Und stündlich rungst der Berg. Mindestens. Von vielen Punkten der Liparischen Inseln aus hört man nichts, sieht aber die Rauchwolken und, manchmal, nächtens ein rotes Glühen. Wenn man auf der Insel ist, donnert es noch häufiger, manchmal weniger, manchmal mehr. Das ist normal. Nicht normal waren die Eruptionen 2002, deren letzte (am 29. Dezember) zu einem Tsunami führte. Die Insel wurde für zwei Monate evakuiert. Der Berg tobte immer mal wieder, Lava floss die Sciara del Fuoco, der Feuerstraße am Hang der (aus gutem Grund!) nicht bewohnten Inselseite, ins Meer.
Ganz klar, dass in dieser Zeit das Besteigen des Stromboli nicht gestattet war. Seit 2007 ist’s wieder erlaubt – allerdings nur mit Führer. Kontrolliert wird auch: Sehr sportliche Typen hirschen durchs Gelände und kassieren 500 Euro Bußgeld von jedem, der nicht zu einer Gruppe gehört. Da ist es dann doch günstiger, 25 Euro (plus drei für die Gemeinde) zu bezahlen. Wir wählten die symphatischen Jungs von Magmatrek , deren Büro praktischerweise gleich neben der Chiesa di San Vincenzo liegt, an der die Touren beginnen. Wer mag, kann ja vorher rein – aber ob’s bei dem knapp tausend Meter langen Aufstieg hilft?
Zu den Bedingungen des geführten Aufstiegs gehört: Kleine Gruppen. Und nicht länger als 30, maximal 45 Minuten oben am Krater stehen. Aber da sind wir ja noch lange nicht, denn erst mal geht’s hoch. Steil hoch. „Wer den Teil schafft, schafft auch den Rest!“ hatte der Bergführer versprochen und uns damit Mut gemacht: Wir waren gleich am ersten Abend den führerfreien Weg zur Sciara del Fuoco entlang gewandert: Bis 400 Meter geht’s ohne Begleitung, und dieser Weg endet bei 390 Metern. Gut gemacht! Wir marschieren aber weiter, den neuen Weg aus dem Jahr 2004 hoch, den man sich nach den Ausbrüchen von 2002 ausgedacht hat. Der andere war teils weggebrochen, teils wohl zu gefährlich. Ein bissel Angst muss sein: „Bis hierhin könnten die Steine fliegen, wenn der Stromboli jetzt ausbräche!“ Tut er aber nicht, vielen Dank dafür.
Im Gänsemarsch geht’s stramm hoch, mit zwei Pausen. Nach drei Stunden etwa sind wir am Gipfel, es fehlen nur noch wenige Meter – da macht es rrrrrummmsfauchkrabumm. Diesen wahrscheinlich wunderschön anzusehenden Ausbruch haben wir also verpasst! Oben angekommen, bauten sich alle in Reih und Glied auf: Stative raus, Kamera drauf, ausrichten auf einen der vier aktiven Krater und warten. Zack – natürlich geht einer der anderen drei los. Bevor man’s merkt und die Kamera ummotiviert hat, ist es zu spät (und mit ein wenig Glück macht zwischenzeitlich der ursprünglich fixierte Krater los). Für die Vulkanführer ist es abendliches Brot, für die Touris Nervenkitzel.
Die Stimmung oben ist eine eigenartige Mischung aus Ehrfurcht vor der Natur und Proll-TV-Sensationsgeilheit. Der Berg wird ausgeschimpft, wenn er nicht Feuer spuckt und angehimmelt, wenn er fotografenfreundlich Magma speit. Idealerweise nur so viel und so lange, dass Fotos und Filme für die Freunde im Kasten sind und keinesfalls so verwegen reichlich, dass es Asche regnet. Die gute Ausrüstung!
Tja, die gehört für den Rückweg sowieso gut verpackt, denn bergab geht’s (nun im Dunkeln, also bitte Taschenlampe oder noch besser Stirnlampe nicht vergessen) durch ein Aschefeld Rina Grande im Osten der Insel. Hei, das stiebt so fein! Halb rutschten wir, halb stapften wir – und kamen dann doch fröhlich vergnügt und feuerbeseelt am Ausgangspunkt der Wanderung an, wo sich – welch göttlicher Zufall! – die Allroundgaststätte von Ingrid befindet. Ritrovo Ingrid ist Bar, Restaurant, Pizzeria oder, in einem Wort, das Wohnzimmer der Insel, das immer einlädt: morgens zum caffèe, mittags zur Pizza, nach der Vulkanbesteigung zum zischenden Bier.
Juliblatt des Kalenders 2014 (zwei weitere Stromboli-Geschichten gibt es zu den Februar– und Juni-Blättern).
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