Unzählige Treppen gäbe es auf Alicudi, steht im Reiseführer (Peter Amann, Liparische Inseln, Iwanowski 2010:141). Ungezählte wäre wahrscheinlich richtiger, denn es sind zwar viele, aber durchaus noch weniger als die größte bislang bekannte Primzahl. Straßenbeleuchtung gibt es auch keine – und warum? Ganz einfach: Es gibt keine Straßen auf der westlichsten der Äolischen Inseln!
Das einzige Hotel der Insel öffnet erst im Juni, das Bed&Breakfast da Rosina alla Mimosa hatte zwar geöffnet, aber schon eine Wandergruppe zu Gast und war damit voll. Aber von dort gab’s beim Reservierungsversuch eine Empfehlung für eine Privatunterkunft: Signora Conchetta würde sich freuen, uns zu beherbergen! Sie würde, so wir wollten, auch für uns kochen – aber natürlich seien wir im Restaurant von La Mimosa abends auch willkommen, nach Voranmeldung. OMG, ist das aufregend!
Signora Conchetta hat es nicht schwer, uns am Hafen zu identifizieren: Bis nach Alicudi hatte sich die Fähre von Lipari immer mehr entleert bei den Stopps auf Salina und Filicudi. Wir waren die einzigen verbliebenen Passagiere an Bord – abgesehen von einer Matratze nebst Bett auf einem Kleintransporter! Es fahren natürlich nicht nur die (langsamen) Fähren nach Alicudi, sondern auch Tragflächenboote – aber Inselhopping im Innenraum eines Schnelltaxis macht doch keinen Spaß! Also genießen wir die gemächliche Überfahrt inklusive der An- und Ablegemanöver in Santa Marina Salina, Rinella und Filicudi und sind für die 72 Kilometer gerne fünf Stunden unterwegs. Nichts geht über SlowTravel!
Natürlich kennt Jede Jeden auf Alicudi – bei rund 130 Einwohnern ist das nicht weiter verwunderlich. Also bringt uns die Signora erst einmal um die Ecke zur Bar. Die hat zwar noch geschlossen, aber natürlich können wir uns setzen und bei Simone etwas trinken. Das heißt, ganz so einfach geht’s nicht: Wein ist noch nicht da, Bier ist warm, aber der Kühlschrank mit Alkoholfreiem läuft schon. Ist ja auch gesünder. Derweil besorgt Conchetta für die Koffer ein Muli – sie hat, wir wir schnell erfahren, da gute Beziehungen. Maultiere sind die Last-Taxis der Insel. Sie schleppen Sand hoch, sie transportieren Ziegel, sie nehmen im Ernstfall auch zwei Koffer Huckepack. Maultiere wiegen selbst bis zu 600 Kilo und schleppen problemlos bis zu 160 Kilo Zeugs die Stufen rauf und runter.
Ein Viertel des Körpergewichts? Da hätte doch unsereins den 20-Kilo-Koffer auch selbst… nein, doch lieber nicht. Denn es ist heiß heute auf Alicudi. Die Treppen speichern die Sonnenwärme, da lässt es sich schön schwitzen. Die Alicudari gehen gemächlich, nutzen sich ergebende Möglichkeiten zum Schwatz. Das könnte uns auch gefallen, doch zum Schwatzen reichen auch normale Italienischkenntnisse nur bedingt. Man spricht Dialekt. Mit ein wenig Glück hört man auf der Insel allerdings Deutsches: Es gibt, warum auch immer die sich ausgerechnet hier gefunden haben, eine Kolonie von Aussteigern und Möchtegernaussteigern. Letztere erkennt man daran, dass sie gar nicht das ganze Jahr auf der Insel leben, sondern nur einen netten Teil hier verbringen. Einheimische sind und werden sie nicht, die meisten leben als tedesci, als die Deutschen, auch im eigenen Ortsteil Pianicello oben auf dem Berg.
Wieviel Treppenstufen es auf Alicudi gibt? Keine Ahnung. Bis hoch nach Pianicello seien es tausend, schreibt Peter Amman – wir haben nicht nachgezählt. Es geht jedenfalls immer mal wieder hoch und runter, manchmal mit und manchmal ohne Stufen. Das Bed&Breakfast ist zwar (vorbei an der Dorfkirche Chiesa del Carmine auf dem Weg zur ehemaligen zentralen Chiesa S. Bartolo) fast am Ende des Hauptdorfes, aber vergleichsweise gemächlich zu erreichen. Wir waren am ersten Abend dort – und wen trafen wir? Genau: Unsere Wirtin Conchetta. Daher also die Empfehlung – man kennt sich auf Alicudi. Sie kocht mit und sie bedient mit – was gut zu wissen war, denn da trauten wir uns doch am nächsten Abend gleich einmal, das heimische Essen zu probieren!
Das Restaurant hat eine famose Aussicht auf die anderen Inseln des äolischen Archipels bis hin zur Küste von Sizilien. Drinnen erlebt man eine interessante Mischung aus Rustikalem, äolischen Landhausstil und Inselkitsch sowie Wachstuch-Decken, Tongeschirr und geschmackvoll selbst geknüpften Bildern als Abdeckung für Wasweißich. Ein Kühlschrank im Gastraum, ein altes Radio, ein Sessel mit Schonbezug im Wachstuchmuster – alles perfekt. Das Essen aber (ich bin geneigt zu schreiben: natürlich) prima: passabel frisches Brot, Tintenfischtuben im Rotweinsud, frittierte Auberginen, Oliven als Vorspeise, Spaghetti mit würzigem Sugo, Salat und etwas totgegarter panierter Fisch. Dazu Rotwein, Wasser: bene.
[Restaurant besucht am 14. Mai 2011]
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