Ferragudo ist eine Kleinstadt (rund 2.000 Einwohner) an der Algarve – bei einer Google-Suche wurde mir als erster Beitrag sogar mitgeteilt, dass es ein Dorf sei. Das ist natürlich untertrieben, denn nicht nur rein formal (Ferragudo wurde am 13. Mai 1999 in die Kategorie Stadt erhoben), sondern auch vom Lebensgefühl ist das eine kleine Stadt. Der Tourismus macht’s möglich, denn das vervielfacht natürlich die Zahl derer, die gerne ausgehen. Für die Silvesternacht 24/25 hatten wir uns aus der Vielzahl des gastronomischen Angebots Ferragudu’s Terrace ausgesucht: ein eher junges Restaurant, nicht nur was das Bestehen anbelangt (gegründet im Mai 2021 von den Brüdern João und Pedro Nunes), sondern auch mit der Art des Restaurants: locker im Stil, hervorragend in der Qualität.
Nun eignet sich ein gesetztes Veranstaltungs-Menü nur bedingt für eine Restaurantbesprechung – ist ja alles anders an so einem Abend. Ein geplanter zweiter Besuch fiel dann aber leider aus, weil der Leihwagen sich in einem unverhofft auftauchenden Straßenloch zu unwohl fühlte und einen Platten gefahren hatte. Andererseits war der Silvesterabend aber auch so, dass man eine Menge mitbekam: Personal, das gelassen den Ansturm der Gäste (alles reserviert, natürlich) entgegen nahm und den Service fröhlich und lachend absolvierte. Eine Küche (wir konnten reinsehen!), in der gewuselt, aber präzise gearbeitet wurde. Es war ein Abend mit viel Höhen, aber keinen Tiefen.
Wir saßen nicht auf der Terrace im ersten Stock, sondern im (für den Silvesterabend) umgestalteten Barbereich im Erdgeschoss. Die Tische waren natürlich eingedeckt, aber auch mit, nun ja: jahreszeitlich passenden Accessoirs ausgestattet. Eine Krone „Happy new Year“, eine schwarze Fliege sowie eine Brille aus zwei Goldsternen – jeweils am Holzstil, außewrdem eine Tröte. Jede(r) konnte, keine(r) musste. Aber alle machten mit: Krönchen auf, Brille vors Auge, hin und wieder beherztes kurzes Tröten.
Getränketechnisch hatten wir uns (neben Wasser) für einen einzigen Abendbegleiter entschieden: Champagne Billecart-Salmon Brut Réserve. „Diese aus drei Rebsorten der schönsten Anbaugebiete der Champagne stammende Cuvée begleitet uns in allen Lebenslagen und wird Ihre Gäste beim Aperitif oder dem gesamten Abendessen begeistern“, las ich später auf der Webseite, aber nicht nur das. Mit Hilfe einer Zahl auf dem Etikett kann man sich nämlich jede Menge Informationen zum getrunkenen Champagner anlesen – muss man ja nicht während des Abends tun, aber später ist so eine Lernlektion ganz nett. Je 30% Pinot Noir und Chardonnay sowie 40% Pinot Meunier bilden die Cuveée. Was spannend ist: 62 % dieses Champagne sind Reserveweine. Der jüngste (aktuelle) Jahrgang ist 2019, der älteste kommt aus dem Jahr 2006. „Die Kombination aus Reife und Frische verleiht den Reserveweinen des Hauses eine intensive Tiefe“, lese ich da und finde, dass es nur ein klitzekleines bisschen Marketingsprech ist. Also zögerten wir nicht, nach der ersten auch die zweite Flasche zu bestellen.
Das Essen begann traditionell algarvisch: neben handgemachtem Brot und Butter kamen Oliven und die für die Algarve typischen Karotten, ein Salat sowie eine Steakkugel auf den Tisch. Die Karotten waren intensiv im Geschmack, kein Vergleich zum Standardgruß andernorts. Der Sieger des Hingreifens war allerdings der pikant-fruchtige Salat. Die kleinen Portionen sind im täglichen Betrieb und bei größeren als unserer Zweiergruppe natürlich ein wunderbares Auflockerungsmoment, schon bei der britischen 2-Eltern-2-Töchter-Familie am Nachbartisch war mehr los. Die Austern, auf der Karte noch vor dem Couvert als erster Akt angekündigt, kamen dann ein My später und gesellten sich zu den Appetitmachern hinzu. Pro Person gab es eine naturbelassene (aber natürlich mit der Möglichkeit, sie mit Zitrone zu beträufeln und mit Mignonette zu verfeinern) Auster sowie eine mit Sektschaum (kann man machen, aber wird nicht der persönliche Favorit).
