Der Friedstein ist die Paradelage des Winzers Martin Schwarz. Der gilt vielen als der beste Winzer Sachsens – drei Sterne im aktuellen Vinum („…[die beiden Rieslinge] sind Gebietspitze“), drei Trauben im Gault&Milau 2020 („…präsentieren sich die Weine weltoffen und zeigen doch unverkennbar ihren sächsischen Background“). In diesem Jahr kann man erstmal die Weine da probieren, wo sie wachsen: mitten im Weinberg. Angekündigt als Weinbergswanderung entpuppte sich das Vorhaben eher als eine ausgiebige Lagenbummelei – mit rund einem Hektar ist der Friedstein so groß schließlich nicht, auch wenn er sich die Unterscheidung in einen kleinen und einen großen gönnt (wobei der größere Teil in etwa drei Viertel ausmacht).
Philipp Henke, der vor Jahren bei Martin Schwarz eine Ausbildung zum Winzer gemacht hat und jetzt Vertriebsleiter dort ist, führte kenntnisreich durch den Berg. Und schleppte in einer Kühlbox Anschauungsmaterial mit. Wir starteten mit einem Sekt, der allerdings nicht aus Friedstein-Trauben gemacht war. Nicht mal aus Sachsen kam er, sondern aus Brandenburg. Dort gibt es, im Gebiet des Tagebaus Welzow Süd den Wolkenberg. Das ist ein 6 ha großer Weinberg aus der Retorte, konzipiert mit fachlicher Unterstützung von Fachleuten der Hochschule Geisenheim und der BTU Cottbus.
Der Sekt ist Jahrgang 2017, gemacht mit der Rebsorte Schönburger. Da stecken Spätburgunder drin und die kaum bekannte Rebsorte Pirovano 1, die man sich auch nicht wirklich merken muss. Wenn aber im Hirn noch eine Lücke frei ist für deren Eltern roter Gutedel (Chasselas rose) und Muscat de Hambourg, dann bleibt auch haften, warum Schönburger so duftet wie er riecht: nach Muskatwein. (PS: ich habe den Schönburger ja verlinkt, wer dann bei den Eltern sich immer weiter durchklickt bis in die Urgroßelterngeneration, landet auf Sardinien. Spannend!) Versektet wurde der Schönburger bei Schloss Wackerbarth, es ist die klassische Flaschengärung – was wir im Glas haben, lag also mindestens 9 Monate auf der Frischhefe, aber „da wir nicht aller Flaschen gleichzeitig nehmen, kriegen einige auch bis zu 16 Monate“, lernten wir. Ob 9 oder 16 Monate Frischhefe: das war schon mal ein muskatisch-exotischer, schöner Apero!
Natürlich kann man, selbst wenn man in Radebeul im Friedstein steht, etwas über den Weinbau in der Lausitz lernen. Die Weingutsgeschichte in einem Absatz geht in etwa so: 2014 ging es los, 2015 kamen die Stare und haben innerhalb einer Stunde das komplette Traubenmaterial gelesen. Die Stare hatten viel Spaß, die Winzer nicht, denn mit den Staren zog die komplette Ernte und damit auch der Umsatz davon. 2016 war ein mittlerer Durchschnitt, 17 OK, 18 extrem heiß – und 19 ist gut von Menge und Qualität. „Aber wir sind eben erst im 5. Jahrgang und immer noch in der Findungsphase, um das Beste aus dem Berg zu holen!“, meinte Philipp Henke. (An anderer Stelle steht ein längerer Beitrag von mir zum Wolkenberg.)
Über die Sache mit dem „erst 5. Jahrgang“ reden wir dann beim Stapfen durch die Steillage ein wenig. Fünf Jahre klingt ja nach viel – aber in Wirklichkeit sind es ja nur fünf Mal: Winzer lernen im Jahrestakt, egal ob draußen im Berg oder drinnen im Keller. Was sie in diesem Jahr probieren, muss dann auch nicht im nächsten unbedingt klappen – zu viel Natur und damit nicht normierte Prozesse. Einerseits blöd, aber andererseits macht das ja auch den Reiz aus, für die genießenden Kunden sowieso, aber wohl auch für die Winzerinnen und Winzer. Gemeinsames Ziel: Die Weine und der Sekt sollen Spaß machen!
