Wir waren in der Bar Bonnino und genossen eine schöne Mittagspause mit heimischem Wein: Quattropani ist, was den Weinanbau anbelangt sicher noch einen eigenen Besuch wert – den Spitzenwinzer des Dorfes (und der Insel!) hatten wir ja nicht in seinem Weingut, sondern bei der Weinprobe in der Enoteca kennen gelernt. Was nicht ist, kann ja noch werden (es wurde, 2017…)!
Der kleine Spaziergang durch Quattropani zur Mittagszeit ist beschaulich. Viele Blumen auf den Wiesen rund um die Häuser, natürlich kaum ein Mensch in den Gassen zu sehen. Wir erwischen eine der seltenen Gelegenheiten, Salina jenseits der nur wenige Kilometer breiten Meerenge zwischen den Inseln wolkenfrei zu sehen – aber eben schnell rüber geht nicht, eine Fährverbindung gibt es nur ab Lipari. An der Kirche des Ortes gehen wir vorbei – unser Ziel ist die alte Kirche, die chiesa vecchia, etwas außerhalb des Ortes. Es gibt eine Straße dahin – wer mag, kann also auch anders als per pedes zum Ziel gelangen. Ob man vom Auto oder Motorroller allerdings den großartigen Ausblick gefunden hätte, der sich uns nach einem neugierigen Abstecher nach links auf einen Nebenpfad auftat, bezweifle ich. Ein rot-grün-gelbes Meer vor dem Hintergrund mit Salina, Filicudi und Alicudi im blauen Tyrrhenischen Meer.
Die Kirche ist klein, der Platz davor riesig. Peter Amann bringt’s in seinem Lipari-Wanderführer auf den Punkt, wenn er diese EU-Spende „ebenso großzügig wie geschmacklos“ bezeichnet. Zum Ausgleich ist es im weiß getünchten Kirchlein so schlicht wie man es erwartet, und hinter der Kirche erwarten Wandersmann und Wandersfrau die bezauberndste Landschaft mit teils bizarren Felsen und glorreichen Ausblicken. Ein Weg führt um diesen Teil von Lipari, so dass man sich nacheinander einen Blick auf die Nordküste Liparis mit Salina (jaja: und Filicudi, Alicudi) und beim Rückweg Panarea und den Stromboli genießen kann. Man rastet nett – entweder im Gras oder auf Bänken. Prädikat: sitzenswert (und für Showeinlagen sorgen Geckos und Ameisen, die sich über herunterkrümelnden Käse hermachen).
Der Weg von der Kirche runter nach Acquacalda ist mal so und mal so – wir sind ihn 2011 gegangen und 2014: damals war er gut begehbar, wir sahen einen (mehr oder minder breiten) Lehmpfad. 2014 sahen wir üppigen Pflanzenwuchs und ließen uns die Waden von allem streicheln, was man Macchia nennt. Was unten piekste und allerlei Getier Raum zum Kuscheln bot, sah von oben meist sehr hübsch aus. Anders formuliert: Schön zu fotografieren, nicht leicht zu laufen. Zwischendurch wurde es mal übersichtlicher, wir sahen den alten Pfad mit groben Natursteinen – aber gerade nachdem wir uns zu freuen begonnen hatten, verschwanden die auch schon wieder im Dickicht. Aber: schlimmer wurde es nicht, der Weg immer erahnbar. Dennoch waren wir froh, die Straße von Quattropani nach Acquacalda zu sehen.
Acquacalda ist ein kleines Dorf im Wandel. Früher gab es hier mehrere Verladerampen – doch mit Bimssteinabbau ist nichts mehr: erst ließ die Nachfrage nach, dann kam die Unesco mit dem Welterbe-Titel und stellte alles unter Schutz. Alles? Nein, fast alles: Die Laderampen verschwinden immer mehr. Das ist nun mal wirklich schade, denn diese technischen Denkmale wären durchaus erhaltenswert gewesen. Wir sahen sie 2007 (als wir bei einer Wanderung von Canneto kommend uns vom Bimsberg Monte Pilato von Süden näherten) und waren begeistert – obwohl sich da der Verfall schon kräftig andeutete. 2011 war von unserer Lieblingsladerampe (was wir so haben…) nur noch der Endstummel zu sehen, 2014 gab es lediglich noch einen jämmerlichen Rest des zweiten Anlegers.
Den müsste man eigentlich re-aktivieren, um von Acquacalda nach Salina zu kommen – und umgekehrt von dort nach Acquacalda. Der Grund könnte abstrakt gesehen jeweils der gleiche sein: Eine köstliche granita zu löffeln! Auf Salina in Lingua bei da Alfredo und auf Lipari im Aurora Cafè mit neuen Besitzern, die ein wenig Schwung in das etwas verschnarchte Acquacalda bringen wollen. Zumindest die Terrasse im Meer (also auf dem normalerweise trockenen Uferteil, bei Sturm mag das anders aussehen) und die Typen mit ihrer charmanten Art („Ihr müsst nicht zur Haltestelle, ich halte den Bus für Euch an!“) haben uns gut gefallen!
Natürlich gibt es auch Konstanten im aufregenden Leben von Acquacalda. Die treffliche Qualität der granite im Aurora wurde ja schon erwähnt. War 2007 gut, 2011 immer noch und 2014 wieder. Was mich bei der Durchsicht der alten und neuen Bilder dann aber doch ein wenig vergnügt machte, war etwas anderes. Wir hatten nämlich, in der Bar sitzend, 2007 ein Bild von den Männern auf der gegenüberliegenden Straßenseite gemacht. Drei saßen auf der Mauer, einer stand davor. Sie unterhielten sich – so ist das bei italienischen Männern – ausdauernd und prächtig. 2014 saßen wir an gleicher Stelle, und auf der Mauer gegenüber saßen dieses Mal vier Männer (und ein Kind). Ihnen gegenüber stand der neue Chef der Bar. Und wer sitzt, wenn man so drauf sieht, jeweils rechts neben dem Stehenden? Genau: der gleiche Typ! Immer gut drauf, offensichtlich. Beim dritten Mal muss er einen ausgeben! Oder wir???
Noch einmal kurz zurück zum Bimsstein. Auf der Überfahrt von Lipari nach Salina sieht man sie auf jeden Fall, die weißen Berge mit den aufgelassenen Fabrikgebäuden – und das Türkis im Wasser kommt ja auch nicht von ungefähr: der weiße Bimssand macht’s möglich. Was man auch sieht, ist der Raubbau an der Natur. Wenn die da so weiter gemacht hätten, wäre der 476 Meter hohe Monte Pilato noch ganz platt gemacht worden. Gesund war das Zeuchs übrigens auch nie, von Thomas Schröder erfahren wir im Reiseführer (Michael Müller Verlag 2014:147), dass „der feine Staub, der beim Abbau entsteht, … für eine spezifische Lungenkrankheit verantwortlich [ist]: Die Silikose (eine Form der Staublunge), auch „Liparose“ genannt, brachte früher vielen Arbeitern der Bimssteinwerke den frühen Tod.“ Dann doch lieber Touristen – die können zwar auch nervtötend sein, aber wenigstens gehen sie auch mal wieder!
Be the first to comment