1. Kochsternstunden-BOAT 2023 | STIPvisiten

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*