Spinnen sind die Freunde unserer Fässer

Besuch im Casa Museo José Maria da Fonseca mit Keller-Besichtigung, Weinprobe und Mittagessen

Fonseca

Familienweingut – das klingt immer so kuschelig. Aber die Familie kann ja auch größer sein und was Großes machen – mit etwas Glück sogar etwas Großartiges. José Maria de Fonseca ist so ein Familienunternehmen, mit einer fast zweihundert Jahre alten Geschichte und 650 ha Weinbergen in den fünf portugiesischen Weinregionen Setúbal Peninsula, Alentejo, Douro, Dão und Vinho Verde. Sofia Soares Franco, die zur 7. Generation der Familie gehört und in der 1834 gegründeten Firma (die insgesamt 214 Mitarbeitende zählt) für Weintourismus sowie Kommunikation zuständig ist, hat sich für uns Zeit genommen, sie begrüßt uns – und vor allem: sie führt uns später durch die Weinprobe und erklärt uns beim Essen, was wozu passt. Die siebte Generation ist nicht klein: 18 Nachfahren des Firmengründers zählt sie, aber nur drei von ihnen arbeiten in der Firma. „Da gibt es keinen Zwang!“ Andererseits müssen auch die Familienmitglieder qualifiziert sein, Blut allein zählt nicht. „Wir sind eher die Kuratoren als die Eigentümer, nur so kann das erfolgreiche Unternehmen an die nächste Generation weiter gegeben werden!“

MuseumskellerDurchs Museum und die Weinkeller führt uns Raffael. Und er schafft es, das Museum quasi zum Geschichte(n) erzählen zu bringen. Einige reichen fast 200 Jahre zurück: 1834 gründete der studierte Mathematiker José Maria da Fonseca das Unternehmen und setzte gleich einmal ein paar Zeichen: er füllte seinen Tafelwein in Flaschen ab und verkaufte ihn dann so (statt in Fässern, wie damals üblich). Und auch sein ausgeprägtes Markenbewusstsein war vor 200 Jahren eher selten – Fonseca schuf Marken wie Periquita (1850), der damit der älteste in Portugal hergestellte Tafelwein ist und immer noch das Aushängeschild von José Maria da Fonseca sowie der meistexportierte portugiesische Rotwein ist. Die Abfüllanlage schaffte vier Flaschen auf einen Streich und insgesamt 240 Flaschen pro Stunde – das galt damals als sehr schnell (heutige Anlagen schaffen 15.000 Flaschen pro Stunde…). Die älteste Flasche Periquita, die es noch auf dem Weingut gibt, stammt aus dem Jahr 1880 – sie liegt im Schrank und kann mit doch noch recht gut lesbarem Etikett bewundert werden. Wir werden später im Keller die beeindruckenden Fässer sehen, in denen Periquita-Weine reifen.

Einmal um die ganze Welt. Fast… | Klicken öffnet mehr!

Torna ViagemDer ikonischste Keller sei der hier, sagt Raffael und zeigt auf Holzfässer. Holzfässer im Weinkeller? Schön, na klar – aber warum sind diese hier Teil eines besonderen Kellers? Weil hier der Moscatel de Setúbal reift. Das ist ein aufgespritteter Wein, also einer, bei dem der Zusatz von Hochprozentigem die Gärung stoppt – Brandy als Hefekiller. Das Prinzip kennt man vom Port oder Madeira, hier ist es nicht anders – nur hierzulande allgemein weniger bekannt.

Eine Besonderheit bilden die Moscatels, die lange Schiffsreisen hinter sich haben. Wie es dazu kam, ist leicht erklärt (Geschichte & Geschichten, wie gesagt…): Jose Maria da Fonseca wollte neue Märkte für seine Muskatellerweine erobern. Also schickte er sie – per Segelschiff, wir sind ja im 19. Jahrhundert – nahezu um die ganze Welt: Indien, Afrika, vor allem aber nach Brasilien. Das waren lange Reisen, es schaukelte an Bord und die Temperaturen gingen teils sehr hoch. Manche Flasche machte den Weg zweimal – einmal hin und dann, weil nicht verkauft, wieder zurück nach Portugal. Und nun kommt, was Verkäufer von Klimaschränken für Wein sicher nur bedingt gerne hören: die tropische Hitze und die raue See hatten den Moscatel verbessert und verfeinert, den Wein reifen lassen und ihm Charakter verliehen. Was für ein toller Marketing-Effekt für die Weine, die ihre „Rückreise“ – torna viagem – hinter sich hatten!

