Spiel mit den Wolken am Monte Fossa delle Felci

Wanderung von Valdichiesa auf den Monte Fossa delle Felci (und zurück nach Leni)

Didyme

Luftaufnahme SalinaEine Insel mit zwei Bergen und dem tiefen weiten Meer – nein, das ist nicht Lummerland, sondern Salina. Vom Meer aus, von der Nachbarinsel Lipari oder den Weinfeldern bei Malfa aus gesehen, erkennt man die Berge deutlich, aber – anders als auf Lummerland – keinerlei Eisenbahnverkehr. Dafür ganz oft Wolken. Manchmal sehen die aus die wie eine weiße Zipfelmütze, manchmal wie eine dunkelgraue Fellmütze. Die beiden längst erloschenen Vulkane Fossa di Porri (860 Meter hoch) und Fossa delle Felci (mit 962 Metern die höchste Erhebung der Äolischen Inseln) gaben der Insel ihren alten griechischen Namen Didyme: die Zwillinge. Die Römer fanden dann die Salzseen spannender und benannten die Insel nach ihnen – Salina.

Wolken am Fossa delle FelciRein wettermäßig ist eine Wanderung auf den Fossa delle Felci also eine Herausforderungen für Urlaubswanderer, die auch was sehen wollen. Der morgendliche Blick hoch zum Berg hilft auch nur bedingt: 6.47 Uhr: alles im grünen Bereich – blauer Himmel. 6.57 Uhr: Wattebäuschenwolkenbildung – hmm. 7:17 Uhr: alles zugewölkt, aber hell mit blau drüber. 8.27 Uhr: dunkle Wolken, Mist. Das Tragflächenboot von St. Marina nach Rinella fährt um 8.45, das nehmen wir. Es riecht gut an Bord, weil wenig Passagiere und viel frisches Brot und andere Lebensmittel nach Filicudi und Alicudi transportiert werden. Am Hafen von Rinella wartet der Bus, der uns nach Valdichiesa bringen soll. Der Blick auf den Berg lässt noch alle Chancen auf gutes Wetter offen. Oder auf schlechtes: mit blau und grau war alles drin.

Val di ChiesaVon der Bushaltestelle zum Kloster von Valdichiesa führt schnurstracks eine Straße. Die Kirche des Santuario Madonna della Terzito ist eher schmucklos, der Blick hinein nimmt uns also nicht viel Zeit. Links neben der Kirche beginnt die eigentliche Wanderung, stets gut ausgeschildert. „Die Insel schaut grünend und lachend aus“ schrieb Ludwig Salvator schon 1893 in seiner Abhandlung über die Insel. Das tolle Grün kommt letztendlich auch von den Wolken, die immer mal ein Tröpfchen mit sich führen und Salina reiche Ernte bescheren: Kapern, Wein und all den Rest. Außerdem haben leichte Wolken natürlich den Vorteil, den Aufstieg zu versüßen, weil sie sich charmant zwischen Wanderer und Sonne schieben. Und wenn sich alles richtet, sieht man ja doch noch ganz gut.

Monte dei PorriLudwig Salvator bemerkt lapidar: „Schön ist die Lage der hochgelegenen Häuser der Val di Chiesa“, und damit hat er zweifelsohne Recht. Obendrein gilt die Aussage über hundert Jahre später immer noch, wie man beim mäandrierenden Aufstieg über den Serpentinenweg gut beobachten kann. Jaja, die guten alten Quellen – auf die ist wenigstens Verlass. Bei neueren Büchern ist das ja manchmal so eine Sache. Sogar der eigentlich eher zuverlässige Peter Amann fabuliert in Iwanowski’s Reiseführer Liparische Inseln (5. Auflage 2010, Seite 239): „…zur Rechten erhebt sich der perfekte Kegel des Monte dei Porri, dessen Hänge bis in die Gipfelregion terrassiert sind.“ Das sahen wir (und seit Jahrtausenden die Menschen vor uns) anders.

Blick zum SemaforoJe höher man kommt, desto besser ist die Rundumsicht: voraus das Tal mit den weiten Weinfeldern im unteren Bereich des Monte, darüber der in seiner Form schon fast klassische Vulkan (keine Ausbruchgefahr: seit 13.000 Jahren tut sich da nichts mehr). Links (gen Osten) sieht man Leni und Rinella und in der Ferne Filicudi und Alicudi, rechts (gen Westen) Malfa und weiter weg (wenn man den richtigen Standpunkt erwischt) Panarea und Stromboli, die aber gerne auch im Dunst verschwinden. Dafür kommt unser Lieblingsleuchtturm bei Pollara (von dem aus unsere Wanderung rund um den Monte dei Porri, auch mit Amann-Irrungen, begann) meist ganz gut zur Geltung… Auf dieser Wanderung hoch zur Fossa delle Felci braucht man im Prinzip keinen Wanderführer, weil die Wege im Riserva Naturale Monte Fossa delle Felci e dei Porri sowohl bestens gepflegt als auch vorbildlich ausgezeichnet sind.

