Die Salzigkeit des Weins

Besuch der Morgado do Quintão (Algarve, Portugal)

Olivenbaum

Zweitausend Jahre. So alt soll der Olivenbaum sein, der im Hof des Weinguts Morgado do Quintão mächtig gewaltige Schatten wirft auf den langen Tisch. Am Tisch saßen und aßen und tranken und lachten bei unserer Ankunft auf dem Weingut Ende Februar noch frühlingshaft-luftig gekleidete Menschen – beseelt von der Magie des Ortes und wohl auch vom Genuss der Weine. Wir kamen, als sie gingen, weswegen das Foto so ganz untypisch einen eingedeckten, aber gut genutzten Tisch zeigt. Aber vielleicht ist es ja gerade dieses Unperfekte im Perfekten, das den Reiz des Bildes ausmachte!

JoaquimNicht ganz so alt wie der Baum ist das Weingut: Vor rund 300 Jahren wurde es gegründet, aber erst 2016 kam mit der Wiederbelebung durch Filipe Caldas de Vasconcellos neuer Schwung in das Familienweingut. „Unsere Philosophie basiert auf drei Säulen: die erste ist die Familie, die zweite die Kultur und die dritte ist das, was wir in Bezug auf die Landwirtschaft tun“, verriet uns bei einem Spaziergang durch die aus dem Winterschlaf erwachenden Reben Joaquim Imaginário. Er ist der Winzer vor Ort – aber wie so oft in Portugal ist es nicht sein Name, der auf dem Etikett steht. Der Inhaber holte sich nämlich Joana Maçanita als Winemaker mit ins Boot – cosi fan tutte: so machen es alle in Portugal. Die berühmten Berater*innen heimsen den Ruhm ein, die Winzer vor Ort erledigen die Arbeit. Wobei das vielleicht eher die deutsche Sichtweise ist: als wir Joaquim fragten, ob es nicht doof sei, den Namen von Joana auf dem Etikett zu lesen und nicht seinen, zuckte er mit den Schultern: das sei halt das System. Und augenzwinkernd fügte er hinzu, dass auch er ja andere, kleinere, Weingüter selber berät…

Zwischen den Reben steht Joaquim uns aber nun allein zur Verfügung und erzählt: 60 Hektar gehören zum Weingut, davon sind 23 ha mit Reben bestockt, auf immerhin 15 ha stehen alte Reben. Wie alt? Die, zwischen denen wir stehen, sind 30 Jahre alt, andere Parzellen tragen noch ältere Rebstöcke. Seit dem Jahrgang 2024 ist das Weingut biologisch-organisch zertifiziert, aber natürlich arbeitete man schon vorher entsprechend, nachhaltig und die Umwelt im Sinn. Dabei helfen Schafe und Ziegen, den Boden lebendig zu halten. Wobei „ich sie jetzt von den Reben vertreiben musste: sie mögen die jungen Triebe, was wir aber nicht so gern sehen!“, sagt der Winzer. Aber es gibt ja Platz genug auf Morgado do Quintão…

Muschel inside„Das Terroir ist typisch für die Algarve: sandig. Aber mit Lehm und Kalksteinfelsen“, erklärt Joaquim. Wobei Felsen eher heftige Brocken sind – so wie der zwischen ihm und der Besuchergruppe, der auch noch eine Zeugin der Vergangenheit zeigt: einen Muschelabdruck. „Vor Millionen Jahren war dies eine Meeresbank“, erfahren wir. Und das hat Auswirkungen auf den Wein heute, weiß der Winzer: „Die Mineralität und die Frische, die Sie in unseren Weinen spüren werden, kommt vom Kalkstein!“ Der andere wichtige Faktor ist natürlich das Wetter. Der Klimawandel macht sich auch in der Algarve bemerkbar, wo es im Winter meistens ausreichend regnete, um übers Jahr zu kommen. „In den alten Zeiten hat es mehr geregnet als jetzt“, bilanziert Joaquim. Also versucht man, die Widerstandsfähigkeit der Pflanzen voranzutreiben, sie zu stärken. Die biologische Landwirtschaft kennt ja einige Tricks – bei der Nähe zum Meer kommen bei Morgado do Quintão beispielsweise auch Algen zum Einsatz: ihr Extrakt wird auf die Reben gesprüht, damit sie widerstandsfähiger werden gegen Krankheiten oder Plagen.

