„Wir haben große Flaschen und eine kleine Überraschung!“, meinte Steffen Zuber zu Beginn des jüngsten GourMeat. Es gab ein Menü mit französischen Weinen – aber ganz in der Tradition des Estancia Beef Clubs nicht mit irgendwelchen, sondern mit mehr als bemerkenswerten. Und einem außerordentlich bemerkenswerten, von dem die Gäste gar nichts ahnen konnten, denn mit ihm wurde weder geworben noch stand er auf der Karte. Es ist der im Bild oben, falls ihn jemand daran erkennt.
Die Dramaturgie eines solchen Abends verlangt natürlich einen sanfteren Einstieg. Draußen unterm Zelt zum Empfang gab’s also Crémant de Loire, einmal als Cuvée aus Chenin blanc und Chardonnay im Verhältnis 80:20, dann und/oder als brut rosé aus 100 % Cabernet Franc. Beide aus dem Anbaugebiet der AOC Crémant de Loire, das mit rund 500 Hektar Rebland in den Weinbaugebieten Anjou, Saumur und Tourraine in etwa so groß ist wie das Anbaugebiet Sachsen. Und beide selbstredend anregende Aperos, bei denen man gerne auch mal nachschenken lässt. Wenn wir jünger wären und der Rahmen nicht ganz so edel, könnte man es nur leicht despektierlich vorglühen nennen…
Die Leichtigkeit blieb uns erhalten mit dem ersten Wein, bei dem Steffen Zuber aber schon eine seiner Vorlieben in Sachen Wein zeigte: gut muss er sein, na klar doch – aber wenn die Flasche dann noch ein wenig größer ist als man es vom heimischen Wohnzimmer her kennt, dann strahlt der Chef des Estancia Beef Club. Der 2019 Gris blanc vom Winzer Gérard Bertrand aus dem Languedoc wurde aus der Doppelmagnum (mithin 3 Liter) ausgeschenkt. Hagen Schmidt von der Weinfachagentur Andreas Wieruszewski ist nicht nur Weinbesorger, sondern auch ein unterhaltsamer Weinerklärer. Unseren ersten Wein, „der nicht weiß und nicht rosé ist“, nannte er den „neuen Geschmack aus Südfrankreich, der südfranzösisches Lebensgefühl vermittelt“. Essenstechnisch bewegten wir uns freilich nicht im Süden Frankreichs, sondern deutlich nördlicher: es gab eine Zwiebelsuppe Straßburger Art – Soupe à l’oignon Strasbourg, in der ein Eigelb schwamm, auf dass die Gäste sich die Suppe selbst anrühren konnten. Was sie dann auszulöffeln hatte, war freilich erstens wohl schmeckend, zweitens trotz Zwiebeln keineswegs irgendwie belastend und drittens erstaunlicherweise ein guter Partner zum Wein.
Beim nächsten Gang geriet die geographische Nähe von Essen und Trinken perfekt, denn zu einem typischen Essen aus dem Burgund (das normalerweise nicht als Zwischengang gereicht wird, sondern ein sättigendes Hauptgericht ist) gab es einen Wein aus dem Burgund: 2015 Côte de Nuits Village le Vaucrain, Louis Jadot, Pinot Noir. 90 Parker-Punkte habe der, sagte Steffen Zuber noch schnell, bevor er an Hagen Schmidt weitergab – denn neben der Vorliebe für große Flaschen achtet der Herr Zuber auch immer auf eine möglichst hohe Punktzahl. Tut ja nicht weh, selbst denen nicht, die nicht so dolle dran glauben.
Das Burgund sei zwar bekannt, aber dennoch immer wieder auch ein Buch mit vielen Siegeln, meinte dann einleitend Hagen Schmidt und dröselte erst einmal für alle auf, was da eigentlich auf dem Etikett steht: Côte de Nuits – ein bedeutendes Weinbaugebiet im Burgund. Village: ein Ortswein also (im Jargon des VDP), die Lage le Vaucrain („sowas wie der Goldene Wagen bei uns in Radebeul“). Und Pinot Noir, also Spätburgunder – aber das war ja eh allen klar, denn (wir sind ja nicht nur zum essen da, sondern auch zum Lernen) Burgund sei fast immer Pinot Noir bei den Roten und Chardonnay bei den Weißen. Es sei denn, man hat einen Gamay (rot) oder einen Aligoté (weiß) im Glas…
Der Boden der Lage le Vaucrain besteht größtenteils aus Kalkgestein, auf welchem die Reben im kontinental-maritimen Klima Burgunds bestens gedeihen. „Es sind feine, elegante, zarte Weine, die trotzdem Tannin habe, die Kraft haben, die Länge haben – aber man muss sie für sich entdecken!“, meinte Hagen Schmidt und gab zwei Handlungsanweisungen: Einfach reintrinken! Was dazu essen! In unserem Fall ein Bœuf Bourguignon, ein lange geschmortes Ragout aus Rindfleisch mit einer Sauce aus Burgunderwein.
