Mal ganz ehrlich: Warum finden wir’s denn in Italien so schön? Weil dort die Sommerabende lau sind? Können wir auch, manchmal jedenfalls. Weil sie dort so gerne Wein trinken? Ach, komm – das können wir hier doch auch! Weil die Leute den Wein nicht so steif trinken, sondern locker an der langen Tafel sitzen – draußen natürlich, manchmal sogar auf der Straße oder auf Plätzen? Okay, zugegeben: Da muss man hier schon länger suchen. Aber es geht: In Radebeul vor Gräfes Wein & fein saßen wir am vergangenen Wochenende an genau so einer langen Tafel – Biertischgarnitur zu schreiben wäre zwar wahrheitsgemäß, aber angesichts der Tatsache, dass an diesem Abend zwölf Rieslinge verkostet werden sollten, vielleicht doch ein schiefes Bild.
Wir saßen also wie die Toskaner (heißen die so? oder sind das die Toscanesen???) bei La Vialla, wenn auch nicht unter Pinien, sondern unter den Wahlplakaten für die Landtagswahl. Very romantic, aber die Dämmerung schlich sich rein und umhüllte den Kandidaten, während unter ihm die Stimmung zusehend besser wurde. „Die Gemischte Bude probiert Riesling“ lautete das Motto des Abends, der nahezu folgerichtig mit einem Sekt (Riesling von Vaux), Rosé von Knipser oder einem Craft-Beer begann. Und siehe da, Von Freude Boulevard ist ein süffiges leichtes zitrussiges Obergäriges, das den Staub der Woche schon mal primstens wegputzt. So muss Riesling anfangen! Und, damit es dann auch konzentriert zur Probe gehen kann, gab es erst mal: Abendbrot.
Foccacia, Graubrot, Käse, Wurst, Mett – solche Sachen. Einfach und gut, unkompliziert wie der ganze Abend. Nach diesem warming up begann dann der zwölfteilige Ernst des Abends. Zwölf ordentliche Rieslinge – wer mag da die Reihenfolge festlegen? Die Idee: Fortuna macht’s. Matthias Gräfe, Ideengeber der Gemischten Bude und Organisator/Hausherr des Abends, hatte die Rieslinge notiert – und die Gäste würfelten die Reihenfolge aus. Wenn ich das richtig sehe, wurde dabei nur so viel gemogelt, dass die Reihenfolge besser wurde!
Egal, was gewürfelt wurde: Es war garantiert ein 2012er Riesling, es war immer ein anderes Weingut – und es war immer ein Einstiegswein des Gutes. Die Weine (in der Reihenfolge des Probierens):
- 2012 Riesling / A. Clüsserath / Mosel
- 2012 Riesling / Nik Weis / Mosel
- 2012 Riesling / Schätzel / Rheinhessen
- 2012 Riesling / Corvers Kauter / Rheingau
- 2012 Riesling / Reichsrat von Buhl / Pfalz
- 2012 Riesling / v. Othegraven / Mosel
- 2012 Riesling / Mugler / Pfalz
- 2012 Riesling / Klumpp / Baden
- 2012 Riesling / R. Weil / Rheingau
- 2012 Riesling / Liebfrauenstift /Rheinhessen
- 2012 Riesling / Knipser / Pfalz
- 2012 Riesling / Wageck-Pfaffmann / Pfalz
Trinken war Pflicht, austrinken nicht. Die Menge des nicht getrunkenen Schlucks könnte ein wunderbares Thema abgeben für weinsoziologische Untersuchungen über gemeinsame Geschmacksfindung in einer Gruppe von etwa 30 weinaffinen Frauen und Männern. Herrlich. Bei uns gab’s neben den profundesten Weinbeschreibungen („boh, lecker!“ – „mehr davon!“) auch fachmännische Kommentare, zumal Matthias Gräfe alle Weine locker-informativ vorstellte. Alle bis auf zwei, die die Gemischtbudenwinzer Andreas Kretschko und Stefan Bönsch vorstellten. Aber wie will man am nächsten Morgen Notizen wie „Urologenwein“ oder „Eisbonbonnote“ nüchtern kommunizieren? Eben. Wir halten es da eher mit den Wanderern, denen der Weg das Ziel ist und lassen einfach den Schluck das Ziel sein…
Gräfe’s Wein & Fein
Hauptstrasse 19
01445 Radebeul
Tel.: 0351 / 8 36 55 40
www.graefes-weinundfein.de
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