Erst nach meinem Lebenslauf
Hört mein frohes Trinken auf.
Annette von Droste Hülshoff
Manegoldus von Rohrdorf muss man nicht kennen. Es sei denn, man wohnt in Meersburg, dann sollte man den Namen schon mal gehört haben: er ist nämlich derjenige, auf den man sich heute im Staatsweingut Meersburg beruft – weil ein Weinberg von ihm, der keine Erben hatte, zusammen mit der Burg an den Konstanzer Bischof Konrad II. von Tegerfelden fiel. Das war im Jahr 1210. Bevor wir im Hier und Heute auf Dr. Jürgen Dietrich treffen, der seit 2002 Weingutsdirektor im Staatsweingut ist, rauschen wir im Lauf der Geschichte noch schnell an Napoleon vorbei, der ja im Südwesten der Republik an Vielem Schuld ist. 1802/03 fiel das Fürstbischöfliche Weingut im Zuge der Säkularisierung an das junge Großherzogtum Baden und wurde als „Großherzoglich-Badische Domänenkellerei“ die erste Weinbaudomäne Deutschlands. Staatsweingut wurde es dann nach dem zweiten Weltkrieg. Heute gehört das Unternehmen dem Land Baden-Württemberg und ist als Landesbetrieb dem Finanzministerium unterstellt.
Braucht man die Geschichte, um die Weine zu genießen? Natürlich nicht, aber es könnte ja schon hilfreich sein, wenn man weiß, dass hier auf langer Tradition aufbauend Bewährtes fortgeführt und Neues erfolgreich probiert wird. Und mit dem Fitzelchen Historie im Hintergrund wird auch klar, warum das Weingut so dominant wie bezaubernd über der Stadt am See liegt: ein Blickfang von unten, wenn man an der Magischen Säule steht – und logischerweise auch ein idealer Ausguck auf den See.
Jürgen Dietrich, der im Weingut Bürgerspital z. hl. Geist (Würzburg) seiner Winzerlehre absolviert hat und später ein Geisenheimer wurde (wo er über Mechanisierung und Produktionsplanung im Steillagenweinbau promoviert wurde), führt das Weingut in die Zukunft. Und da fallen dann auch schon mal Begriffe wie carbon foodprint („die Flaschen und der Transport machen’s aus!“) oder FairChoice® (das Staatsweingut Meersburg wurde als erstes Weingut in Baden im Juli 2012 mit dem Nachhaltigkeitssiegel zertifiziert). Das ist beileibe nicht Show, sondern Programm: „Fairness und Respekt sind für uns selbstverständliche Grundlage im Umgang mit Partnern und Kollegen“, sagt Jürgen Dietrich.
Vorreiter zu sein im Dreiklang Ökologie, Ökonomie und Soziale Aspekte des Miteinanders steht einem Staatsweingut natürlich gut an – aber sie haben ja auch beste Voraussetzungen: die Mönche, die damals aus dem Burgund kamen, wussten schon, was sie taten und suchten/fanden die besten Lagen. „Die haben wir nun!“ Nun ja: Mit vollen Taschen ist gut protzen. Hervorragende Einzellagen liefern gute Weine. Und sie haben Bezeichnungen, die für Geschichten gut sind: dem Meersburger Bengel steht der Meersburger Jungfernstieg mit den Einzellagen Lustgarten und Hurenwadel gegenüber – geht da was ab im Kopf? Warum nicht – die Lagennamen spiegeln ja auch nur wider, was damals® so abging…
Wem derlei Gedanken beim Weintrinken zu dubios sind, kann natürlich auch harmlos inspiriert trinken: Die Lage Meersburger Rieschen liegt direkt unterhalb des Weinguts und ist mit knapp fünf Hektar Fläche die kleinste Lage – aber eben auch die feinste. Bereits im Mittelalter lobte man die besondere Qualität der Weine aus diesem Weinberg. Traditionell wird am Rieschen Riesling, Traminer, Grau- und Spätburgunder angebaut. Und ein Fass im Keller widmet sich in allerfeinster Wein-Poesie eben jener Lage: Rieschenblut birgt dieses Fass/Nur für Kenner ist dies nass./Weil nicht jeder kann begreifen/Dass hier solche Weine reifen.
Zur Rebfläche in Meersburg gehört auch der Weinberg des Fürstenhäusle, das der Dichterin Annette von Droste-Hülshoff gehörte. Die Dichterin aus dem Münsterland („O schaurig ist’s übers Moor zu gehn…“) lebte von 1841 bis zu ihrem Tod 1848 auf Schloss Meersburg. Das Staatsweingut pflegt den Weinberg und bietet – keck und den wahren Namen der Anna Elisabeth Franzisca Adolphina Wilhelmina Ludovica Freiin von Droste zu Hülshoff familiär abkürzend – einen Droste-Wein an, die Cuvée Annette. Spätburgunder, Regent und Dornfelder vermählen sich da zu einem kraftvollen Rotwein.
Die Frage, welchen Wein man denn nun trinken solle, spitzt sich ja besonders zur Spargelzeit zu. Wobei die Antwort auf die Frage generell ja sein sollte: nimm den, der dir schmeckt – oder um es mit König Johann von Sachsen zu sagen: „Hast Du mehr als einen Wein / wähle stets den rechten, / aber kann’s nicht anders sein, / trinke auch den Schlechten.“ In Meersburg, wo der feinsinnige Sächsische König (so viel ich weiß) nie war, haben sie deutlich mehr als einen Wein: mit einer Jahresproduktion von 400.000 Flaschen, deren Wein von Trauben auf 63 ha gewonnen wird, stellt sich die Frage nach „dem Besten“ also möglicherweise doch. Aber die Antwort ist natürlich so vielschichtig wie das Angebot aus Burgundern (Spätburgunder machen 50 % der Rebflächen aus), dem inseltypischen Müller-Thurgau (22 %) und anderen Reben.
Zum Spargel, um nun endlich mal konkret zu werden, haben die Meersburger vier Grundregeln parat und empfehlen vier Weine. Die Grundregeln seien, dass der Wein nicht zu säurebetont ist, dass er kein zu intensives Aroma hat, dass er nicht zu jung und zappelig ist (meine Lieblingsregel, übrigens!) und dass er sich der Zubereitung des Gerichts anpasst – zu Spargel mit Lachs passe z.B. ein Weißherbst. Die vier Weine aus der Empfehlung: 2017 Meersburger Lerchenberg Müller-Thurgau / 2017 Gutswein Weißburgunder / 2016 Meersburger Chorherrnhalde Weißburgunder-Chardonnay und 2017 Meersburger Jungfernstieg Spätburgunder Blanc de Noirs – alle trocken ausgebaut. Man muss allerdings gar nicht zwingend Spargel dazu essen – so gesehen ist dieses Spargelweinding auch wieder nur Marketing…
Staatsweingut Meersburg
Seminarstraße 6
88709 Meersburg
Tel. +49 (0) 75 32 / 44 67-0
www.staatsweingut-meersburg.de
Hinweis:
Der Besuch fand statt im Rahmen einer Pressereise auf Einladung vom Weininstitut Württemberg GmbH und der Badischer Wein GmbH im Vorfeld der Baden Württemberg Classics am 26. und 27. Mai 2018 in Dresden.
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