…und dann: ein großer Bordeaux
Nun aber Vorhang auf für den Überraschungswein. Louis de Funes sagt ihn fast korrekt an!
Der Film ist aus dem Jahr 1976, sollte man wissen, also schon einige Jahre alt. Deswegen musste unser Wein auch kein 1953er sein – aber einen Chateau Léoville Las Cases 2ème Grand Cru aus dem Jahr 2009 hatten wir dann doch im Glas. Hagen Schmidt musste gestehen, dass er bei dem Wunsch nach diesem Wein gesagt hat: „Steffen, Du bist ein Verrückter!“ Wenn man weiß, was so eine Flasche kostet, ahnt man, warum Steffen Zuber seiner Frau eingangs einen Strauß Blumen überreichte – da kann man doch wenigstens einen Abend lang nicht böse sein. Zumal bei dem Genuss – und dem nahezu einhelligen Urteil der Fachwelt: James Suckling vergibt 99 Punkte, Robert Parker 98+ Punkte, der Wine Spectator 98 Punkte.
Für den Wein gab es (nicht zum ersten Mal, aber immer wieder großartig) ein Zieher-Glas der Serie Vision, die Silvio Nitzsche (WeinKulturBar, Dresden) entwickelt hat. Die Gläser der Serie kitzeln das beste aus guten Weinen heraus – und sind zusätzlich noch eine Augenweide. Das Intense beispielsweise ist fast so hoch wie ein DIN-A4-Blatt! Damit war dieser Wein, wenn er denn neben den später gereichten stand, nicht nur geschmacklich überragend. Der 2009er Chateau Léoville Las Cases 2ème Grand Cru ist zwar mit seinen erst elf Jahren noch ein Wein-Baby, aber die erste Verschlossenheit hat er bereits aufgegeben. Ob der Herr Zuber sich wohl eine Flasche zurück gelegt hat, um sie mit uns in zwanzig bis dreißig Jahren zu genießen? Zu diesem Wein gab’s übrigens reife, süße Waldbeeren, Cassis, rote Johannisbeeren, Zwetschge. Aber auch schwarze Waldbeeren, Holunder und Maulbeere, Brombeere, Sauerkirsche, Schwarzkirsche, flüssige Schokolade und Espresso (hat mir der Herr Lobenberg ins Ohr geflüstert).
Wie kann man das denn toppen? Vielleicht einfach gut weiter machen? Nun denn: Zum Hauptgang Châteaubriand mit Sauce Béarnaise gab es aus dem Burgund einen 2017 Meursault Louis Jadot Chardonnay sowie einen Bordeaux aus der 6-Liter Imperial: 2006 Château La Tour Figeac Saint-Émilion Grand Cru Classé. Zusammen mit dem Chateau Léoville Las Cases (den man ja nicht einfach so runter kippen kann!) ergab das ein einmaliges Begleitensemble für den Hauptgang. Und da, aus Begeisterungsgründen, bislang meist vom Wein die Rede war, hier noch ein Gedanke zum Fleisch. Es ist von bester Qualität und kommt, auch bei größeren Gruppen, perfekt auf en Punkt gegart an den Tisch. Und als ob so ein Châteaubriand nicht schon genug wäre (rein gewichtsmäßig…), bringt der Service an diesem Abend noch ein Extra-Stück plus extra an den Tisch, das – kein Wunder! – auch komplett den Weg auf die individuellen Teller findet.
Zum Abschluss durfte man wählen: Crème Brûlée oder Käse? Aber auf jeden Fall den 2011 F.E. Trimbach Gewürztraminer Vendanges Tardives (95 Parker-Punkte…). Üppig süß, aber feinwürzig-mineralisch – und eigentlich ein angenehmer Rausschmeißer, bei dem laaaangen Abgang…
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