Dass griechischer Wein wie das Blut der Erde schmecken soll, gilt schon lange nicht mehr. Vielmehr gibt es selbst im Kleinen eine Rückbesinnung auf alte autochthone Rebsorten und differenzierten Geschmack. Wir hatten bei einem Restaurantbesuch einen Weißwein der Pontiglio Winery probiert und uns vorgenommen, das Weingut näher kennen zu lernen. Das Ziel: 39°24’07.3″N 20°04’04.8″E – unweit von Lefkimmi im Süden der Insel. Wir kamen unangemeldet, was nicht nett von uns war (man kann und sollte vorab auf der Webseite eine Tour buchen) – waren aber dennoch willkommen.
Der Weg zum Weingut ist sehr korfiotisch: man verlässt die große Straße, die zum Hafen von Lefkimmi führt und kommt auf eine deutlich kleinere, um dann in eine schmalere abzubiegen, von der eine noch schmalere abgeht. Und dann ist das Weingut – hinter einem Tor, das man bitte selbst aufmacht – auch nur noch einen Schotterweg weit entfernt. Das passt ganz gut, denn man kommt runter – wie war das noch mit dem Lärm der Welt hinter sich lassen? Auf dem Weingut, das klein ist und inmitten von Reben liegt, bekommt man den Eindruck auf vielfältige Weise vermittelt.
Eindruck eins hat mit Wein nichts zu tun, aber viel mit dem Weingut: da liegt eine Katzenmama und füttert zwei Junge. Oh! Wie! Niedlich! Also die Katzenkinder. 25 Katzen, werden wir später erfahren, tummeln sich auf dem Gelände und stehlen dem Wein manchmal die Show. Eindruck Nummer zwei: wir kamen zwar spontan und hatten uns nicht angemeldet – erhielten aber dennoch die Weinführung mit Probe. Völlig unkompliziert und mit einer Herzlichkeit, die Spaß macht. Eindruck Nummer drei: das Weingut ist klein, hier wird noch viel mit der Hand gemacht. Angefangen von den beiden Korbpressen, die wir im Eingangsbereich sahen (und die natürlich im Juni nicht im Einsatz waren) bis zur kleinen handbetriebenen Etikettiermaschine, an der Juniorchefin Konstantina Ntini den Rotwein verkaufsfertig machte.
Uns führt Christina Koulouri durchs Weingut. Sie spricht – was sehr hilfreich für uns ist! – englisch und arbeitet hauptsächlich im Keller. Also fangen wir dort an. Der Keller ist klein, aber es findet alles seinen Platz – ein Tisch mit Stuhl inklusive: „Mein Arbeitsplatz!“, schmunzelt Christina. Die Weißweine gären und reifen in Stahltanks, der Rote kommt für acht Monate ins Barrique. Womit schon angedeutet ist, dass sie hier alles haben: Weißwein, Rotwein – und auch was dazwischen, nämlich einen Rosé und einen Orange-Wein. Die probieren wir, wieder dem Keller entstiegen, hinterm Haus auf der Terrasse.
Dort erfahren wir, was es mit dem Namen des Weinguts auf sich hat: Pontiglio ist ein altes venezianisches Wort und bedeutet “Hartnäckigkeit“ – wobei da schon etwas Trotz und Bockigkeit mitschwingt. Denn als in den 1980er Jahren der Anbau von Olivenbäumen einerseits und der Tourismus andererseits staatlich subventioniert wurden, verschwanden immer mehr korfiotische Weinberge. Keine Plackerei im sommerlich heißen Weinberg – das fanden viele gut. Nicht aber Babis und Athena – sie übernahmen 2014 die 150 Jahre alten Weinberge ihrer Familie, die mit den lokalen Rebsorten Kakotrygis und Petrokoritho (weiß) sowie Skopelitiko (rot) bepflanzt waren. Die Rebstöcke sind wurzelecht, weil die Reblaus Korfu verschont hat, und teils sehr alt – im Schnitt rund 50 Jahre.
Heute besitzt das Weingut Pontiglio 26 Hektar Land (10 Hektar neue gesetzte Pflanzen stehen bereit, um dann in 2 Jahren Trauben zu geben), außerdem arbeiten sie mit lokalen Bauern in der Gegend zusammen, um verlassene Weinberge im Süden Korfus wieder zu beleben. Es sind sehr kleine, über das gesamte Gebiet verstreute Grundstücke, so wie es früher einmal war. In Lefkimmi sind die Böden lehmig-tonig. Die meisten Weinberge liegen in der Nähe von Wasserrinnen mit fruchtbareren Böden als Schwemmland. In diesen Böden gibt es einen beträchtlichen Anteil an Sand. Jede der Rebsorten hat ihren Namen, der sich aus ihrer Lage, ihrer Geschichte und ihren Eigenschaften (Terroir) ergibt.
