„Dichter – wie wird man das eigentlich, Don Pablo?“
„Geh den Weg am Ufer entlang zur Bucht zurück und achte auf alles, was Du siehst!“
aus: Il Postino – Der Postmann
Für die Landwirtschaft ist es der Ort der Kapern. Für die Cineasten ist es der Ort, an dem der Film Il Postino (Der Postmann) mit Massimo Troisi als Briefträger Mario und Philippe Noiret als Pablo Neruda spielt, der hier im Exil lebt. Und für Fotografen ist Pollara, der kleine Ort im Nordwesten der Insel Salina, vor allem am Abend spannend: die romantischsten Sonnenuntergänge gibt es hier!
Der Weg nach Pollara ist für die übersichtlichen Inselverhältnisse von Salina weit. Mit dem Bus nach Malfa und von dort manchmal (wenn er nicht nach Rinella fährt) von der Hauptstraße ab nach Pollara. Die Variante, die einen etwas unabhängiger macht: eine Vespa leihen. Das hatten wir 2007 gemacht, was den zusätzlichen Vorteil mit sich brachte, immer mal wieder einen Fotostopp einlegen zu können. Zum Beispiel beim Semaforo, dem ehemaligen Marineobservatorium. Das hatten wir (2014 war’s) beim Start unserer Wanderung auf Salina von Pollara nach Rinella ausgiebig erkundet, was sich auf jeden Fall schon wegen der Aussicht lohnt. Tagsüber (mit der Sonne mehr oder weniger im Rücken) kann man den Krater gut erkennen, der sich zum Meer hin öffnet. Im Hintergrund kuscheln die beiden westlichsten Inseln des Archipels, Filicudi und (als Buckel in der Kniebeuge von Filicudi) Alicudi.
Von hier oben führt eine – nein: die! – Straße rund 250 Meter runter bis ans Meer. Als Fußgänger kann man die eine oder andere der Spitzkehren abkürzen, aber da ist es dann allenfalls steiler: auch für die Wanderer liegt das Meer auf Meeresniveau! Und egal, wie man anreist, ob mit dem Bus bis zur Kirche (die liegt auf etwa 100 Meter Höhe) oder mit Vespa/Auto die kleine Straße weiter runter bis zum kleinen Parkplatz, der eigentlich eher ein Wendeplatz ist (50 Meter hoch): das letzte Stück runter bis zum Meer muss man laufen. Mittlerweile geht’s auf gut ausgebautem Weg runter bis zu den Häusern, die in die Felsen geschlagen sind. Wenn man Glück hat, parkt oben auf den Treppen vor den Hütten ein Fischerboot, wenn man großes Glück hat, sieht man sogar, wie da so ein Boot ankommt. Wer nun zurückgeht, hat aber das ganz große Glück nicht erlebt. Es gilt, entlang des Felssporns heraus zu gehen und um die Ecke zu schauen. Dort sieht man nämlich das Wahrzeichen Salinas, den Felsbogen Punta Perciato.
Einerseits ist es ja schon irgendwie gemein, das Wahrzeichen in seiner vollen Schönheit sozusagen nur bei Nachfrage und bei Verfügbarkeit zur Ansicht freizugeben. Andererseits ist es dann da auch nicht so voll, und man kann die Mondlandschaft genießen mit Blick auf den Bogen und das Meer, man kann den Blick schweifen lassen über Felsen in der Bucht von Pollara und Halt finden am Horizont, wo Alifilicudi aus dieser Perspektive noch mehr zu einem Schattenspiel verschmelzen. Wenn jemand einen grandiosen Platz sucht, um mit sich und seinen Gedanken aufs Meer zu schauen und – wenn man zur richtigen Zeit dort ist – die Sonne im Wasser verschwinden zu sehen: das hier ist der richtige Ort.
Wir haben uns den Sonnenuntergang allerdings nicht von unten angesehen, sondern von oben – von der Aussichtsplattform am Semaforo. Dort ist es zwar Dank der günstigen Verkehrslage meist voller, aber man muss nicht mit einer solitären Aussicht vorlieb nehmen und kann schnell mal hoch zum alten Observatorium und von dort aus auch andere Perspektiven mit Blick nach Filicudi und Alicudi einfangen, buschig-blumige Vordergründe inklusive. Das alles muss man natürlich nicht an einem Abend machen – eigentlich geht das auch gar nicht, denn erstens geht erfahrungsgemäß dann alles recht fix, wenn die Sonne erst einmal fotogenes Rot ausstrahlt – und zweitens gilt bei jedem Sonnenuntergang die Weisheit der sardischen Muschelseidenspinnerin Chiara Vigo: La fretta non abita qui.
Und sind wir dem radelnden Postboten begegnet? Ganz ehrlich: bei den ersten Besuchen nicht. Denn erfreulicherweise machen die Bewohner von Pollara und erst recht nicht die vom Rest der Insel nicht so ein großes Buhei um den Filmort. Am Hafen von Santa Marina Salina eine Installation, in der ein Fahrrad mit dem Filmplakat ringt – und seit einiger Zeit macht auch an zwei Stellen in Pollara ein wenig Kunst auf die Rolle der Bedeutung des Drehorts aufmerksam: Einmal schaut der schüchterne Fischer und Privatbriefträger Mario Ruoppolo am Weg runter zum kleinen Hafen, der jetzt Via Massimo Troisi heißt, versonnen in die Landschaft – und dann sitzen, aufgezeichnet mit möglichen Knicken in der Optik, wenn man nicht ganz korrekt steht, Don Pablo und Mario auf der Mauer. So wie im Film (etwa bei 1:06) am Haus von Pablo Neruda, aber nun nicht dort, sondern an der Kirche, was für Touristen der bessere Platz ist. Und auch in einer etwas anderen Position – aber das geht unter künstlerischer Freiheit durch, oder?
PS: Den Film, der 1994 gedreht und weltweit mit 18 Filmpreisen ausgezeichnet wurde, kann man übrigens noch kaufen/leihen. es lohnt sich!
PS2: Dank an unseren Wiener Salina-Liebhaber Il Trebbiatore, der uns beim Besuch der Insel 2017 gleich an zwei Abenden in seiner Kutsche mit nach Pollara nahm. Denn merke: Auch in Pollara kann die Sonne ihre Untergänge hinter Wolken verkacken.
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