Eigentlich ist Herr Wu ja Maschinenbauer. Während des Studiums in Berlin, wo er den Doktor machen wollte, jobbte er schon mal in Chinarestaurants. Die üblichen hierzulande: Glutamat schmeckt doch allen! Aber mit seinen eigenen Geschmacksnerven passte das irgendwie nicht zusammen – und als er 1989 nach dem Tian’anmen-Massaker aus verständlichen Gründen doch nicht, wie ursprünglich beabsichtigt, heim nach China wollte, passierte für die Berliner Gourmet-Landschaft etwas ganz Wunderbares: Herr Wu eröffnete 1992 im Tiergarten sein erstes eigenes Restaurant. Und es war anders als die Anderen.
„Herr Wu hat sich seine Leidenschaft mühsam ertrunken und ist vor allem dem deutschen Riesling erlegen“, schreibt Hendrik Thoma, was doch eine sehr schöne und vorbildliche Formulierung ist. Er besuchte Herrn Wu in seinem Restaurant in der Eisenzahnstraße, die vom Ku’damm abzweigt. Seit 2007 gibt es dort den Hot Spot – was weder irgendwie sexy klingt noch von außen so aussieht, dass man da freiwillig nicht reingehen würde, so in der Art „noch’n Chinamann“. Aber da ich im Vorfeld meines Hauptstadtbesuchs den Tipp von einem bekannten Berliner Sommelier bekommen hatte, war mir einmal mehr klar: Wer auf Äußerlichkeiten achtet, kann viel verpassen. Also vorab Tisch reserviert (was für diesen Samstagmittag nicht nötig gewesen wäre, aber sicher ist sicher) und munter fürbass hinein geschritten.
Was wir nach den Vorgesprächen ahnten, offenbarte sich schon beim Hineinkommen: Der Laden ist weinlastig. Vor der Theke und auf der Theke stehen jede Menge (leere) Weinflaschen. Große Bordeaux, feinste Rieslinge. Das könnte ein schönes Wohnzimmer werden, wenn es von Dresden nur nicht so weit wäre (andere Gäste scheinen es so zu nutzen und kamen offensichtlich als Stammgäste, die wissend bestellten). Ich hatte erst einmal zu tun mit der Karte: Die ist nicht ganz so üppig wie beim Standard-Chinesen, aber ähnlich aufgebaut. Was auf jeden Fall anders ist: Die Speisen nach Rezepten aus den Provinzen Sichuan, Jiangsu und Shanghai werden aus frischen Zutaten und garantiert ohne Glutamat zubereitet. Aber der Teil, der sonst schnell durchforstet ist und meist beim Pils endet, kostet Lesezeit: Weine, Weine, tolle Weine! Zwölf offene Weißweine zu sehr manierlichen Preisen und sieben Seiten Flaschenweine, hauptsächlich (aber nicht nur) Deutschland und Frankreich. Wer will und mag, kann sich auch einen 1990 Château Margaux für 1.590 Euro bestellen. Ich trank zum Essen (dazu gleich mehr) einen 2011 Zeltinger Himmelreich Riesling Kabinett feinherb vom Weingut Markus Molitor an der Mosel und einen 2008 Riesling Spätlese Ürziger Würzgarten restsüß vom Weingut Jos. Christoffel jun., auch an der Mosel (beide 6,90 € für 0,2 l).
Die Weine hatte die Bedienung empfohlen, nachdem ich bestellt und den Weingeschmack mit „Riesling“ grob vorgegeben hatte. Beides typische Mosel-Rieslinge, mit feiner Frucht und schönem Säurespiel. Dazu gab’s eine Sauer-scharf-Suppe (3,90 €), die schon mal eine positive Überraschung war: reichhaltig, mit Schweine-Hackfleisch, Ei und Gemüse. Zwei Pepperoni auf der Karte signalisieren: mittelßarf – so wie auch die beiden folgenden Gänge. „Besonders die durch würzige oder scharfe Gerichte angeregten Geschmacksnerven lassen sich durch diesen frischen und zartfruchtigen Tropfen mit einer gewissen Restsüsse wieder neutralisieren,“ sagt Herr Wu.
Bang-Bang-Ji (Hühnerfleisch in kleinen Streifen mit Erdnuss-Chiliöl-Sauce. 5,90 €) war da die erste wirkliche Probe aufs Exempel – zur Suppe hatte ich noch Wasser getrunken. Nun aber Riesling versus einer kleinen Geschmacksexplosion im Mund. And the winner is: Das Maul! Als Hauptgang kam eine der Spezialitäten des Hauses, Mit Salz gebratener Schweinebauch (in dünnen Scheiben mit China-Kohl, Paprika und Möhren; ein sehr bekanntes Gericht aus der Sichuan-Küche, mit Knoblauch. 13,00 €), natürlich mit reichlich Reis. Saftig-würziges Schweinefleisch mit einer leicht hinterfotzigen Schärfe – dazu die restsüße Spätlese von Christoffel: Oh wie schön ist’s bei Herrn Wu! Also hob ich das Glas auf den Tippgeber und trank ihm zu, mit seinem Motto im Sinn: „Ein Leben ohne Riesling ist zwar möglich, aber sinnlos!“
Restaurant Hot Spot
Eisenzahnstr. 66
10709 Berlin
Tel. 030 / 89006878
http://www.restaurant-hotspot.de/
Geöffnet: täglich 12 – 23 Uhr
[Besucht am 22. November 2013]
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