Im Jahr 2000 wurde so eine nostalgische Reise wiederholt: sechs Fässer Setúbal Moscatel des Jahrgangs 1984 segelten auf dem Marineschiff Sagres von Porta Seguro und Rio de Janeiro in Brasilien – und eins blieb zurück: weil Wissenschaftler mit an Bord waren, die allen Geheimnissen auf die Spur kommen wollten, musste eine Referenz ohne all die Schikanen bereit gehalten werden. Deswegen liest man auf Fass Nummer 7: Testemunha, während Fässer 1 bis 6 Torna Viagem eingebrannt haben. Die fünfeinhalb Monate lange Reise 2000 hat den Wein übrigens um 10 bis 15 Jahre altern lassen – fanden die Wissenschaftler heraus.  (Anmerkung am Rande: es gibt schon tolle Wissenschaftsgebiete! Und Prost.) 2007 und 2010 machten sich übrigens je vier weitere Fässer auf die Reise, es scheint also mit der Geschmacksexplosion und dem Marketing gut voran zu gehen… Die Reise 2010 dauerte übrigens erheblich länger, in elf Monaten kreuzte das Schiff viermal den Äquator bei der Reise um die Welt. Und der Wein? Reifte in diesem knapp einem Jahr, als ob er 25 Jahre normal gelagert worden wäre. Da wir keine Wissenschaftler sind, durften wir das Ergebnis des beschleunigten oxidativen Prozesses nicht probieren, sondern lediglich schauen: zwei Flaschen des Jahrgangs 1998 werden gezeigt, eine deutlich heller als die andere. Da muss man nicht lange raten, welche die welterfahrenere ist, denn mit dem Alter werden die Moscatels dicker, süßer und dunkler…

Adega do Periquita | Klicken öffnet mehr!

PeriquitaGroße Fässer liegen in diesem Keller – sehr große. Es sind 36 Mahagoni-Fässer aus Brasilien, über 90 Jahre alt. Die Fässer sind natürlich handgemacht, deswegen fassen sie unterschiedliche Volumen mit sehr ungeraden Zahlen – Fass Nummer 3 hat eine Kapazität von 20.900 Litern und ist damit das größte, aber die Nummer Zwei daneben muss sich mit 20.300 Litern auch nicht verstecken. Zusammen mit den 120 Barriques (je 225 l) aus französischer und amerikanischer Eiche reifen in diesem Keller bis zu 800.000 Liter Periquita. Das ist (wer hat aufgepasst und es noch nicht vergessen?) die älteste Tafelweinmarke Portugals. Hauptsächlich ist die Cuvée für die Perequita aus der Sorte Castelāo gemacht, mit einem kleineren Anteil an Trincadeira und Aragonês.

Der Wein ist zusätzlich aber auch eine Cuvée der beiden Fasssorten: während die Eiche der Barriques Geschmack abgibt, ist Mahagoni eher neutral im Geschmack. Durch das Cuvetieren versuchen die Kellermeister, das beste beider Fass-Welten zu erreichen. Der verschnittene Wein reift in der Eiche und in der Flasche.

Adega dos Teares Velhos | Klicken öffnet mehr!

Teares VelhosWir betreten den alten Weinkeller und hören – Gregorianische Gesänge. Das Murmeln der Mönche klingt erst mal befremdlich in diesem Keller, der zudem noch einen merkwürdigen Namen trägt: teares velhos, das sind doch alte Webstühle, oder? Genau: in diesem Gebäude aus dem Jahr 1750 wurden Uniformen für die portugiesischen und englischen Armeen während der französischen Invasionen hergestellt. Als die nicht mehr gebraucht wurden, war’s das mit der Fabrik – und ein gewisser José Maria da Fonseca kaufte das Gebäude, um dort Weine reifen zu lassen.

