Ach wie ist das Leben,
ungesund.
Immer einen heben
Immer gibt’s nen Grund.
Immer sich vergeben /
Aus den Händen legen
Immer mit dem Mund
Gläser trinken müssen/
Kuß um Kuß zu küssen
Auf dem Erdenrund.
(Aus „Kamper Trinklied“ von WENZEL)
Mal eine Frage unter uns: Glauben Sie an die Kraft positiver Energie? Solche, die beispielsweise von einer Menschenansammlung ausgeht? Und die bewirkt, dass ein Gewitter links und rechts und hinter diesen Menschen blitzt und donnert, aber nicht über ihnen? Also: Ich glaube da nicht dran. Aber ich habe das erlebt, genau so. Samstagabend vorm Goldenen Wagen, im Garten des Weinguts von Karl Friedrich Aust. Die erste Lange Gartennacht mit einem Konzert von Hans Eckardt Wenzel. Da hätte Regen oder Gewitter gar überhaupt nicht gepasst.
Es hätte ja noch mehr schief gehen können. Wenzel kam aus Eisenach – mit dem Zug. Aber die Züge wurden morgens bestreikt. Hat dennoch geklappt, rechtzeitig zu einem Glas Riesling vor dem Konzert und zu Gesprächen mit Freunden im Garten war er angekommen. Anders als sein Equipment: Das sollte aus Berlin kommen, mit dem Techniker. Aber es gab ’ne Panne, also neues Auto und umladen und geradeso zum angepeilten Konzertbeginn ankommen. Zusammen mit den Gewitterwolken. Statt Soundcheck gab es einfach ungeplante Lieder mit Reglerbeteiligung bei schnell fasziniertem Publikum – wobei an den Reglern nicht irgendwer saß, sondern mit Thommy Krawallo ein Mitglied der Band von Wenzel. Später kam er dann auch auf die Bühne, was den Sound um hundert Prozent fetter machte…
Aber einige mögen es ja lieber weniger fett – und für die ging es bis zur Pause mit Wenzel solo eben auch schon hundertprozentig zu. Mindestens! Denn Wenzels Lieder sind immer überm Soll, weil alles passt. Die Texte zeitlos kritisch, fast schon beängstigend. „Nichts bleibt geheim“ von einer LP aus dem Jahre 1988 klingt nachgeradezu peinlich aktuell. Bei politischen Dingen ist das ja nicht unbedingt erfreulich – anders als bei der Kategorie Liebesleidundlust. Die ist bekanntlich eine der Konstanten zwischenmenschlichen Beisammenseins. Und da darf’s dann auch mal ein etwas älterer Text sein, Mignons Lied von JWG, vertont von Wenzel. Auch ein Weg, sich nach etwa 220 Jahren dem Dichter zu nähern.
Natürlich darf bei einem Konzert im Garten eines Weinguts die Kategorie Wein nicht fehlen. Immerhin begann die Freundschaft zwischen dem Winzer Aust und dem Liedermacher Wenzel mit einer Anfrage, einen Text für ein Etikett verwenden zu dürfen. Der geplante Wein war so besonders, dass es ihn immer noch nicht gibt – aber wer weiß, vielleicht kommt ja noch mal eine Sonderedition irgendeines schönen Rieslings (und ein anderer kommt doch wohl nicht in Frage, oder?) mit einem Wenzel-Text. Bis dahin muss er den ganz normalen trinken, den es bei Aust gibt. „Füllt die Gläser, sucht nicht nach Gründen!“ singt Wenzel im Weinlied, denn „Ohne Wein wär‘ dieses Leben tragisch!“ Wie gut, dass auch dieses Konzert eine Pause hatte, da konnte, wer wollte, nachfassen.
Nach der Pause gab’s natürlich keinen Bruch, auch wenn das Personal auf der Bühne sich verdoppelte. Aber Thommy Krawallo ist ein perfekt passender Begleiter, der (vor allem am Bass) die wunderschönen Melodien mit trägt und (elektrisches) Klavier, Akkordeon und Akustikgitarre von Wenzel aufs allerfeinste ergänzt. Und ein wenig Schwung braucht das gemächliche sächsische Publikum schon manchmal, um in die Refrains einzufallen und mitzusingen, wenn Hans Eckardt Wenzel fußhebend dazu auffordert. Aber am Ende des Abends, als das Gewitter definitiv besiegt und eine jede und ein jeder im Publikum sich in irgendeinem Lied (mindestens!) wiedergefunden hatte, waren sich beim (eingangs zitierten) Kamper Trinklied dann doch alle einig und machten hörbar mit. Auch wenn keiner am Hafen stand – das Privileg bleibt den Konzertbesuchern in Kamp vorbehalten…
Weingut Aust
Weinbergstrasse 10
01445 Radebeul
Telefon +49 351 / 8338750
http://www.weingut-aust.de
Ich war bei diesem Konzert dabei und es war aus den verschiedensten Gründen etwas ganz Besonderes, sehr Wertvolles! Nach dem Konzert wurde am Lagerfeuer weitergesungen. Der Wenzel-Text „Lasst uns verweilen diese Stunden“ war wie geschaffen für diesen Moment, Wenzel spielte Gitarre und die Lagerfeuerrunde sang im Chor! Wunderbar! Dank an die Organisatoren verbunden mit der Hoffnung, dass diese Abende Tradition werden!