Der Übergang zu den Vorspeisen war fließend – und das ist sowohl wörtlich zu verstehen als auch inhaltlich. Immer wieder gab’s nämlich Besuch vom Service, der selten mit leeren Händen kam. Sarrajão sagte uns nichts, sah aber aus wie Tuna – und das war es auch: willkommen in der Welt der kleinen Thunfische! Wir hatten’s als beinahe-Sashimi, also nur ganz kurz rundum angebraten und dann mit roten Zwiebel-Streifen und Orange serviert: schmackhaft und erfrischend! Die Carabineiros sahen noch sehr angezogen aus – aber (wie immer sie das machen in der Küche) sie waren ausgelöst und wieder zusammengesetzt. Unfallfreies Essen – so wichtig an Abenden wie diesem!
Auftritt der Suppe. Mit kleiner Einlage und kraftvoll geschmacksintensiv-cremig, natürlich (!) am Tisch angegossen. Wie viele Karkassen des blauen Hummers mag die Küche wohl gesammelt haben für diesen Gaumenschmeichler? Und wer hat all den leckeren Hummer gegessen, der in den Schalen steckte? Wir sinnierten nicht lange und genossen ausnahmsweise mal zur Suppe unser Begleitgetränk. Hummer und Champagner – klingt wie eine gute Kombi (Spoiler: es war eine sehr gute Kombi)!
Natürlich können sie an der Küste auch Fleisch und nicht nur Fisch. Den Beweis lieferte das Filet vom Black Angus im Hauptgang – aber nicht nur das (wunsch- und erwartungsgemäß medium-rare gegarte und so zart wie würzige) Fleisch gefiel uns. Die schlicht als Kartoffel- und Pilztexturen angekündigte Beilage kam nämlich nicht nur in verschiedenen Texturen, sondern brachte zusätzliche Cremigkeit und Umami mit ins Spiel. Auch das war kein Gang, um irgendetwas übrig zu lassen!
Gespannt harrten wir des Nachtischs, denn da war so was wie eine Schwarzwälder Kirschtorte angekündigt. Wir waren uns jedoch sicher, dass Unser Schwarzwald: Kakao, frische Sahne und Schwarzkirschen nicht so eine Kalorienbombe sein würde wie man sie gerne in den Cafés im Schwarzwald serviert. Aber, nach den bisherigen Abenderfahrungen: lecker würde sie sein. So hofften wir und wurden nicht enttäuscht. Es war eine hübsche kleine Schoko-Glocke mit Keks als Crunch und obligatorischer Kirsche oben drauf, natürlich war Sahne im Spiel (aber nicht zu mächtig), aber – wenn der Geschmack nicht täuschte – kein Kirschwasser. Aber das haben wir nicht vermisst, denn es gab ja noch einen Restschluck vom Schampus dazu.
Zur Mitternacht hätte es noch einen Programmpunkt gegeben – aber (nicht nur) wir gingen vorher. Die einen strebten zielsicher den Panorama-Balkon vor der Dorfkirche an, wir liefen zur Unterkunft. Die lag nämlich direkt unterhalb der Kirche und hatte eine eigene Terrasse mit Panorama über den Fluss Arade nach Portimão. An der dortigen Uferpromenade war ein großes Feuerwerk angekündigt. Und ganz wie wir es lieben: es begann Schlag zwölf (zuvor hatten wir nichts gehört oder gesehen!) und war auch deswegen großartig, weil nicht lauter Hobby-Böllerer die Inszenierung verdarben. Das kleine Hausfeuerwerk unseres Restaurants konnten wir übrigens auch sehen – es störte nicht, weil man um die Ecke gucken musste…
MENU
- PRIMEIRO MOMENTO
OSTRA DA RIA DE ALVOR AO NATURAL | COM ESPUMA DE ESPUMANTE
Austern aus Ria de Alvor naturbelassen | mit Sektschaum - COUVERT
PÃO ARTESANAL | SELEÇÃO DE MANTEIGAS | AZEITONAS E CENOURA „À ALGARVIA“ | ESFERA DE NOVILHO
Handgemachtes Brot, Auswahl an Butter, Oliven und Karotten „Algarve Style“, Steakkugel - ENTRADAS
SARRAJÃO, CITRINOS E BATATA DOCE CARABINEIROS FRITOS DO ALGARVE
Sarrajão, Zitrusfrüchte und Süßkartoffeln, gebratene Carabineiros von der Algarve - CREME DE LAVAGANTE AZUL DE SAGRES
Creme von blauem Hummer aus Sagres - PRATO PRINCIPAL
LOMBO DE NOVILHO BLACK ANGUS 100% GRAIN FEED, TEXTURAS DE BATATA E COGUMELOS
100% mit Getreide gefüttertes Black-Angus-Rindsfilet mit Kartoffel- und Pilztexturen. - SOBREMESA
A NOSSA FLORESTA NEGRA – CACAU | NATAS FRESCAS | CEREJAS NEGRAS
Unser Schwarzwald: Kakao, frische Sahne und Schwarzkirschen. - MEIA – NOITE
PASSAS E BOLHAS FINAS
Sultaninen und feiner Schaumwein
Feuerwerk | Festmusik
Preis: 115 € pro Person zzgl. Getränke
Ferragudu’s Terrace
R. Afonso de Albuquerque 20
8400-249 Ferragudo
Tel. 966 299 215
ferragudusterrace.pt
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