Das Restaurant liegt oben im fünften Stock des Suitess-Hotels – einfach mal eben reinsehen geht nicht: Die Dame der Rezeption bringt uns mit dem Fahrstuhl hoch – und oben werden wir in Empfang genommen von einem Herrn in Frack, dem zum stilechten Aussehen allerdings die Lackschuhe fehlen. Das „Maurice“ gibt sich vornehm und ein wenig steif – vom Personal über die Unsitte der Damenkarte ohne Preise (am Nebentisch tauschten die Herrschaften gleich mal aus: „Sie“ war die Finanzministerin der Familie und zahlte später auch) bis zur gestelzten Sprache („und der Hauptgang war Recht gewesen?“).
Aber wir sind ja primär zum Essen gekommen – und, zugegebenermaßen, auch um den Blick zu genießen, den man von der Terrasse des Restaurants auf die Kuppel der Frauenkirche hat. Die Karte kommt auf einem Blatt ausgedruckt, sie soll besonders sein und ist deswegen versiegelt. Was erwartet den Gast? Je zwei Vorspeisen, Suppen, Zwischengerichte, Fischgerichte, Hauptgänge und drei Desserts. Die Preise sind gesalzener als das servierte Essen, das manchmal ein wenig fad schmeckte. Salz vom Brot-Begleit-Teller half nach (wobei wir eher salzarm essen, also nicht notorische Nachwürzer sind – ich male mir meine Picassos ja auch nicht mit dem Pelikan-Tuschekasten schön!).
Das Maurice war ja sehr furios gestartet – mit einem Koch, der einmal zwei Sterne hatte, es in Dresden aber während seiner Amtszeit nicht einmal zu einem brachte. Anfang des Jahres löste dessen Sous-Chef (umgangssprachlich könnte man sagen: sein Stellvertreter) André Mühlfriedel den unbesternten Sternekoch Alois Koepf ab – und so wie sein Vorgänger mit der Zwei-Sterne-Mär unangenehm auffiel, lässt der neue Chef in der offiziellen Hotel-PR mutmaßen, er sei ein Mitglied der anerkannten Jeunes Restaurateurs. In den Mitgliedslisten wird er freilich nicht geführt, kann das auch nicht – denn die Jeunes sind alle ihre eigenen Herren und nicht angestellt.
Sei’s drum, wir waren ja wie gesagt zum Essen und nicht zum Kritikastern gekommen. Also bestellten wir weder das 6-Gang-Menü für 93 Euro, noch das kleine Abendmenü für 67 Euro, sondern stellten individuell zusammen. Der Thunfisch auf Avocado mit Zitronengras-Wildkräutercannelonie (sic! – 21 EUR) war zwar falsch geschrieben, aber optisch wie vom Geschmack her ein Gedicht: Der Tuna in perfekter Qualität, die Canneloni waren süßer Krokant und umhüllten Tuntartar mit Creme und Kräutern. Ich weiß, man tut das nicht – aber das war zum Reinsetzen! Die Gebratene Jacobsmuschel und gebackener Langustino auf Wasabi-Erbsenpüreé (17 EUR) hingegen gaben erstmals Anlass zum Aufmerken: Wo war Wasabi-Geschmack beim Püreé? Und il Langustino rief nach Salz, um zu schmecken.
Beim Fischgang ähnliche Erfahrungen: Gebratener Knurrhahn mit Felsenoctopus und Spinat-Couscous an Ingwer-Limonenschaum (31 EUR) kam mit deutlich übergartem Knurrhahn und sehr naturell belassenem Octopus auf den Tisch. Der Spinat vom Couscous war allenfalls Spinatfarbe – aber das mag ja als Kochkunst noch durchgehen. Dem Octopus half das Meersalz vom Brotkorb – dem Knurrhahn war nicht mehr zu helfen.
Bei Niedertemperatur gegartes Kalbsfilet mit sautierten Pfifferlingen, Romanesco und Serviettenknödel (34 EUR) als Hauptgang erinnerte an den alten Nouvelle-Cuisine-Witz: „Wie fanden Sie die Pfifferlinge?“ – „Och, zufällig: Unterm Fleisch!“ Die Atomisierung von Zutaten mag ja gut aussehen, aber so recht konnte man mangels Masse weder Pfifferlinge noch Romanesco schmecken. Und wer bei Knödel gewisse optische Vorstellungen mitbringt, möchte die bitte auch an der Rezeption abgeben: Daumenhoch, Durchmesser etwa der eines 1-Euro-Stücks. Drei Knödel dieser Art waren mir allerdings reichlich genug – und insgesamt ist man schon angenehm gesättigt nach dem Menü. Vielleicht ist also der Koch doch schlauer als die Erwartungshaltung des Gastes beim Lesen der Karte?
Die beiden Desserts waren Auswahl von Rohmilchkäse mit Chutneys (16 EUR) und Gefüllte Waldhonigwabe mit schwarzen (sic!) Johannisbeersorbet (17 EUR). Der Käse nicht als Auswahl zum selber Aussuchen und eher normal als vom Hocker reißend in der zugelieferten Auswahl, die Waldhonigwabe natürlich keine Wabe, sondern wieder so eine Art Canelloni, nur eben in Wabenform. Das Sorbet freilich verdient das Prädikat hinreißend! Optisch bot beides, wie auch bei den anderen Gängen, ein schönes Bild: Die Kameras klickten.
Die Weinkarte ist umfangreich, aber hochpreisig kalkuliert. Ein 2006er Riesling „R“ von Klaus Zimmerling, den es in einem Dresdner Restaurant mit Sternekoch für 40 Euro gibt, kostet hier 56 Euro. Den 2007er Riesling & Traminer vom Weingut Schwarz gibt es andernorts für 48 Euro, im Maurice für 70 Euro: Hier stellt sich beim Kenner der Gourmetlandschaft doch irgendwie das Gefühl der Abzocke ein. Offene Weine gibt es übrigens nicht – weder in der Karte noch auf Nachfrage. Eigentlich ein KO-Kriterium, denn die angebotenen halben Flaschen sind bei den aufgerufenen Preisen wahrlich kein Ersatz für einen guten Offenen.
Maurice
im Hotel Suitess
An der Frauenkirche 13
01067 Dresden
Tel. 0351/417270
http://www.suitess-hotel.com
geöffnet
Montag – Freitag 12.00 – 14.00 Uhr
Montag bis Samstag von 18.30 bis open end
Küchenzeiten: Montag bis Samstag von 18.30 bis 23 Uhr
2011 geschlossen
[Eine gekürzte Version des Beitrags erschien am 27. August 2009 in PluSZ, Beilage zur Sächsischen Zeitung (die Kritiken sind dort immer so kurz, also rein formal, nicht inhaltlich begründet ;-)]
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