Gruppensex und Waltzing Mathilda

Dinnershow-Premiere Cabaret im Palais

Cabaret im Palais

Der Abend bestand aus mindestens drei Teilen: einem kulinarischen, einem philosophischen und einem unterhaltsamen. Versprochen waren uns „Musik, Gesang, Humor, Tanz, Erotik, Artistik und jede Art von Sinnlichkeit“. So steht’s zumindest auf der Webseite von Cabaret im Palais, der diesjährigen Dinner-Show im Kurländer Palais – und wir fragten uns im Vorfeld, was uns wohl bei jeder Art von Sinnlichkeit erwarten würde?

EviHeiße Luft, auf jeden Fall. Will heißen: es ist mollig warm im Palais, und da auf den Tischen fünfarmige Kerzenleuchter für stimmungsvolles Licht sorgten, stieg die Temperatur auch noch. Miss Evi, die durch „die sinnlich-glamouröse Weihnachtsshow“ (Webseitentext) führt, kündigte sich, die Show und die aufsteigende Hitze an – wegen der aufkommenden Erotik. Ob sie sich selbst dazu gezählt hat? Ich denke nicht, denn viele Fummel allein sind ja noch keine Erotik, selbst wenn sie, geliftet, den Blick auf ein wenig Netzstrumpfoberschenkel frei geben. Doch nach der im Fachjargon passenderweise warm up genannten Gerede wurd’s dann in der Tat heiß: Miss Evi begann zu singen. Und das war dann doch der Beginn eines wundervollen Abends, denn diese Stimme…

…diese Stimme von Evi Niessner ist mächtig gewaltig. Songs wie in den 20ern des vergangenen Jahrhunderts, Songs aus dem Musicals Cabaret – alles toll. Aber Gänsehaut gibt’s, wenn es bluesig wird oder funky. I feel good – besser könnte ein Liedtitel die Gefühlslage nicht beschreiben.

Mr. LeuAber Miss Evi ist nicht allein. Sie singt, zwei Musiker begleiten sie. Der eine: Mr. Leu. Im bürgerlichen Leben ist er der Ehemann von Evi Niessner, in der Show ihr Partner – die zweite Hälfte von Miss Evi und das Tier. Ein begnadeter Begleiter am Klavier und auch ein fabelhafter Sänger. Einer, der es schafft, nach dem Group Sex Song (zu dem dann gleich noch was zu sagen ist), nahtlos in das ruhige und lyrische Waltzing Mathilda überzuleiten und das Publikum damit nahezu mucksmäuschenstill zu bekommen: Respekt!

Michael CliftonNun zum Gruppensex. Also zum Song mit diesem Titel. Wenn das nicht endlich die versprochene Erotik pur ist! Michael Clifton kommt aus Denver (Colorado) und ist mittlerweile ein Berliner – er sitzt an der Schießbude und kann Jazz und Klamauk. Beim Cabaret ließ er den Klamauk raushängen, so wie hin und wieder seine beachtliche Zunge – sehr lasziv. Auf der Webseite gibt es den schönen Tipfehler, dass er Schalgzeug spielt, was ja irgendwie richtig ist – denn er treibt’s gerne auch am eigenen Körper. An entscheidenden Stellen nix an außer Schlagzeugutensilien. Plus einen Schlagdildo und Netzstrümpfe an extrem spindeldürren Beinen.

Isabel AnobianNeben der Musik, die den Abend abwechslungsreich und kurzweilig bestimmte, gab’s auch Artistik. Isabel Anobian machte allen Zuschauerinnen und Zuschauern einen schlanken Hals – mit einer Tuchnummer (schon wieder so ein erotisches Wort!) hoch über den Tischen. Gekonnt und von Miss Evi und den Musikern trefflich begleitet – schade, dass das ein einmaliges Vergnügen war!

TigrisZweimal trat Tigris auf – er gibt sich, lasen wir, seit seiner Jugend der Kontorsion hin und habe den schönsten aller Hüftschwünge gleich links neben der Elbe. Als Matrose kam er, mit nacktem Oberkörper und gut verpacktem Knackarsch (pardon!). Dass so ein gestandenes Mannsbild mit Hulahoop-Reifen rummacht, ist ja nicht selbstverständlich – aber wenn man weiß, dass Kontorsionisten bei uns Normalos meist Schlangenmenschen genannt werden, dann ahnt man ja schon, wozu die Reifen gut sind. Da geht weit mehr als Hüftschwung! Und beim zweiten Auftritt hat der gute Philipp, wie ihn seine Eltern nannten, dann gleich noch mehrfach einen drauf gesetzt und sich mit sich selbst dermaßen verknotet, dass er eine Inschrift auf seinen Fußsohlen hätte vorlesen können.

Cabaret: MenüEin paar Worte noch zum Essen, denn schließlich handelt es sich ja um eine Dinnershow. Das Amuse-Gueule wurde noch vor Betreten des Saals gereicht – Petit Fours vom Ziegenkäse auf Pumpernickel mit weißer Tomate, gebeizter Lachs mit Limettenaroma und Bulgur, würziger Ratatouille-Salat auf Olivencrostini waren mehr als Ohnmachtshappen. Auf den Tischen standen Brotkörbe mit dreierlei Aufstrich: Entenschmalz mit Röstzwiebeln, Basilikumbutter sowie Oliven-Crème-fraîche mit geröstetem Sesam.

Den Rest brachte ein flinker und dem Motto des Abends dekomäßig angepasster Service zwischen den Showteilen: Gut gelungen die Vanille-aromatisierte Steckrübencrème mit Parmesannocken (wobei es geschmacklich mehr Nocken als Parmesannocken waren, aber egal). Wer noch nie Steckrübensuppe gegessen hat, wird sich fragen, warum nicht! Zum Hauptgang wurde es den Weihnachtsessern warm ums Herz: Glasierte Entenkeule mit Cassis-Rotkohl und Apfel-Kartoffel-Roulade, alles wie bei Muttern. Was man beim beim Dessert nicht sagen kann – denn das kriegt man als Muttern zu Hause so meist nicht hin. Zweierlei Schokoladenmousse mit Haselnusskrokant und Passionsfrucht-Espuma blieb in guter Erinnerung, so dass sich Service und Küche gerne raus trauten und den Beifall entgegen nahmen…

Cabaret im Palais
Weihnachts-Dinnershow im Kurländer Palais Dresden
Festsaal des „Kurländer Palais“
Tzschirnerplatz 3-5
01067 Dresden

Tel. +49 351-421 99 90
www.cabaret-im-palais.de

Spielzeit:
20.11. – 28.11. / 01.12. – 22.12. / 27.12. – 28.12.2015 und 02.01.- 09.01.2016

[Wir waren am 20. November 2015 zur Premiere dort – auf Einladung mit Pressekarten.]

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