I.
Was man alles falsch machen kann im Leben! Zum Beispiel Musik in E und U teilen – was für ein Quatsch, denn ernst kann sooo unterhaltend sein! Wie schön, wenn die Musiker mit ihrem Spielspaß den teils 500 Jahre alten Zeitgeist dermaßen locker ins Hier und Heute transferieren. Und wie angenehm, wenn das Publikum so unkompliziert mitmacht, auch wenn das Setting durch und durch seriös ist: wir sitzen in Wiesbaden in der Lutherkirche, und wir erleben mit Daniel Hope einen brillanten Ausnahmemusiker, dem es offensichtlich ein Vergnügen bereitet, Musiker mit Strahlkraft um sich zu versammeln.
Das Konzert im Rahmen des Rheingau Musk Festivals gehörte zu denen, die schon lange ausverkauft waren – und das, obwohl insgesamt 122.000 Eintrittskarten für die 146 Konzerte zur Verfügung standen/stehen, die zwischen dem 22.Juni und dem 31. August das Festival ausmachen. Das 1987 von Michael Herrmann gegründete (und noch heute von ihm als Intendant und Geschäftsführer begleitete) Rheingau Musik Festival ist das größte privatwirtschaftlich finanzierte Musikfestival Europas – das mal nur so nebenbei, weil das ja auch nicht alle wissen.
Viele der Konzerte finden an Orten statt, die dem Wein verbunden sind – Hauptveranstaltungsorte sind beispielsweise Kloster Eberbach, Schloss Johannisberg und Schloss Vollrads sowie etliche andere Weingüter. Aber selbst in einer Kirche wie der beeindruckenden Lutherkirche in Wiesbaden spielt Wein eine gewisse Rolle – genau genommen natürlich nicht in, sondern davor: wir sind im Rheingau, da kommen die Menschen gerne etwas früher und trinken guten Wein. Hier gab’s welchen von Balthasar Ress – Riesling Gutsweine, Riesling Sekt und Pinot Noir Rosé. Sehr sehr schön (endlich mal kein Pinot Grigio!) – und mit 5 € für 0,2 l bzw. 16 € für die Flasche ein sehr ordentlicher Festivalpreis.
Drinnen nur Musik. Älter als die Kirche, die 1908 bis 1910 in den Formen des Jugendstils erbaut wurde: als Michael Metzler mit großer Trommel und ohne Trompeten den Weg durch die Kirche trommelnd vom Eingang bis zur Bühne durchschritt, war schnell klar: das wird ein Abend mit bis zu 500 Jahre alten Stücken, die alles andere als verstaubt sind. So nach und nach kamen dann auch die anderen auf die Bühne, die Ausnahme-Geiger Daniel Hope für diesen Abend um sich geschart hat: Simos Papanas (Violine), Nicola Mosca (Violoncello), Emanuele Forni (Laute), Naoki Kitaya (Cembalo). Es war eine lustige internationale Truppe, der man ungeheure Spielfreude ansah und den gekonnt-lockeren Umgang mit den bekannten und auch weniger bekannten Werken von Händel, Vivaldi, von Westhoff anhörte. Die Herren neckten sich, sie brillierten in Soli, sie waren alles andere als ernst – aber genau das macht’s ja aus: wer so gut ist, der kann sich viel leisten. Bleibt die Frage: gab es schon sowas wie Punk und Funk weit vor unserer Zeit?
II.
Fahrende Musiker in Weingütern ist ein Format, dass von vorne herein leichter angelegt ist. Die Idee: vier Kapellen spielen reihum in vier Weingütern auf. Wer absoluter Fan einer der Beteiligten ist, müsste der Truppe also nachreisen, gedacht ist’s aber so: man entscheidet sich für eins der vier Weingüter und erlebt Wein und Musik vom feinsten. Was für ein Fortschritt gegenüber der Wein-Weib-und-Gesang-Mentalität alter Zeiten!
Weine von Robert Weil erkennt man ja schon lange, bevor man sie trinkt: keiner hat so ein markantes bleu als Etikett und (mit VDP-Adler verzierter) Kapsel. Kenner wissen die elegant-fruchtbetonten Rieslinge (nichts anderes wächst auf den ca 90 ha des Weinguts) aber auch so zu schätzen: Weils Weine gelten weltweit als Top-Weine, alle einschlägigen Weinguides zählen ihn zur Spitze – im Rheingau, in Deutschland, in der Welt. Und wer jetzt glaubt, dass das nur für die Spitzenqualitäten gilt, der irrt: auch und gerade die Basisweine machen ungeheuer Spaß mit ihrem Trinkfluss – und beim Rheingau Musik Festival konnte man sie unkompliziert auf dem Platz im Zelt (wo die Musik spielte) oder in den Pausen beim Schlendern zwanglos genießen. So muss Wein, möchte man da sagen (Preise vor Ort: 0,1 l ab 3 €).
Als Dresden-basierter Schreiber denkt man bei Robert Weil natürlich auch daran, dass man nicht immer in den Rheingau muss, um gute Weine zu trinken: Dirk Cannova, Verkaufsleiter Deutschland im Weingut Robert Weil, ist regelmäßig in Dresden, um die Weine hier vorzustellen. Wir trafen ihn vor knapp einem Jahr bei Jens Pietzonka in der Weinzentrale (wo es die Weil-Rieslinge an einem Austernabend gab) und dann kein halbes Jahr später im Estancia Beef Club von Steffen Zuber, wo bei einer GourMeat Big Bottle Party unter anderem ein 2016 Riesling Kiedricher Gräfenberg Großes Gewächs aus der 12-Liter-Flasche und eine 2006 Kiedricher Gräfenberg Auslese aus der Schatzkammer des Weinguts aus der 6-Liter-Flasche ausgeschenkt wurden. Kurz vor unserem Besuch im Weingut wurde dort übrigens eine eigene 12 l GG für die GourMeat im kommenden Jahr abgefüllt…
Und die Musik spielt dazu! Ganz nach mittelalterlicher Spielleute-Manier reisten die Ensembles von Weingut zu Weingut: I Liguriani mit traditionellen und zeitgenössischen Liedern aus dem Ligurischen, Monsieur Pompadour mit heiterem Swing und einer Prise Melancholie, The Speedos mit handgemachtem Rock’n’Roll, und Hootin’ the Blues mit keineswegs nur Blues, sondern auch Country, Bluegrass und so. Wir erlebten sie im Weingut Robert Weil, aber wer an diesem Samstag im Draiser Hof vom Weingut und Gutshotel Baron Knyphausen, dem Garten des Eltzerhofs oder in der Domäne Steinberg (Hessische Staatsweingüter) war, hatte das gleiche Hörvergnügen. Nur eben mit anderen Weinen…
[Besucht am 19. und 20. Juli 2019]
Hinweis:
Die Recherchen zu den Rheingau-Berichten wurden von der Rheingauer Weinwerbung, dem Rheingau Musik Festival, der Rheingau-Taunus Kultur- und Tourismus GmbH sowie der Stiftung Kloster Eberbach im Rahmen einer Pressereise unterstützt.
Hinterlasse jetzt einen Kommentar