Ach, die Schwaben! Wenn man Pech hat, versteht man sie zwar kaum, aber wie sie ticken – das wissen doch alle. Am besten natürlich sie selbst, und was das Tolle ist: sie schaffen es, sich selbst auf die Schippe zu nehmen und mit den mannigfachen Vorurteilen der Anderen zu spielen. Die Bottwartaler Winzer haben beispielsweise eine Serie von Weinen gemacht, auf denen das Etikett mit einer groß aufgedruckten Zahl geschmückt ist. „Da reichen dann meistens zwei Flaschen, um ein hervorragendes Geburtstagsgeschenk zu haben!“ meint Bastian Remkes, der Geschäftsführender Vorstandsvorsitzender der Bottwartaler Winzer eG ist – und kein Schwabe. Er kommt aus Bad Bentheim, was man natürlich hört.
Das ist eine schöne Geschichte, die der Herr Vorstand uns da erzählt, und Albert Schlipf von den Bottwartaler Winzern, der gerade einen ganz feinperligen chicen trockenen Riesling-Sekt für die Besuchergruppe ausschenkt, sieht nur kurz hoch und nickt – als ob er ein „genau so!“ andeuten wollte. Und dass man bei Beschenkten über 99 Jahren eine dritte Flasche dazu kaufen muss, das macht selbst hartgesottenen Schwaben nichts aus: wer so alt wird, der (oder die) hat’s verdient!
Wir sind, als wir den Sekt und später auch den Chardonnay mit der Nummer 8 probieren, allerdings gar nicht in Großbottwar (was, für diejenigen, die in Erdkunde damals gerade krank waren, etwa 26 km nordnordöstlich von Stuttgart und 16 km südsüdöstlich von Heilbronn liegt), sondern auf dem Wunnenstein. Der ist hoch, berühmt und geschichtsträchtig. Wobei hoch natürlich relativ ist: 394 m – immerhin reicht das für den Titel höchster Berg im Bottwartal.
Ludwig Uhland (26.04.1787–13.11.1862) schrieb im 1815 entstandenen Balladenzyklus „Graf Eberhard der Rauschebart über den „gleißenden Wolf von Wunnenstein“, was wir mal unter „berühmt“ subsummieren. Und geschichtsträchtige Bedeutung erhielt der Wunnenstein zu Ostern 1525 im Bauernkrieg, weil er Sammelplatz des württembergischen Bauernhaufens wurde, der sich den Großbottwarer Wirt Matern Feuerbacher zum Hauptmann wählte. Und dann gibt’s da noch die Legende von der Glocke Anna Susanna, deren Läuten den Hagel vertreiben sollte (meinte der berüchtigte Volksglaube). Die Geschichte der Glocke vom Wunnenstein kann man nachlesen, am besten wahrscheinlich bei einer zünftigen Versper mit einem Fläschchen Wein.
Hier oben auf dem Wunnenstein befinden wir uns inmitten eines 545 ha großen Landschaftsschutzgebietes und sehen auf Weinberge: der gesamte Südhang ist Weinanbaugebiet. Und wenn weder der Herr Schlipf noch der Herr Remkes da sind, informiert ein drei Kilometer langer Weinlehrpfad über die verschiedenen Rebsorten, die Herstellungsprozesse und die Geschichte des Weinbaus (natürlich gibt es den Pfad auch, wenn die beiden da sind – aber dann brauchen wir ihn nicht!).
320 ha bewirtschaften die 400 Traubenlieferanten der Genossenschaft (die insgesamt 700 Mitglieder zählt). Sie sehen sich in einer langen Tradition: die erste Urkunde eines Weinberg-Besitzerwechsels datiert aufs Jahr 950. „Weinanbau ist für uns Teil der Kultur“, sagt Bastian Remkes. Die Weinberge würden gehegt und gepflegt wie heimische Gärten – der Begriff Weingärtner sei ja kein Zufall. Der Wengerter, ergänzt Albert Schlipf, stehe und arbeite auf dem Terroir. „Das Terroir und die Menschen: das macht die Kultur aus!“
Bottwartaler Winzer eG
Oberstenfelder Straße 80
71723 Großbottwar
Tel. +49 07148 | 96 00 0
www.bottwartalerwinzer.de
Hinweis:
Der Besuch fand statt im Rahmen einer Pressereise auf Einladung vom Weininstitut Württemberg GmbH und der Badischer Wein GmbH im Vorfeld der Baden Württemberg Classics am 26. und 27. Mai 2018 in Dresden.
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