MZ: Als Vertreter einer exotischen Kultur sind Sie den Lesern unserer Zeitung noch völlig fremd, Herr Dr. Fietje Teenös. Das wird sich aber ändern, da Sie als „Teeprofessor“ mit einer Furore machenden Schrift jetzt an die Öffentlichkeit getreten sind. Können Sie was darüber verraten, Herr Teenös?
Fietje Teenös: Jau, dat sall ik woll kunnen…
MZ: Pardon, aber wenn es geht, nicht Platt — sonst werden Sie nicht verstanden!
Teenös: Also dann: Gerne berichte ich über meine Schrift. Es ist eine Abhandlung über die Trinkgewohnheiten des Stammes der Friesen allgemein und der Ostfriesen speziell. Was für Ihre Leser besonders interessant ist: Ich habe den Einfluss der westfälischen Kultur
auf diese Sitten untersucht, wobei ich eine Gruppe von Ostfriesen in Münster zum Untersuchungsgegenstand machte.
MZ: Das ist ja interessant! Aber wie können Sie nun vergleichen? Braucht man da nicht eine etwa gleiche Gruppe an anderer Stelle?
Teenös: Richtig, das mag man wohl sagen! In meinem Beitrag zur zeitweisen Änderung von heimischen Gebräuchen wählte ich die Bewohner der zentralfriesischen Bauernschaft Berumfamfehn als Kontrollgruppe. Die Ergebnisse sind überraschend, wenn nicht revolutionär!
MZ: Das ist ja interessant! Aber bevor wir zu den Ergebnissen kommen, würden unsere Leser gerne etwas über den Inhalt Ihrer Studie erfahren!
Teenös: Nun, da ich ein Tee-ologe bin, liegt der Schwerpunkt meiner Arbeit im Bereich der schmackhaften Flüssigkeiten. Gemäß der Devise „Einen Tee in Ehren kann niemand verwehren“ galten fünf meiner sieben Fragenkomplexe dem ostfriesischen Nationalgetränk.
MZ: Äußerst interessant! Und die anderen zwei Fragen?
Teenös: Die bezogen sich auf mehr spirituelle Getränke – ganz im Sinne des Friesengeistes!
MZ: Wahnsinnig interessant. Doch was sind auf dem Gebiet der Tee-ologie die umwerfendsten Ergebnisse der Untersuchung?
Teenös: Da wären mehrere Dinge zu nennen. Einmal muss deutlich gesagt werden, dass die im deutschen Ausland geläufige Bezeichnung „Ostfriesische Mischung“ schlicht nicht der Wahrheit entspricht. In Wirklichkeit handelt es sich vielmehr um eine Mixtur aus Teeblättern, die in Assam und Darjeeling gepflückt wurden, und zwar nachts. Unter uns gesagt: Das schmeckt auch besser!
MZ: Wie unerhört interessant! Wie aber ist es denn nun mit der friesischen Volksweisheit „Dree is Freesenrecht“?
Teenös: Die ist für den Teebereich schon lange nicht mehr gültig – wie könnte der durchschnittliche Teeverbrauch in dem Land zwischen Deich und Moor sonst auch fünf Pfund pro Kopf betragen – im Gegensatz zu dem, was bei Ihnen getrunken wird?
MZ: Na, wieviel denn?
Teenös: So um die 200 Gramm – aber da sind hauptsächlich die Ostfriesenemigranten dran Schuld. In geringerem Umfang auch Nordfriesen.
MZ: Interessant, wirklich. Damit wären wir dann ja auch beim wichtigsten Punkt Ihrer Habilitationsschrift: Wie wirken Friesen auf Westfalen – und umgekehrt?
Teenös: Ooch… muß ich das sagen? Ja? Also: Der Anpassungsgrad der Friesen steigt mit der Fähigkeit der Westfalen, richtig Tee zu bereiten. Solange das Tee-Ei jedoch in diesen südlichen Breiten die Normen und Wertvorstellungen der Ostfriesen dermaßen beleidigt, ist eine totale Integration kaum zu erwarten. Im Gegenteil: Ich schließe bewaffnete Auseinandersetzungen nicht aus. Aber nu heb ik Teedörst – Water sust all. Bliev man noch eben, kannst auk een Köppke hebb’n!
MZ: Das ist ja völlig uninteressant!
Teenös: Nee.
Diese Interview-Parodie erschien zuerst an Stelle des sonst an der Stelle üblichen Gesprächs in der Karnevalsausgabe am Samstag, 24. Februar 1979, in der Münsterschen Zeitung (MZ).
Nachgedruckt im Kochbuch „Ulrich van Stipriaan’s / Compendium der nahrhafftesten Speisen & / vorzüglichsten Genüsze / sowie / Beschreybung derselben in Wort und Bild. Feine undt gar köstliche Recepte für sämmtliche Tage des Jahres / zum Kochen, Bakken, Braten & Auf-dem-Clo-lesen / nebst / einem ergötzlichen Tractat über den Thee. Selbstverlag. Münster 1979)
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