„Wir produzieren jedes Jahr rund 25.000 Flaschen und etwa 5.000 Bag in Boxes mit je 5 Litern – die sind für Restaurants gedacht, die den Wein als Hauswein verkaufen“, erklärt Konstantina. „Dieser Wein ist anders als der Wein in der Flasche, da er eine Cuvée der beiden weißen Sorten (Kakotrigis und Petrokoritho) ist.“
Die Weinprobe
Viel Menge ergeben die alten Reben nicht – aber viel Geschmack. Und den probieren wir. Unter Trauben auf der Terrasse sitzt es sich gut. Weiträumig umspielt werden wir von den Katzen (erneutes Juchzen, weil soooo niedlich), die Weinprobe – die sehr faire 10 € kostet – wird begleitet von Häppchen: zu jedem Wein ein passendes. Das finden wir gut, denn Wein soll ja zum Essen passen.
Der erste Wein verbindet den Namen des Weinguts mit dem der Rebsorte, aus der er zu 100 % gemacht ist: Pontiglio Kakotrigis. Die Rebsorte ist alt, autochthon und macht Arbeit – denn sie hat hartes Holz, so dass man beim Schneiden der Trauben temperaturunabhängig ins Schwitzen kommen kann. Empfindlich gegen Mehltau ist Kakotrigis auch – also warum gibt es die Sorte dann noch? Weil sie nicht nur Arbeit, sondern auch Spaß macht, denn erfahrene Winzer können mit ihr spielen: je nach Erntezeitpunkt oder Weinbereitungsmethode kommen ganz unterschiedliche Weine dabei heraus. Der Einstieg ist das pure Vergnügen, wie wir es ja schon im Restaurant hatten: frisch, fruchtig, mit vollem Körper und gutem langen Nachhall am Gaumen (Weingutspreis: 10 €/Flasche).
Weil sich die Sorte Kakotrigis zum Spielen und Experimentieren anbietet, machen sie genau das auf dem Weingut. „Schaumwein mit einer zweiten Gärung in der Flasche entspricht unseren Überlegungen für die Zukunft“, lese ich auf der Webseite, aber das gab’s leider nicht. Dafür eine Probe vom Lianoroido. Das ist ein Wein „so wie die Großeltern es machten“, also nahezu ohne Technik. Eine 28stündige Maischestandzeit sorgt für die gelb-orange Farbe, und die spontane Gärung geht auch schon mal los. Ungefltert und nur wenig geschwefelt kommt der Wein dann in die Flasche, wo er ein wunderbares Etikett erhält: so schmerzhaft ist die Ernte! Leider gibt’s den Wein nicht mal auf Korfu überall, denn er ist für den Export nach Amerika gedacht. Wir sicherten uns für den Resturlaub genug Flaschen (Weingutspreis 15 €) und erfreuten uns an der Salzigkeit und den tropischen Früchten des knochentrockenen Weins.
Traubenwechsel: wir haben Skopelitiko im Glas. Das ist eine rote Weintraube – und auch sie ist eine sehr schwierige und launische Sorte. Vielleicht ist das der Grund, weswegen Skopelitiko so rar ist und kaum noch angebaut wird. Bevor wir den Rotwein probieren, kommt der leichtere Rosé Valonisa auf den Tisch. Der Name hat eine Geschichte: „Der Weinberg Valonisa war 1930 die Mitgift meiner Großmutter und sie hat sie mir hinterlassen, weil ich der einzige ihrer Enkel war, der Wein anbauen wollte!“ Die Farbe ist (nach 45 Minuten Mazeration auf der Schale) zart lachsrosa, im Gaumen angenehme Zitrusfrucht – aber die ist keineswegs sofort weg, sondern da bleibt was am Gaumen. Das ist ein Wein, der ganz wunderbar zu warmen Tagen passt – und es ist kein Wunder, dass er ein Bestseller auf dem Weingut und meist schon früh ausverkauft ist. Ein toller Essensbegleiter ist der Rosé natürlich auch: Passt am besten zu Nudeln, Muscheln in roter Soße, Käse und magerem Fleisch (Weingutspreis: 11 €).
Den Skopelitiko pur gibt’s natürlich auch. Butiero steht auf dem Etikett – von der alten Bezeichnung des Berufs des Fassmachers. Es ist ein trockener Rotwein mit einer intensiven Farbe – 7 Tage lag er auf der Maische. Jahrgang 2021 – das ist ein Jungspund, und die reichlichen Tannine schreien nachgeradezu „lass! mich! älter! werden!“ – aber gereiftere Weine haben sie nicht: „wir sind zu klein!“. Einen Versuch wär’s auf jeden Fall wert, denn nach 12monatiger Reife in Eichenfässern hat der Wein einen vollen Körper und einen sehr einzigartigen Geschmack. Er passt gut zu traditionellen korfiotischen Gerichten wie Pastitsada, Burdeto, Sofrito und Charcuterie (Weingutspreis: 13 €).
Und dann gab’s noch einen Zugabewein zum Dessert, eine halbtrockene Cuvée aus Petrokoritho und Skopelitiko. Den kann man perfekt zum griechischen Joghurt mit Honig genießen – aber auch nur so, zum Sonnenuntergang… (Den Wein fanden wir nicht im Angebot auf der Webseite, also gibt’s hier keinen Preis.)
Pontiglio Winery
Kaboulia Neohoriou
Lefkimmi 49080
Korfu
Tel: 266 20 22 866
pontiglio.gr
Besichtigung April bis Oktober, Di–Sa je 8–16 Uhr. Voranmeldung (online möglich) erbeten.
[Besucht am 9. Juni 2023 | Landing-Page Korfu bei den STIPvisiten]
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