Drama, baby! Aus den (wohltönenden!) Lautsprechern wummert’s „Attack“, der Soundtrack vom Film Pearl Harbor.Geile Idee, etwas von Hans Zimmer open air zu spielen. Und es lässt sich so wunderbar einmarschieren (pardon, vielleicht falsche Wortwahl bei dem Thema, also besser vielleicht: einher schreiten). Den Mittelgang entlang kommt Ricco Hänsch, Gastgeber an diesem Abend. Von links und rechts kommen wohl behütete Damen, mit langen schwarzen Stulpenhandschuhen an den Armen, auf denen „Traminer“, „Grauburgunder“, „Riesling“ und „Kerner“ steht. Ricco Hänsch kommt hutlos, aber beschlipst: „Müller Thurgau“ steht auf dem Binder.
Wir sind in Meißen, wenn man aus Dresden kommt: vor Meißen. Rechtselbisch am Unteren Domprobstberg, der zur Weinlage Meißner Kapitelberg im Meißner Spaargebirge gehört. Ricco Hänsch, der gelernte Werkzeugmacher und (seit 2005) Winzer im Nebenerwerb, hatte zur fünften Jungweinprobe eingeladen. Das Besondere an diesem kleinen Jubiläum ist nicht das pompöse Programm und der stattliche Eintritt von 75 € (Show, Weine, Wasser, Buffet) – nein, das kennt man aus den vergangenen Jahren. Aber dieses Mal zu „Wein in Flammen“ bat Ricco Hänsch zu einem erstaunlich späten Termin. Sonst war er immer einer der ersten (2013 waren wir schon am 15. März eingeladen!) – und irgendwann bei einer Weihnachtsfeier (bei der es vorab die erste Flasche des aktuellen Jahrgangs gab!) scherzte ich noch: Eines Tages gibt es den ersten Hänsch-Wein drei Tage vor der Ernte…
Nun also ist er spät dran, einen der fünf Weine gab’s sogar als Fassprobe (und das deutlich sichtbar: er wurde aus Karaffen serviert und nicht pseudomäßig aus handgefüllten Flaschen). Der Vorteil: Mit dem späten Mai-Termin konnte der Wein nicht nur länger reifen, sondern auch im anderen Ambiente probiert werden – die Jungweinprobe fand draußen statt! Das lässt unser italienisch angehauchtes Herz natürlich höher schlagen, denn lauschige Abende unter freiem Himmel in genialer Umgebung sind nun mal unschlagbar. Mutig ist so eine Entscheidung natürlich hierzulande immer – aber der Mut des Tüchtigen wurde belohnt: Gewitter allüberall, Regen und Hagel und derlei schlimme Dinge. Aber nicht am Domprobstberg. Wunderbar!
Die große Frage ist natürlich, ob die Weine halten, was das Ambiente verspricht. Die Antwort ist diffizil. Es gibt nämlich eine Menge Weintrinker (und -trinkerinnen!), die sich gar nicht zwischen supergeil und Hammerwein entscheiden können. So ganz grundlos sind diese Einschätzungen natürlich nicht: tolle Lage, liebevolle Zuwendung des Winzers und seiner Mitarbeiter, die sich um die Reben auf den zwei Hektar vorbildlich kümmern, Ausbau sortenrein – passt alles. Und das bei Ricco Hänsch aufwändig betriebene Marketing ist natürlich auch etwas, was zum großen Spiel dazu gehört.
Aber andererseits ist Wein natürlich nicht nur ein Naturprodukt, sondern auch eins, das auf die unterschiedlichsten Geschmäcker trifft. Und über Geschmack kann man bekanntlich trefflich streiten. Wenn beispielsweise Elisabeth Born, Weinkönigin Saale-Unstrut 2010/11 und Deutsche Weinprinzessin 2011/12, den Kerner erschnuppert, entdeckt sie nicht nur Grapefruit und Ananas, sondern auch Eisbonbon und Sternfrucht. Tja, und das mag ja nun nicht jeder – aber bei der Zusammenfassung, dass der halbtrockene Kerner „ein kleiner Schlüpferstürmer“ sei, konnte man sich geschmacksübergreifend dann doch einigen. Und wenn dann nach dem Füllen des Aromaglases mit den entsprechenden Früchten Mariann und Dominik vom Tanzclub Saxonia den Wein tanzen und einen Paso doble auf die Bühne bringen, ist die Welt eh wieder im Genussmodus.
Ein Schlüpferstürmer ist der 15er Grauburgunder gewiss nicht, aber Juliane Kremtz, bekennende Grauburgunder-Liebhaberin und aus gegebenen Umständen auch nur schnuppernde Präsentantin des Weins, musste dann auch ein „nicht ganz so trockenen“ Wein vorstellen: 10,5g Restzucker. Der Grauburgunder gehört übrigens zu denen, die unter dem Hagel litten, der Teile von Sachsen im Herbst 2015 heimsuchte. Die Blätter waren komplett zerstört, das Wachstum gestoppt. Aber „Ricco und seine Weinbergschnecken“ (Zitat von Juliane Kremtz) haben dann im Noternteeinsatz doch noch was rausgeholt. Wer’s nicht ganz so trocken mag und auch gern ein bissl Farbe im Glas hat, wer gern Honigmelone, Banane, Birnen und Pfirsich erschnuppert, kann nachbestellen! Der Tanz zum Wein ist übrigens eine Rumba, der Titel: Skyfall. (Und das Bild nebenan zeigt das paar beim Walzer, der zum Riesling getanzt wurde…)
Die Traminer-Fassprobe (vorgestellt von Franziska Spiegelberg) ergibt einen Traminer, wie man ihn in Sachsen kennt. Natürlich Rosen, natürlich Honig und Banane, aber auch Orange und Bonbon. Definitiv nicht mein Geschmack – aber halt: zusammen mit einer Torte, die Annekatrin Rades statt Praline (gab’s schon zum Kerner: handgemacht und saugut!) bei der Konditorei Ufert in Auftrag gegeben hatte, war Nach-Denken angesagt. Die fruchtige Heidelbeersahnetorte und der Traminer waren ein perfektes Paar. Es folgte: Müller. mit Mozartkugel. Und Jive (als Tanz). Wein von alten Reben – nicht so arg viel Alkohol (11,5%), balanciertes Süße-Säure-Verhältnis: ein sehr schöner Trinkwein.
Und dann, endlich, zum Schluss, Riesling. Vorgestellt von der sächsischen Weinkönigin Daniela Undeutsch und ihrer vor-vor-vor-vor-vor-Vorgängerin Annegret Föllner. Die beiden können miteinander, beschreiben eher sich und dann doch den Wein, der ein Königinnenwein ist: Auf dem Etikett sieht man Daniela Undeutsch, tausend Flaschen gibt es nur – eine wirkliche sächsische Rarität, auf die Erzeuger Ricco Hänsch wie die Weinkönigin (die schon als Zeitzer Weinprinzessin hier regelmäßig zu Gast war) stolz sind und sein können.
Darauf ein Feuerwerk!
Weingut Ricco Hänsch
Jagdsteig 24
01662 Meißen
Telefon 03521 / 731791
www.ricco-haensch.de
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