Von den vielen schönen Ecken, die die Küste der Algarve zu bieten hat, ist die bei Carvoeiro eine der spannenderen. Der Blick auf die Felsen beim Miradouro da Falésia do Carvoeiro, die Puppenaugen Ojos de Boneca, die Kraxelei über die Algar seco Felsen – vor lauter Highlights und dem Fotografieren derselben kommt man ja kaum zum Wandern. Nicht schlecht also, wenn man genau dort untergebracht ist. Wir waren eine Gruppe von Reisebüro-Besitzern und Journalisten und nach der Wine&Travel Week in Porto nun an der Algarve unterwegs – um das Messe-Motto in die Praxis zu überführen, also Wein zu trinken und zu reisen. OK, das war zu flapsig formuliert: wir hatten uns aufgemacht, Winzerinnen und Winzer sowie Urlaubsdestinations kennen zu lernen und zwischendurch auch die Landschaft zu genießen! Dass die Organisatoren solcher Reisen nur die schönsten locations aussuchen, liegt in der Natur der Sache und ist ja auch nicht wirklich schlimm – ein wenig Luxus kann ja manchmal durchaus billigend in Kauf genommen werden (und gegen den Anflug von Bestechlichkeit kennen wir ja unseren Tucho!).
Das Tivoli Carvoeiro Algarve Resort hatten wir bislang nur von außen gesehen – bei einer Wanderung im Oktober 2020, die uns von Carvoeiro nach Benagil führte. Tolle Lage, direkt über den Klippen. Direkt unter dem Hotel am Strand stehend, sieht man es trotz seiner Größe (248 Zimmer!) so gut wie gar nicht – auch weil es von der Abbruchkante zurück gezogen gebaut wurde, der große Garten (und die Pools) liegen zwischen Hotel und Küste. Manchmal haben Architekten ja auch gute Ideen – und der Blick aus dem Zimmer ist dennoch sehr sehr schön. Senior Sales Manager João Roseiro hatte beim Check-In am Abend versprochen, dass wir uns morgens auf eine optische Überraschung gefasst machen könnten – da kannte er uns noch nicht: wir waren schon am Abend angetan, einige standen sogar nächtens auf, um den Mond übers Meer glitzern zu sehen!
Den Abend vor der Mondnacht und dem Sonnenaufgang-hinter-den-Klippen-Morgen verbrachten wir im Restaurant The ONE. Chef dort ist Bruno Augusto, der sich in seiner Küche für Gerichte aus nachhaltigen, lokal bezogenen Zutaten engagiert– und wenn er mal nicht da ist, erledigt sein Team das für ihn: bei unserem Besuch begrüßte uns Sous Chef Fábio Bernado stellvertretend für die Küchen-Crew, die Namen des Service-Teams hatte ich – leider – nicht notiert (aber sie waren alle nicht nur gut, sondern sehr gut: wissend und wunderbar freundlich!). Ein Abend auf Einladung und mit einem der Manager des Hauses als Gastgeber in der Runde ist zwar kein normaler – aber das bezog sich sicher nicht auf die Leistung des Teams. Lediglich die Zusammenstellung des Menüs konnte ich so in der Karte nicht finden – aber auch ohne exakt diese nun beschriebene Abfolge las sich die Karte spannend genug, um mal wieder zu kommen.