Aber was machen denn nun die Mönche im alten Weinkeller? „Die Musik könnte den Alterungsprozess beeinflussen“, erläutert Raffael die Theorie hinter der Berieselung. Die Wellen, die Vibrationen, all sowas. Funktioniert aber nur, wenn keine Pausen eintreten, also gibt es  24/7 ununterbrochenenen Gesang Gregorianischer Mönche. Ob es dem Wein wirklich gut tut, ist noch ungeprüft – aber in der Rubrik Storytelling hat das Msystische natürlich was. Inklusive der Anmerkung, dass AC/DC wahrscheinlich eher nicht so geeignet sei…

In diesem Weinkeller reift in mehr als 500 Fässern der Moscatel de Setúbal, der aus zwei Rebsorten gekeltert wird: Gelber Muskateller, der weltweit quasi überall wächst, und Roter Muskateller, der sich hauptsächlich in Portugal durchgesetzt hat. Es gibt Jahrgangsabfüllungen oder Blends, bei denen dann indirekt jeweils der jüngste Jahrgang drauf steht. Der 20 Jahre alte Muskateller ist also einer, in dem der jüngste Wein des Blends 20 Jahre alt ist  – der älteste in den jetzt verkauften Flaschen lag (wenn auch in geringen Anteilen) deutlich länger im Keller. Die Gesamtkapazität des Kellers sind 400.000 Liter…

Auf den Fässern finden sich Codes wieder, die José Maria da Fonseca eingeführt hatte, um die Qualität des Weins zu definieren:

  • MS, Moscatel de Setúbal
  • SS, Setúbal Superior – alte Setúbals aus sehr hochwertigen Jahrgängen
  • VI, sehr alte Moscatels mit ausgezeichneter Qualität
  • SR, Setubal Roxo – produziert aus dem Roxo (violetten) Moscatel.

Am Ende des Kellers befindet sich die Schatzkammer, in der Fässer und Flaschen seit 1880 liegen – bis auf wenige Ausnahmen gibt es welche aus jedem Jahr. Die Sammlung hier endet mt dem Jahr 1983, wird aber „an einem anderen Ort“ (Raffael) fortgeführt. Traditionell werden ein Fass und 60 Flaschen von jedem Jahrgang zurückgelegt.

Nicht nur hier sahen wir Spinnen – die git es aber aus gutem Grund: die Spinnen fressen die Termiten, die ihrerseits sich gerne übers Holz hermachen, „Daher nennen wir die Spinnen die Freunde unserer Holzfässer“, erklärt uns Sofia später beim Essen, „denn sie helfen uns, sie zu konsevieren!“

Die Probe | Klicken öffnet mehr!

Ein Weißwein, zwei Rote und zwei Setúba Moscatel stehen zur Probe bereit, die Sofia Soares Franco moderiert.

  • 2021 Verdelho, Colecçāo Privada DSF, Vinho Regional Peninsula de Setúbal
  • 2021 Periquita Reserva, Vinho Regional Peninsula de Setúbal
  • 2019 José de Sousa, Vinho Regional Alentejano
  • Alambre Moscatel Roxo de Setúbal 5 Años
  • Alambre Moscatel de Estúbal 20 Años

WeinprobeDer Verdelho kommt aus der Private Collection von Domingos Soares Franco. Er gehört zur 6. Generation, ist Vizepräsident und leitender Winzer des Unternehmens. Er war der erste Portugiese, der an der Universität von Kalifornien in Davis, USA, einen Abschluss in Weinbau und Önologie erwarb. Die Verdelho-Traube kommt ursprünglich aus Madeira und von den Azoren. Es ist ein zitrischer Wein, tropische Frucht, feine Säure – alles außer Stahltank wäre hier wohl falsch gewesen. Fisch oder Salat empfiehlt Sofia als passende Speisebegleitung. Terrasse allein geht aber sicher auch.

