Fledermäuse spielen in unserem Leben eine wichtige Rolle. Dresdner können da viel zu erzählen, denn ohne die Kleine Hufeisennase wäre der Streit um die Waldschlößchenbrücke viel weniger dramatisch verlaufen. Wie viele Hufeisennasen es denn wirklich in Dresden an der Elbe gibt? Keine Ahnung, so genau scheint niemand gezählt zu haben. Aber auf Sardinien, wo in der Grotta di su Marmuri vier verschiedene Fledermausarten überwintern, hat man sie gezählt: 27.000 waren in der Höhle!
Wenn die Fledermäuse kommen, müssen die Menschen draußen bleiben – und wenn die pipistrelli (wie Fledermäuse auf italienisch heißen) sich im Frühjahr wieder verduftet haben, dürfen die Besucher wieder rein. Nicht allein, sondern mit fachkundiger Führung – allein, wusste unser freundlicher guide Antonio zu berichten, würden sich einige Menschen nicht benehmen und Grafitti an die Wände schmieren (Batman was here!) oder sich an den Stalagmiten und Stalaktiten vergreifen. Souvenirs, Souvenirs…
Die Höhle liegt etwa einen Kilometer von der Ortschaft Ulassai entfernt in der Provinz Ogliastra an der Ostküste Sardiniens. Sie soll die größte Tropfsteinhöhle Sardiniens sein, meinte Antonio – und der sollte es wissen, schließlich studiert er Tourismus in Cagliari! Andererseits ist er auch aus der Gegend, und natürlich hört man neben dem mannigfachen Fachwissen auch immer ein wenig Stolz heraus auf seine Stadt, seine Gegend (aber nicht unangenehm!).
Viele Höhlen erkämpfen sich die Demut der Besucher damit, dass sie (die Besucher) erst einmal ein wenig bergan steigen müssen, um dann in etwa die gleiche Höhe wieder runter zu stapfen. Das gehört zum Schauspiel, damit man dann gleich mal „Aah!“ und „Ooh!“ sagen kann, wenn die ersten Lichter in der Höhle angeknipst sind. Unsere kleine Besucherrunde sagte: nichts. Denn vor lauter Beeindrucktsein blieb allen der Mund erst einmal offen. Imposant die Ausmaße des ersten Raumes, der sich uns öffnete – soooo hoch geht das da! Wobei so mit vier o in Zahlen ausgedrückt etwa 35 Meter heißt. Da passt ein 14stöckiges Hochhaus rein! An einigen Stellen geht’s noch höher, bis zu 70 Meter hoch wölbt sich der Raum über uns kleine Menschlein, die wir unten – einmal nach 200 Stufen bergab dort angekommen – herumlaufen.
Stalagmiten (das sind die, die von unten nach oben wachsen) und Stalaktiten (die von oben nach unten wachsen) entstehen nicht von jetzt auf gleich. Ein Kubikzentimeter in hundert Jahren, so eine Faustregel für die Gebilde, die sich formenreich vor und über uns auftaten. Der größte Stalagmit ragt übrigens 20 Meter hoch auf und ist ein ziemlich phallischer Lümmel. Aber derlei Bilder entstehen natürlich nur im Kopf und sind von der Natur nicht wirklich so gemeint – die will ja nur spielen.
Wirklich großes Kopfkino bereitet allerdings ein anderer Fels. Was wir denn sähen, wollte Antonio wissen. OK: das Gesicht eines Affen. Oder nein, vielleicht: das Gesicht eines Orang-Utans. Also irgendwas in dieser Richtung.
Wenige Meter weiter auf unserem Weg in die rund einen Kilometer lange Höhle hieß uns Antonio nochmals umdrehen und den Felsen beschreiben. Was wir denn nun sähen? Oha! Ein wunderhübsches Gesicht eines jungen Mädels? Vielleicht… Antonio hub es ins Allgemeine und Philosophische: Mit nur wenigen Schritten hätten wir die Evolution beobachten können – und das ganz ohne den dicken Wälzer von Darwin lesen zu müssen: vom Affen zum Menschen. Ist es nicht herrlich?
Ja, wunderbar all das. Wie auch die zahlreichen anderen Details, vom ehemaligen Wasserstand in der Höhle über die Fledermauszählaktionen bis hin zu den Theorien, wo und wie es denn weitergehen könnte mit und in der Höhle, die nur einen bekannten Eingang hat. Spannend und kurzweilig, wie man nach fast zwei Stunden bei konstant zehn Grad Lufttemperatur mit großer Luftfeuchte zusammenfassen könnte.
Grotta su Marmuri
08040 Ulassai (OG)
Geöffnet von Ostern bis Oktober
Eintrittszeiten:
April und Oktober um 11-14.30-17 Uhr
Mai, Juni, Juli und September um 11-14-16-18 Uhr
August um 11, 13, 15, 17, 18:30 Uhr
Preis: 10 € pro Person
[Besucht am 27. September 2015]
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