Werner Hößelbarth ist Architekt, er mag und kümmert sich gerne um kulturhistorisch wertvolle Baudenkmälern. Wer ihn als Architekten kennt, trifft ihn nie ohne Fliege. Aber auch im heimischen Weinberg ist alles ein wenig Fliege! Kein Wunder, schließlich sind wir hier auf dem Fliegenwedel. Oben thront der Jacobstein, die weithin sichtbare Sehenswürdigkeit dieses Teils der sächsischen Weinkulturlandschaft. Und unten fällt das Haus auf, dessen Kauf 1985 sicher ein Abenteuer war für die junge Familie Werner und Viola Hößelbarth – war ja nicht wirklich einfach in jenen Zeiten, ein vorzüglich heruntergekommenes altes Winzerhaus aus seinem desolaten Dornröschenschlaf zu befreien.
Aber mit Fach- wie Sachverstand, mit Geduld und den ganz anderen Möglichkeiten nach 1990 wurde es dann was, Haus Fliegenwedel war 1995 (weitgehend) saniert – inclusive den Resten der einstigen barocken Ausmalung im ersten Geschoss. 1998 verlieh die Stadt Radebeul den Bauherrenpreis für die gelungene Sanierung. Aber das Haus ist eins, das andere ist der Weinberg dahinter: Auf 0,2 ha wachsen Müller Thurgau, Traminer und Spätburgunder. Die Süd-Lage ist vorzüglich, der Fliegenwedel gehört zum Radebeuler Johannisberg, sein bekannter Nachbar ist das Schloss Wackerbarth. Steil geht es hoch, das Gelände ist terrassiert, die Stufen hoch sind alt und eher für privates Begängnis geeignet, weil nicht normgerecht und bequem. Aber sie helfen, denn ohne sie macht’s noch mehr Mühe – hoch wie runter.
Die Hößelbarths haben den Weinberg nur allzu gerne mit übernommen und trotz anfangs kaputter Trockenmauern ihn von Anfang an gehegt und gepflegt. Drei Terrassen wurden neu aufgerebt, der Wein im eigenen Gewölbekeller ausgebaut. Den Gästen des Hauses schmeckte er – und Sohn Felix hat offensichtlich mit Interesse zugesehen: Er studierte Weinbau in Geisenheim und ist seit 2008 Leiter Weinbau / Kellerwirtschaft im Weingut Hoflößnitz.
Vor zwei Wochen waren wir am Anfang einer kleinen Weinwanderung im Fliegenwedel und durften den Müller-Thurgau probieren – aus dem Fass (na eigentlich aus dem Krug, aber der wurde direkt aus dem Fass gefüllt). Auf dem Fliegenwedel gönnt man dem Wein Zeit zum Reifen – andere hiesige Winzer sind ja im August schon ausgetrunken, und die haben durchaus mehr Fläche im Anbau.
Als wir dann durch den Weinberg stapften, um uns die Reben anzusehen, müssen wir feststellen: Irgendwann brauchen wir mal Nachhilfe, um Weine auch dann schon unterscheiden zu können, wenn sie noch nicht im Glas sind. Plötzlich riecht es nach Orangen. Orangen in Radebeul? In der Tat: Der Herr Hößelbarth spritzt die Trauben mit einer Mischung aus Orangenöl und Backpulver. „Diese natürlichen Stoffe wirken hervorragend gegen Pilzkrankheiten – und riechen tut’s doch auch gut!“ meint Werner Hößelbarth. Auf die chemische Keule verzichtet er gerne im Weinberg – aber auf den schicken Schutzanzug natürlich nicht!
Eine Woche später waren wir dann wieder da – um bei der Abfüllung des 13er Müller zu helfen. Bei so einem kleinen Betrieb läuft das natürlich in Handarbeit ab. Die (am Vortag ausgewaschenen) Flaschen werden mit einer Schwefellösung ausgespült: ein Springbrunnen, besser ein Sprühbrunnen. Die Lösung fließt aus den Flaschen, die kopfüber im Korb stehen, heraus, der flüchtige Schwefel verdunstet – man muss nur lange genug warten, bis die Flaschen unter die kleine Füllanlage kommen. Auch da sprudelt’s, aber dieses Mal bleibt der Wein drin, weil diesmal: kopfoben. Und damit’s auch so bleibt, kommt ein Korken rein, manuell mit einer kleinen Handverkorkmaschine. „Eigentlich könnten wir uns da ja auch Manufaktur nennen!“ meint Viola Hößelbarth und lacht.
Tun sie aber nicht, sondern drucken seit 2010 „Weingut Fliegenwedel“ auf die Etiketten, so dass nicht nur Freunde des Hauses in den Genuss der Fliegenwedel-Weine kommen. Eine Besenwirtschaft gibt es zwar nicht, aber die alte Presshalle ist donnerstags bis samstags am Nachmittag zum Flaschenverkauf geöffnet – und da kann man auch ein Gläschen probieren. Beim alljährlichen Tag des Offenen Weingutes im August öffnen die Hößelbarths ihr Weingut (2014 am 30. und 31. August). Da geht es dann, um einen von Werner Hößelbarth gern rezitierten Spruch zu bemühen, ums Genießen im barocken Ambiente: „Karl May und Radebeul sind weltbekannt doch ganz besonders edel der gute Wein vom Fliegenwedel“! So stand’s zumindest auf dem Etikett des 2010er Traminer…
Weingut Fliegenwedel
Viola und Werner Hößelbarth
Am Jacobstein 40
01445 Radebeul
Tel. 0351 / 83 09 786
xweingut-fliegenwedel.de
Geöffnet (aktualisiert 2024):
„Wir haben keine festen Öffnungszeiten. Sie können aber jederzeit eintreten und uns herbei läuten. Wenn wir da sind, bedienen wir Sie gern.“
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