Die Periquita Reserva ist eine Cuvée aus Castelāo, Touriga Nacional und Touriga Franca. „Ein interessanter Wein“, meint Sofia – aber warum? Wieder ist es ihr Onkel Domingos (der mit dem Studium in Kalifornien): Während alle anderen bis dato in Portigal oder Frankreich studiert hätten, habe er in Kalifornien viele neue Sichtweisen kennen gelernt und damit andere Geschmacksrichtungen in den eher traditionellen Weinbau gebracht – New World Wines mit portugiesischer Tradion vermischt, sozusagen. Acht Monate in amerikanischer Eiche gereift: Unser Top-Selling wine, our selling horse. Reserva steht für – nix. Es gibt keine Vorschriften zur Verwendung des Begriffs in Portugal (so wie in Spanien).

Der 2019 José de Sousa kommt aus dem Alentejo. Das Weingut gibt es seit 1878, es gibt dort als Besonderheit über 114 Tonamphoren, in denen eine uralte Fermentationsmethode durchgeführt wird. Das alte Familienweingut wurde verkauft, weil es keine Kinder gab, die es hätten übernehmen können – und da hat (1986 war das) die Familie José Maria da Fonseca zugegriffen und es erworben, um das eigene Portfolio zu erweitern. Das ist der Einstiegsrotwein, der nicht zu 100 Prozent in Amphoren ausgebaut wird. Der Wein ist eine Cuvée aus Grand Noir, Trincadeira und Aragonês. Man schmeckt die Hitze des Alentejo, aber die 14,5% Alkohol steckt der Wein gut weg.

Der Moscatel Roxo 5 Jahre reifte im gerade besichtigten Keller. Die Gärung der Trauben wurde mit Neutralalkohol bereits nach 14 Tagen gestoppt. Dieser Roxo hat schmeckbar Tannine und eine ausgewogene Säure, er ist frisch und fruchtig, gut zum Aperitif oder zu den typischen Desserts der Region, in denen Zucker, Nüsse, Feigen und/oder Schokolade eine Rolle spielen. Die Roxo-Variante ist dunkler und süßer als die Moscatels vom gelben Muskateller, aber am Gaumen kommt das nicht unangenehm rüber.

Wir hatten ja gelernt, das beim Moscatel de Estúbal 20 Años die Jahresangabe sich auf den jüngsten Jahrgang bezieht. Hier haben wir eine Mischung aus sechs Jahrgängen, wobei der älteste aus dem Jahr 1911 stammt. Dran riechen (Tabak, Kaffee, Karamell, Haselnüsse) und dann schmecken (fruchtig, weich, feine Säure puffert die Süße, sehr lang nachhallend) führt erst einmal zu Aahs und Oohs. Und dann hätte man gerne noch ein Glas, bitte…

Wine Corner | Klicken öffnet mehr!

Wine CornerDas Hausrestaurant an der Ecke ist eher als weniger formeller Treff ausgelegt. Die Speisen werden zum Teilen angeboten – in Portugal nichts Neues, da kamen schon immer gerne die Speisen in die Mitte des Tisches und man bediente sich nach Lust und Laune. Zum Weinprobieren ideal, zumal die geamte Bandbreite der breit aufgestellten Fonseca-Marken vertreten ist. „Wir bieten über 60 Weine aus dem Glas oder als Flasche an“, verriet uns Sofia.

So ein Sharing Lunch kann ganz schön fordernd sein. Denn wenn der Service bringt und bringt und bringt, dann hilft’s ja auch nicht, dass auf der Mitte des Tisches überschaubare Portionen liegen: was schmeckt, muss verkostet werden! Und ja, es schmeckte. Regionale Küche, vom Ansatz her eher einfache traditionelle Gerichte – die aber klasse gemacht. „Wir wollten ein informelles Ambiente, in dem man die Weine zum Essen kennen lernen kann“, sagt Sofia. Zur Philosopie gehört (natürlich) auch, die Weine glasweise anzubieten, denn „als Produzenten sind wir immer enttäuscht, wenn die Restaurants den Wein nur in Flaschen auf der Karte haben“. Und auch zu teuer soll es nicht sein, denn der Wein soll ja genossen werden…

Casa Museo José Maria da Fonseca
R. José Augusto Coelho 12a
2925-538 Azeitão, Portugal

Tel:: +351 212198940
jmf.pt


Hinweis:
Die Recherchen zu diesem Beitrag wurden unterstützt mit einer Pressereise auf Einladung des Great Wine Capitals Global Network.

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