Wie das mit dem regional-lokalen Anspruch der Küche gemeint ist, sah man sehr schön beim Drei-Gänge-Menü. Es begann mit einer sehr typischen Vorspeisen-Schlacht, bei der viele Teller gleichzeitig auf den Tisch kamen: gebratene Muräne, marinierte Sardelle, Oktopus-Salat, Garnele mit Knoblauch, eingelegte Sardinen, marinierte Stöcker, kleine Fische aus dem Garten, Erbsenkrapfen, Salat mit Rogen vom Petersfisch. Und natürlich Brot und Aufstriche (Öl, Tapenade, hausgemachte Butter). Fábio Bernado hatte offensichtlich großen Spaß, uns das alles zu erklären, die Bedienung kam mit Espumante Rosé Reserva Bruto Natural Quê 04 von der Quinta Barranco Longo und wenig später mit einem 2023 PAXÁ Sauvignon Blanc – angebaut von Joaquim Lopes and seinem Sohn Tiago etwas südlich von Silves, die dem Begriff Pascha einen etwas freundlicheren Sinn geben als das manche Politiker hierzulande abfällig tun: „Der Name Paxá (im Englischen Pasha) ist die alte Bezeichnung für die Provinzgouverneure im Osmanischen Reich. Im Westen entspricht diese Bezeichnung dem Titel Exzellenz„, lese ich später auf der Webseite.
Wer da nichts ins Schwärmen kommt, weiß das Leben nicht zu genießen! Oder wartet, deutsch-skeptisch, erst mal auf den Hauptgang. Auch der klang sehr regional, hatte aber nicht das rustikal Einfache, was im Namen Cataplana oft mitschwingt. Der Eintopf aus Fisch und Meeresfrüchten soll ja, so die Idee, erst mal gehörig satt machen und das verwerten, was das Meer hergab. Fine Dining interpretiert das naturgemäß etwas nuancierter, was Auswahl der Zutaten und auch den korrekten Gargrad der einzelnen Bestandteile anbelangt – vor allem an letzterem scheitert’s leider manchmal andernorts. Diese Cataplana war also schon von der Anlage gut gemacht – und wenn dann die Servicekräfte den Inhalt aus den großen Töpfen auf die Teller drapieren, kommt da auch optisch was Ordentliches bei heraus. Stichwort ordentlich: für so ein Essen sind Algarve-Weine ja ideale Begleiter. Der 2023 Branco Grande Escolha von Barranco Longo war so einer, gekeltert aus Arinto und Encruzado. Was die beiden portugiesischen Sorten können: den Weinen Säure, Mineralität und Trinkfluss mitgeben. Also (pardon!) lecker schmecken…
Zum grande finale gab’s ein Dessert, das wie ein Stoßseufzer der Erinnerung hieß: „Uma vez no Algarve“ (Einmal an der Algarve)! Es brachte in anschaulich kleinen Portionen zusammen auf den Teller, was es sonst in meist unvernünftig großen Mengen zum Schluss des Essens gibt: Karotteneis, Mandelkuchen, Orangenpudding und Feigen-Morgado. Da muss man nichts von erklären außer vielleicht Morgado. Das ist eine regionale Spezialität aus der Gegend von (und zwischen) Portimão und Silves. Es besteht aus Mandelteig mit einer Füllung aus Eiersträngen und Chili-Marmelade im Inneren. Üppig und sehr sehr gut! (Wer das nachbacken will, braucht Geduld und Erfahrung. Aber bitte: das Rezept der Bruderschaft der Gastronomen der Algarve)! Wenn’s dazu einen Knockout gibt, dann könnte man erschrecken. Aber wir erhielten den ja als Süßwein – eine Art Beerenauslese von Muskat, Viognier und Chardonnay, weil aus rosinierten Trauben gemacht. Die Mazeration der Schalen und die alkoholische Gärung erfolgten bei kontrollierter Temperatur in Edelstahltanks, anschließend reifte der Wein zwei Jahre in ungarischen Eichenfässern. Erfreulich frisch, nicht unangenehme Süße: so einen Knockout steckt man doch gerne ein als (und nun zitiere ich die Weingutswebseite) „Kriterium für den Sieg und das Ende eines gültigen Kampfes am Ende eines ausgezeichneten Essens„.
The ONE
Tivoli Carvoeiro Algarve Resort
Vale do Covo – Praia do Carvoeiro
8401-911 Lagoa
Tel. +351 282 351 100
theonerestaurant.pt
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Besucht im Rahmen der Wine & Travel Week Porto mit Post Tour Algarve
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