Vor 800 Jahren etwa lebte ein wenig elbabwärts von Meißen am rechten Ufer Otto von Suselitz in einer Wasserburg. Die Zeiten damals waren wild – Wälder, Burgen und Dörfer wurden mit all denen, die dort lebten, verkauft oder verschenkt. Die Wasserburg des Herrn von Suselitz ging auch diesen Weg, fungierte 42 Jahre als Jagdresidenz von Heinrich dem Erlauchten, bevor der Markgraf von Meißen statt dort Hof abzuhalten das Anwesen nebst 17 zugehörigen Dörfern den Klarissinnen als Nonnenkloster stiftete. Eben jener weise und gütige Heinrich der Erlauchte schenkte dem Kloster aber nicht nur Haus und Dörfer, sondern auch drei Weinberge – und weil er das tat, wissen wir, dass es hier in Seußlitz und in Diesbar (dem nächsten Dorf elbaufwärts) seit 1272 Wein gibt.
Das ist das absolut vollwertige Halbwissen, mit dem man eine Wanderung vom Anfang des Sächsischen Weinwanderwegs bis nach Meißen starten kann. Den zweiten Teil des Halbwissens kann man sich ja bei der ersten Station anlesen, die man nicht ganzjährig besuchen kann: Die Klarissenklause ist eine Besenwirtschaft, die von den beiden Hobbywinzern Alexa und Bernd Raum aber recht professionell betrieben wird (geöffnet sonntags ab 11 Uhr).
Bei einem Traminer („unser engagiertester Wein“, sagte die Chefin – also nahmen wir den und waren nicht enttäuscht) in der traubenbehangenen Laube erleben wir das wunderbare Paralleluniversum von Hoch- und Najakultur. Die Chefin macht nämlich nicht nur Wein, sondern sie singt auch. Ute Freudenbergs „Jugendliebe“ zu unserer Begrüßung, später auch Songs wie „This is the Life“ von Amy Macdonald zum Beispiel. Nichts für stille Genießer, aber den meisten Gästen gefällt ja derlei Alleinunterhaltung ganz gut. Die Hochkultur steht im Reiseführer und handelt vom Nonnenkloster, das nach der Reformation weltlich wurde und vom Geheimen Rat am Hofe des Kurfürsten Moritz von Sachsen Dr. Simon von Pistoris 1546 zu einem Wohnschloss umgebaut wurde.
So richtig schön wurde Schloss Seußlitz aber erst, als die Bünaus kamen. Wer in sächsischer Heimatkunde aufgepasst hat, kennt den Namen: Die Bünaus haben auch auf Schloss Weesenstein wunderbare Spuren hinterlassen. Graf Heinrich von Bünau, der 1722 Schloss Seußlitz kaufte, beauftragte auch nicht irgendjemanden mit dem Umbau, sondern George Bähr, den Erbauer der Dresdner Frauenkirche. Und so entstand ein wunderschönes barockes Schloss mit integrierter Kirche und zwei Parks: einer im englischen und einer im französischen Stil.
Gegenüber vom Park sehen wir, leicht bergauf, die Heinrichsburg. Und die erklimmen wir jetzt! Zweimal sechs Figuren geleiten uns optisch zum zweigeschossiges Gartenhaus, das ebenfalls nach Plänen George Bährs erstand und nach Heinrich von Bünau benannt ist. Die Figuren versinnbildlichen die Monate – man muss das nicht raten, denn es steht auf den Sockeln (Anmerkung für Penible: Von einer Figur ist es nur noch der Sockel. Welchen Monat lassen wir aus?). Vielleicht wendet man sich in Gedanken jetzt nochmal dem Park zu und denkt sich: Ob die vier Skulpturen dort wohl???? – Na klar: Das sind die vier Jahreszeiten!Von der Heinrichsburg aus führt ein Wanderweg parallel zur Elbe Richtung Meißen. Den nehmen wir – nicht ohne dann und wann ein wenig abzuweichen, denn es gibt viel zu entdecken!
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