Binsenweisheit: zum Klima gehören auch die Winde – und da ist das Weingut in einer komfortablen Situation. Von Westen wehen weiche und frische Winde vom Atlantik. „Das verleiht dem Wein eine gewisse Frische, nicht nur die Mineralität, sondern auch eine gewisse Säure“, sagt Joaquim. Hinzu kommt (das Meer, so nah!) natürlich eine gewisse Salzigkeit. Von der Ostseite kommen etwas wärmere Winde, die einen mediterranen Einfluss haben. Und die Winde aus Nordafrika –  sie sind viel wärmer. „Es ist also so, als hätte man das Beste aus zwei Welten. Frische Winde, warme Winde, Frische, Mineralität, Salzigkeit im Wein, aber warme Winde für die reifen Früchte!“ Das i-Tüpfelchen fürs perfekte Wind-Mikro-Klima sind die Monchique-Berge, denn sie halten die zu warmen Winde von der Nordseite ab.

Die Weinprobe

Morgado do Quintão-Weinprobe

Der erste Wein im Glas ist ein Weißwein aus der Traube Crato Branco. Der Weinberg ist etwa 25 bis 30 Jahre alt, der Wein zeigt Aromen von gelben Früchten wie Ananas oder sogar Apfel. Am Gaumen Zitrusfrüchte und natürlich die gewisse Salzigkeit. „Wir entwerfen Weine, die in erster Linie leicht und frisch sind und zu unserer Gastronomie passen, also zu Fisch und Meeresfrüchten“, erklärt Joaquim. Diesen würde er zum Beispiel zu fettem Käse oder auch zu Fischen wie Sardinen trinken.

Ein ganz eigenes Kapitel ist übrigens das Etikett – besser eigentlich: sind die Etiketten. Bei diesem Weißwein ist es: weiß. Branco. Sonst nichts, nada mais. Informationen gibt es natürlich dennoch, die Flasche ist rund und hat fürs gesetzlich Vorgeschriebene ein Rücketikett und für die gegebenenfalls verwirrten Verbraucher an der (bei richtiger Platzierung aber nicht sichtbaren) Seite auch Klartext. Wie es zu der Idee kam, erklärt Joaquim: Es gab einen Rose mit einem blau-weiß-gestreiftem Etikett. Blau-weiß: das sieht man an den Stränden häufig bei textilem Windschutz. Eine nette Assoziation! Und dann kam die Überlegung des Besitzers Filipe, der aus dem Marketing kommt: wenn unser Rosé (der nach deutschem Weinrecht ein Rotling wäre, weil aus der roten Traube Negra Mole und der weißen Crato Branco gekeltert) blau-weiß ist, dann könnte das Etikett für Rotwein doch blau und das für Weißwein weiß sein. Gemäß der beiden alten Designregeln: weniger ist mehr und KISS (keep it simple stupid). Wir sitzen also vor dem weißen Etikett und können es nicht fassen, wie einfach das ist – wenn man sich traut.

Das Andeutungsspiel auf den Etiketten finden wir auch auf der Flasche unsereres zweiten Weins der Probe: Branco de Ânfora vom Jahrgang 2023, also ein Weißwein aus der Amphore. Das ist ein Griff ganz tief in die Geschichte, bis zurück zu den Phöniziern. Ich zitiere mal (übersetzt) das Etikett: „Dieser Wein zelebriert eine Reise, die im Jahr 2000 v. Chr. begann, als die ersten Weinberge an der Algarve gepflanzt wurden. Damals wurden große Tongefäße verwendet, um Wein zu keltern. Das Gleiche ist mit diesem Wein geschehen, der vollständig in großen, 150 Jahre alten Tonamphoren vinifiziert wird, die eine unvergleichliche Mineralität, Komplexität und Frische bieten. Bei Morgado do Quintão haben wir das Gefühl, dass die Zukunft nur dann gefeiert werden kann, wenn man sich an die Vergangenheit erinnert.“

