Türme gibt es an der apulischen Küste wie Sand am Meer. Torre hier, Torre da – sie sind nicht zufällig in Sichtweite zueinander aufgestellt, denn sie bildeten eine Verteidigungslinie gegen (damals: türkische) Angreifer. Mit Rauch (tagsüber) und Feuer (nächtens) wurden die Signale im 16. Jahrhundert gegeben – Mobiltelefone waren damals einfach zu teuer!
Einer der Türme ist der von Guaceto. Es ist insofern ein besonderer Turm, weil er Namensgeber für ein komplettes Naturschutzgebiet ist. Die 1.000 oder 1.200 ha große Riserva Naturale dello Stato di Torre Guaceto hat rund acht Kilometer Küstenlinie – ideal für eine Strandwanderung!
Das Gebiet ist gut erschlossen: Die Staatsstraße 379 von Bari nach Brindisi führt mitten hindurch. Nördlich der Straße ist der schmalere Landstreifen, in dem es viel mediterrane Macchia gibt, aber auch (dünn) besiedeltes Gebiet. Südlich herrschen Olivenplantagen vor und Landwirtschaft. Das Informationszentrum liegt touristisch etwas abseits im Südwesten. Der Weg zum Centro visite Torre Guaceto lohnt nicht wirklich, es sei denn, man möchte sich Fahrräder mieten, um das Gebiet zu durchradeln. Es gibt dort ansonsten: Hunde vor der Tür (die beißen nicht, sie wollen nur pennen), eine minimalistische Bildertafel-Ausstellung, zwei leidlich englisch sprechende Auskunftsdamen und eine nahezu nutzlose Karte mit der schematischen Darstellung der verschiedenen Zonen des Naturschutzgebietes.
Die Damen empfahlen den offiziellen Parkplatz an der S.S. 379, den aber kaum jemand nutzt, so lange es direkt am Meer an der Punta Penna Grossa ausreichend verbotenen Parkraum gibt. Wir hatten diese Stelle bereits auf dem Rückweg von Oria nach Carovigno kennen gelernt und wussten: Hier steht man gut, wenn man weiter gehen will!
Das Wasser nördlich der Bucht gehört zur so genannten „Zone B“ – was heißt: Hier darf man baden. Eine gute Entscheidung, denn der Sandstrand ist von der Art „Bilderbuch“ mit feinem Sand und steinfreiem Zugang zum Wasser, das zu allem vergnüglichen Überfluss auch noch schön blau den Himmel reflektiert. Wer sich zuvor für die Variante „Fahrradtour“ entschieden hat, merkt jetzt: Dumm gelaufen – denn hier kann man nicht radeln. Schuhe aus und barfuß durch den Sand gewandert ist es aber höchst genussvoll! Das Wasser zur Linken gibt sich viel Mühe, nicht so langweilig Adria-blau zu sein, sondern immer mal wieder karibisches Türkis vorzugaukeln. Rechter Hand gibt es Ansätze von (und einmal sogar richtige) Dünen. Kleine Pfade führen hinein in die Macchia, die verführerisch riecht – und wenn man zur richtigen Jahreszeit dort ist, kommen Blütenfotografinnen voll auf ihre Kosten.
Der ersten weitläufigen Badebucht folgen mehrere kleine, die etwas wilder sind. Jede hat ihren eigenen Charakter, so dass es nicht langweilig wird. Am spannendsten war die unangekündigt sich auftuende Bucht der verlorenen Schuhe, am lustigsten der Wegweiser nach „Kosovo, Croazia, Albania“. Leider macht sich, wer den Schildern folgt, strafbar: Wir befinden uns bereits in Zone A des Naturschutzgebietes, und da ist schwimmen verboten. Wie also soll man da rüber machen?
Den Torre Guaceto hat man nahezu den ganzen Weg lang gesehen, er wurde – wie sich das gehört, wenn man einem Gegenstand näher kommt – immer größer. Und plötzlich stand er vor uns: Eindrucksvoll ungemütlich, wie es sich für einen Turm mit dieser Aufgabe gehört – aber von einsichtigen Mitdenkern mit einer Bank zum Pausieren ausgestattet. Ehrensache, einmal den Turm zu umrunden, in die Ferne (nach Kroatien?) zu sehen, zurück zum Punta Penna Grossa zu blicken und auf die nächste Bucht – in der, zu meiner Freude, zwei Inseln liegen. Mitten in Zone A – also kann man nicht hinschwimmen (als Mensch – Tiere dürfen!). Landeinwärts steht viel Schilf, die Sumpfzone des Reservats lässt grüßen.
Zurück zu unserem Ausgangspunkt wählen wir die Route etwas landeinwärts – und sind erneut entzückt: Bäume, Blumen, Blüten! Und Dünen mit verschlungenen Wegen! Zwei Radfahrer überholten uns – hier geht’s also!
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