Er ist ein Grenzgänger, und wer hat Schuld? Napoleon, natürlich. Nicht direkt, aber irgendwie ist der kleine Korse ja gefühlt immer beteiligt, wenn es um Grenzziehungen geht – und manchmal merkt man das erst so richtig, wenn die Dinge wieder rückgängig gemacht werden sollen. Die Winzerfamilie Grahm vom Weingut GravinO beispielsweise hatte plötzlich, ohne umzuziehen oder sonstwie etwas daran zu tun, Wein in Württemberg und Wein in Baden – wegen einer Begradigung der Flurgrenzen zwischen dem schwäbischen Kraichgauort Oberderdingen und dem badischen Nachbarort Kürnbach. „Rein menschlich kein Problem, die Leute hier vertragen sich!“, sagt Joachim Grahm und hebt die Stimme ein wenig, so dass man schon fast automatisch fragt: aber?
Aber? „Nun liegt der Berg in zwei Weinanbaugebieten!“ Wein aus Württemberg (links, wenn man davor steht) und Wein aus Baden (logischerweise dann rechts…). „Man riecht es nicht, man schmeckt es nicht – aber wir haben zwei Gesetzeslagen!“ sagt Grahm und macht nicht etwa zwei Weine vom Geißberg, sondern einen. Der heißt Grenzgänger, ist ein Rosé aus Schwarzriesling und kein Terrassensrosé, denn dieser Wein hat Rückgrat, hat Stoffigkeit. Er ist ein Essensbegleiter! Der Grenzgänger ist auch nicht mal schnell aus leichter Hand gemacht: er ist Jahrgang 2016, reifte im 600 l Eichenfass über zwei Jahre hinweg und wurde erst vor acht Wochen abgefüllt. Das Ergebnis nennt der Winzer kontrovers: „Man riecht rein, er suggeriert einen schweren, öligen Wein. Dann nimmt man ihn in den Mund und merkt: der ist frisch, lebendig, saftig! Dass macht es spannend.“ Die Meinungen gingen auseinander, was man dazu reichen könne: Thunfisch? Wild? „Der Wein lässt Spielraum!“ Und er zeigt, dass man manchmal besser probiert alsnur das Etikett zu lesen und achselzuckend zu sagen: Ist ja nur als Deutscher Wein klassifiziert! Denn die Traubenqualität(en) hätten in Baden wie in Württemberg dicke zu einem (bzw. dann eben zwei) Qualitätswein(en) gereicht.
Der Grenzgänger ist nur eine der Spielereien, die sich der experimentierfreudige Joachim Grahm erlaubt. „Wir probieren jedes Jahr was Neues aus!,“ sagt er. So gibt es einen Likörwein (den sie natürlich nicht Portwein nennen dürfen), es gibt in diesem Jahr erstmals einen Wein mit eingetrockneten Trauben (den sie natürlich nicht Amarone nennen, auch wenn die Trauben auf Stroh getrocknet wurden). Das sei übrigens eine Herausforderung gewesen, weil es dann doch viele Trauben waren, die da ausgebreitet werden mussten.
13 ha im ganzen Kraichgau bewirtschaften Vater und Sohn Grahm, davon einige in den vergangenen Jahren dazu erworben. „Ich habe versucht, Flächen zu bekommen, die die Vielfalt der Böden im Kraichgau widerspiegeln. Wir wollen diese Vielfalt nutzen!“ Jeder sortenreine Wein ist beispielsweise eine Cuvée aus eben dieser Sorte, es sind Lagenverschnitte. Die Trauben der unterschiedlichen Terroirs werden einzeln ausgebaut und dann schaut man, wie es passt.
An diesem Wochenende ist Joachim Grahm in Dresden, als einziger Vertreter der badischen Jungwinzervereinigung Generation Pinot und zusammen mit neun Kolleginnen und Kollegen der württembergischen Jungwinzer von Wein.Im.Puls auf der Weinmesse Baden-Württemberg Classics. Dort will er Werbung für seinen Wein machen – aber nicht nur für den: „Wir sollten alle viel mehr zusammen machen und den Leuten zeigen, wie toll unsere Weine sind!“ sagt er.
Weingut GravinO
Gräfental 54
75057 Kürnbach
Tel. +49 7258 77 84
www.gravino.de
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