Beim RefugioDas nächste Ziel ist das Rifugio di Monte Rivi, das wir auch erreicht hätten, wenn wir die weitaus komplizierteren Aufstiege von Santa Marina oder von Malfa aus gewählt hätten (die Malfa-Variante sind wir schon mal bergab gegangen, ohne je den Gipfel erklommen zu haben: schlechtes Wetter!). Auf dem Weg dahin begleiteten uns sattes Grün, schöne Blüten und zunehmend graue Wolken. Die Hütte selbst ist (mit EU-Mitteln) vor einigen Jahren runderneuert worden – und zu. Aber es gibt Bänke draußen und nicht verschlossene Toiletten. Also: ein guter Ort für eine kurze Zwischenrast. Während also die Frau sich um die Örtlichkeiten kümmert, schau ich mir die Statistik an: erst 2,89 km sind wir gelaufen von der Bushaltestelle bis hierhin. Aber hoch zu sind es, immer in Schlangenwegen, 564 Höhenmeter – bei angeblich durchschnittlich 24 % Steigung mit beachtlichen Spitzenwerten. Die kann ich nachvollziehen, denn einige Stufen brachten uns von jetzt auf gleich je einen halben Meter höher…

Gipfel mit Wolkengesicht Gipfel mit SelfiegesichtDie nächsten 950 Meter sind leichter: es geht fast nur noch gerade etwas über 140 hoch bis zum Kraterrand des Monte Fossa delle Felci. Wir hätten uns an dieser Stelle blauen Himmel und gute Sicht nach allen Seiten gewünscht, aber wurden statt dessen Teil der großen Wolke, die den Berg umhüllte. So stapften wir durch die Farne (nichts anderes meinen die Italiener, wenn sie felci sagen) und erfreuten uns an jedem Lichtblick helleren Sonnenlichts bei kurzfristig aufreißenden Wolken. Am Gipfelkreuz sahen wir – höhenbeseelt und nunmehr geradezu geil auf himmelblau – sogar ein blaues Gesicht in den Wolken. Allerdings mit grimmig verzogenem Mund, wasimmer Petrus uns damit sagen wollte. Ein wenig erstaunt waren wir über den Ort des Kreuzes: mein GPS wähnte uns auf 948 m Höhe – und auch ein späterer Blick auf die Höhenangaben bei Google Earth förderte keinen Punkt mit 962 Metern zu Tage. Ob das Kreuz deswegen auf einem künstlichen Steinhügel angebracht war? Obwohl der, wie unser Gipfelstürmerbild beweist, auch nicht mal zwei Meter mehr brachte… Egal: Von hier aus kann man im Uhrzeigersinn oder auch andersrum den Kraterrand entlang wandern. Links rum sagen die Wanderführer, also gehen wir erst mal ein Stück nach rechts, weil da erstens (wegen der anders geführten Wanderer) nicht so viel los war und sich dadurch ein lauschiges Plätzchen für die Essensrast fand  – und weil man zweitens runter gucken konnte auf das Meer vor Leni. Siehe da: es war blau! Das machte Hoffnung auf mehr!

Blick vom KraterrandWir wurden nicht enttäuscht, denn auf einem sehr gemütlichen Weg auf dem östlichen, südlichen und westlichen Kraterrand genossen wir frische Waldluft, himmlische Ruhe und etwa 50 shades of green. Rechter Hand der dicht bewachsene Krater, linker Hand theoretischer Weitblick auf Lipari, Vulcano, Filicudi und Alicudi. Doch da war an diesem Tag nicht dran zu denken, es suppte noch zu sehr vor sich hin, auch wenn die Blicke runter nach Lingua schon ganz passabel waren (und mit jedem Meter, den wir bergab wanderten, besser wurden). Die siremar-Fähre tuckert gemächlich von Rinella kommend Santa Marina an, ein Aliscafo pflügt sich – wir sind da schon ein wenig weiter und haben den Kraterrand verlassen – von Rinella kommend Richtung Filicudi durchs ruhige Meer. Der Pfad runter gen Leni nach Verlassen des Kraterrundwegs hat einige steile Phasen, geht aber in Ordnung. Wie so oft wird jegliche Anstrengung mehrfach belohnt durch fantastische Ausblicke, so dass wir, Wanderer unterm Wolkenmeer und überm Mittelmeer, erstaunlich oft innehielten – nur um den Moment zu genießen.

Das Tal zwischen den BergenNatürlich wird das Wetter besser, je weiter wir runter kommen. Als wir schon fast auf Höhe der Kirche von Valdichiesa sind und hoch zum Berg blicken, kommt für einen Moment Zweifel auf: sollten wir schnell umdrehen, um das alles noch mal bei besserer Sicht zu genießen? – Guter Witz, wie weit ist es noch bis zur Bar? Die Bar von Chiafolo Salvatore in Leni ist noch einen Kilometer und 117 leichte Meter runter entfernt, zurück zum Kraterrand with a view wären es knapp vier Kilometer und 633 Meter erst mal mühsam hoch – da gibt’s keine Diskussion, es gilt das bewährte Motto: vorwärts immer, rückwärts nimmer. Der Wein dort ist einfach, das Wasser erfrischend – und der Bus zurück hält quasi vor der Tür!

[Wanderung am 24. Mai 2017]

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