Fodd2ShareEs ist also ein Wein von der gleichen Traube, die zu den alten autochthonen Rebsorten der iberischen Halbinsel gehört. Nicht überall kennt man sie unter dem Namen Crato Branco – es gibt zahlreiche Synonyme, Siria ist wohl seit Jahrhunderten der gemeinsame Nenner. Anders als beim zuerst probierten Wein wurde dieser aber nicht in Edelstahltanks vergoren, sondern in Tongefäßen. Das gibt dem Wein nicht nur (Ton-)Mineralität, sondern auch Wärme. „Der passt perfekt zu einigen Fischsorten, die wir haben, wie zum Beispiel zu scharfem Fisch“, sagt der Winzer und wir haben Speichelfluss vor Freude. Statt des Fisches greifen wir also beherzt zu den Dingen, die auf dem Tisch stehen und erstaunlicherweise auch passen: Käse, Wurst, Möhren. Die Amphoren auf Morgado do Quintão fassen 1.500 Liter und sind damit doppelt so groß wie die andernorts. Und sie sind auch nicht von innen gewachst, wie andere Weingüter das manchmal machen: „Unsere Tontöpfe haben 150 Jahre auf dem Buckel und wir verwenden kein Wachs. So entsteht eine Mikro-Sauerstoffzufuhr für den Wein. Das bedeutet, dass sich der Wein schon während der Gärung weiterentwickelt!“ erfahren wir.

Was wir am Wein so lieben? Viel, unter anderem aber auch, dass bei handwerklich gemachtem Wein jeder Gang anders ist. Bestes beispiel: Weinprobe drei. Im Glas ein Weißwein Crato Branco, aber Jahrgang 2022 (unsere Nummer eins war Jahrgang 2023) und von 50 Jahre alten Reben. Nach einer behutsamen Ganztraubenpressung wurde der Wein in gebrauchten Eichenfässern ausgebaut, um ihm Rundheit und Komplexität zu verleihen. Das war der Plan – und er ist aufgegangen: der Wein hat einen Preis bekommen (was schön für den Winzer ist) – und er schmeckt so richtig fett und frisch zugleich (was schön für uns ist). „Mit dem hier haben wir uns den Preis verdient!“, sagt Joaquim, der an diesem Wein allerdings noch keine Aktie hatte: Joana Maçanita, die einflussreiche und in ganz Portugal anerkannte Weinberaterin hat den Wein gemacht, ihn entworfen. Herrlich langer Abgang, und selbst wenn ein gegrillter Fisch dazu sicher fein gewesen wäre: den konnte man auch so genießen – und vielleicht aufs Etikett schauen, dass nämlich nicht weiß ist, sondern ein Foto von Eva Diez zeigt. „Über die Gewässer wandern“ hat die Künstlerin es genannt. „Diese Fotografie konzentriert sich auf das Wasser und seine hypnotisierenden Bewegungen“, steht hinten auf dem Etikett.

Letzter Wein zur Probe: blaues Etikett, also nach der einfachen Etiketten-Farblehre ein Rotwein. Gewonnen aus der traditionellen Rebsorte Negra Mole. Die Trauben werden von Hand in kleine 20-kg-Kisten geerntet und dann mit den Füßen zerquetscht, um fünf Tage auf der Maische zu liegen. Die Gärung erfolgte in Edelstahltanks und dauerte rund drei Wochen. Das Ergebnis: ein leichter Wein, aber frisch und dafür gedacht, täglich getrunken zu werden. Viel rote Fruchtaromen, hintenrum etwas Würze: typisch für Negra Mole.

Sonnenuntergang

Morgado do Quintão
8400-000 Lagoa

Tel. +351 965202529
morgadodoquintao.pt

[Besucht am 20. Februar 2025 | Alle Beiträge Wein&Winzer Algarve]

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Besucht im Rahmen der Wine & Travel Week Porto mit Post Tour Algarve

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