Eine kleine Wanderung, zum Aufwärmen sozusagen, sollte es am ersten Urlaubstag sein. Okay, laut Wanderführer immerhin 500 Meter Höhenunterschied – aber auf La Palma gilt das als eher wenig. Also gut. Dass es dann am Ende der Tour 866 Meter in Anstieg und (gemäß der Regel: was du hoch kraxelst, musst du auch runtergehen…) eben so viele im Abstieg waren, ist ein eigenes Kapitel. Aber wir hatten Glück: Die Sonne schien kaum, so dass uns Frischlingen auf der Insel der Pelz nicht gleich versengte.
Das mit der Sonne ist nämlich so ein Ding. Sie scheint zwar, aber man sieht sie nicht, weil sie sich versteckt hinter irgendwelchen Wolken. Diese kommen, wenn wettertechnisch alles klappt, mit dem Passat aus dem Nord-Osten und verlieren sich dann an den vulkanischen Zacken der Cumbre Nueva. Wenn sich die Wolken über den Berg zu wälzen scheinen und dann beim Herunterfallen im Westen auflösen, ist das ein grandioses Schauspiel. Aber die cascada de nubes (Wolkenwasserfall) funktioniert leider nur, wenn das Wetter vorschriftsmäßig abläuft, also mit nordöstlichen Passatwinden. Wir hatten das große Glück, dass es einen Tag vor unserer Ankunft „nach langer langer Zeit erstmals geregnet“ hatte im sonst sonnensichersten Winkel der Insel. So spruch jedenfalls unser FeWo-Vermieter, und der muss es ja wissen.
Wie auch immer: auf unserer Seite war es vergleichsweise kühl, außerdem zogen die Wolken durchaus auch schon mal von Westen gen Osten und bereiteten den Gipfeln den Wolkenwasserfall andersrum. Ab dem zweiten Urlaubstag hatten wir das kapiert und uns mit freundlicher Unterstützung der staatlich ungeprüften Webcam-Beobachterin Syke S. die Tagestouren dort gesucht, wo es morgens helle war. Am ersten Tag aber, man möge die meteorologische Ignoranz verzeihen, waren wir auf der ungewollten Suche nach mindestens 50 Schattierungen von Grau. Das vielfältige Grauen war über uns, vor uns, hinter uns – und manchmal auch unter uns. Der blaue Himmel und das blaue Meer, sonst bei Inselwanderungen gern gesehene Gegenspieler am Horizont, versteckten sich immer wieder – nur tapferes Tragen von Sonnenbrillen und eine gute dunstreduzierende Bildbearbeitung ermöglichten dann letztendlich doch ein etwas heiteres Blick-Ergebnis.
Der kleine Spaziergang ist durch Steinmännchen gut markiert. Es geht, nach einem Stück auf der Forststraße, gleich ins Gehei und zügig bergan. Das GPS-Gerät meldet Werte zwischen 25 und 30 Grad Anstieg, zu unserem großen Vergnügen auf gerölligem Untergrund: das ist ein feiner Trainingseffekt (und wir waren froh, hier nicht runter rutschen zu müssen). Angesichts des etwas mühsamen Anstiegs waren wir dann wirklich ein bisschen froh, dass die Sonne nicht so richtig scheinen wollte – auch ohne sie hörte man in der absoluten Stille dort manchmal die Schweißtropfen auf dem Boden aufplatschen.
Der Vulkan Tajuya liegt nicht auf dem Rundweg, doch der Abstecher lohnt. Der Tajuya gehört zu den Vulkanen, die sich vor langer Zeit ausgetobt haben. Vom 19. Mai bis zum 10. August 1585 ist er ausgebrochen und wuchs auf 1871 Meter an. Es war nicht nur ein langer Ausbruch, sondern auch der mit dem größten Schaden für die Bevölkerung seit dem Beginn der Aufzeichnungen (der Eroberung La Palmas im Jahr 1492). Ascheregen ging auf das Land nieder, giftige Schwefeldämpfe strömten aus und töteten die Menschen. Das alles ist natürlich nicht der Grund, dort entlang zu gehen – aber so ein wenig Hintergrundwissen macht das Begehen schon eindrucksvoller. Zumal bei Wabernebel, denn da entgeht einem ja ein Teil der ansonsten grandiosen Aussicht. Wobei am Ende des Stichwegs bei den aufragenden Felsen, die sie hier campanarios, Glockentürme, nennen, man dann schon die Weite des Aridane-Tals und das blaue Meer erkennt.
Es folgt der steilste Anstieg des Weges – wie gesagt: den möchte man nicht wirklich in anderer Richtung runtergehen, es sei denn, man liebt schlurfendes Fliegen durchs Geröll. Spannend ist, im Lavageröll das Wurzelwerk der Pflanzen zu sehen – eine eindrucksvolle Demonstration, wie die Natur sich das Überleben organisiert. Oben angekommen belohnt ein neuer alter Krater den mühsamen Aufstieg – und das Wissen, dass es von nun an (im Prinzip) bergab geht. Neben wunderbar grünen Kiefern begleitet uns von nun an auch zunehmend Blühendes – und nach dem eindrucksvollen Tal Barranco de la Palma mit steiler Abbruchkante und daraus emporsteigenden Bäumen wird der Weg knuffig federnd: ein Nadelteppich vom Feinsten! Abwechslungsreich ist es, und dem Auge wird auch was geboten. Landschaft ist auch da, sang Nina Hagen – wir sehen die campanarios von unten sowie den Küstensteifen zwischen Puerto de Tazacorte und den Bananenplantagen von El Remo. Was auf den ersten Blick wie der Schatten einer Wolke aussieht, ist das Lavafeld vom Ausbruch des Vulkans San Juan im Jahr 1949. Darunter befindet sich die „Cueva de Todoque“ (Höhle von Todoque) – das nächste große Touristending, Eröffnung des Besucherzentrums irgendwann in der Zukunft (noch baut man). Aber das ist ein anderes Thema…
Tipp: Das Lokal zur Wanderung – Bodegón Tamanca.
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