So, genug Wolkenberg, jetzt aber Friedstein! Der östlichere, kleinere Teil ist der Burgunderliebe von Martin Schwarz und Grit Geißler gewidmet. Und, völlig exotisch in Sachsen, dem Nebbiolo. Die erste Reihe gleich ist Nebbiolo, in bester Sonnen-Exposition, und noch einige Stöcke weiter hinten. Und einige wenige Stöcke kommen gerade hinzu – dass die noch keinen Ertrag geben, ist klar. Aber auch die älteren Stöcke halten sich mit den Trauben zurück: so ist das bei dieser anspruchsvollen Sorte. „Versuche, den Nebbiolo außerhalb Italiens anzusiedeln, haben bisher keine überzeugenden Ergebnisse gebracht“, entnehme ich der Wikipedia. Mengentechnisch mag das stimmen (50 Stöcke und ein paar mehr sind es, und an denen hängt noch nicht einmal viel dran in diesem Jahr…), aber wer mal eine der raren Flaschen des Schwarz-Nebbiolos probieren durfte, wird auf der Inhaltsebene heftig widersprechen.
Bevor wir uns vom Nebbiolo trennen und in den Weinberg gehen, gehen wir erst ein bisschen in die Materie – des Rebschnitts. Erfahren was über den sanften Rebschnitt, von Leitbahnen zur Versorgung von Stock und Trauben, hören bemerkenswerte Vergleiche wie den, dass der Weinstock lebt (OK, da gingen noch alle mit) und im Prinzip doch auch nur ein Mensch sei, mit Körper, Armen und Fingern (naja…). Wenn man nun der Rebe einfach was abschneidet, reagiert sie (das verstanden wir nun wieder!). Drama, Baby! Da sagt sich die Rebe: eh, ich verliere was?!? und denkt sich als Rebe: nun muss ich mich aber schnell fortpflanzen, bevor es zu spät ist! Prinzipiell nachvollziehbar, wobei: wenn ich mir einen Finger gerade abgeschnitten habe oder irgendein böser Winzer mir das angetan hat, dann denke ich natürlich nicht an als erstes an Fortpflanzung. Vielleicht eher an einen Trostwein, gerne darf’s da ein Nebbiolo sein.
Dermaßen gedanklich beruhigt geht’s vorbei an jungen Trieben des Pinot Noir, der den Rest des kleinen Friedsteins ausmacht. Es ist ein französischer Klon, zwei andere Klone stehen auf dem großen Friedstein. Die hier im kleinen Friedstein sind bei unserer Weinbergsbegehung schon gegipfelt. Entblättert wurde auch schon ein wenig, und demnächst steht an: Trauben teilen! Das ist schon kniffliger, denn man will ja keine Infektionen haben, also sollte man nicht in zu reife Beeren stechen. Am besten ist natürlich, gar nicht in die Beeren zu stechen, sondern mit der Schere an der richtigen Stelle rein – und ZACK ist die Grünlese in Ordnung. Wir lernen: bessere Traubenqualität geht nur über Ertragsregulierung. Wer also Trauben am Boden sieht, muss sich keiner Sorgen machen, sondern darf sich eher freuen.
Wir sind nun, nach gefühlten 222 Metern Wegs durch die Reben, reif für eine Pause. Es gibt, im Schatten der Bäume zwischen dem kleinen und dem großen Friedstein, einen Riesling aus dem Jahr 2017 – das ist bei Martin Schwarz durchaus ein aktueller Jahrgang, denn er gibt seinen Weinen Zeit. Der Riesling Friedstein ist einer der drei Weine von Martin Schwarz, der nicht aus dem Holzfass kommt – die anderen beiden sind der Kleine Schwarz und der Riesling Roter Granit (nun gut, bei dem können, je nach Jahrgang, 10 Prozent aus der Vorlese des Kapitelbergs drin sein – und die sind im Holz gewesen). Diesen RIesling Friedstein als einen typischen Mittagswein zu bezeichnen, fällt schwer, auch wenn’s ihn um kurz vor zwölf gab. Aber mit seinen 12,5% bringt er schon ein wenig Alkohol mit. Aber: es ging, und obendrein schmeckten wir den Friedstein! Das liegt am roten Granit, „der begleitet uns am Boden, an den Mauern – und im Geschmack“, schwärmt Philipp Henke. Aus gutem Grund, denn Granit gibt’s nicht so arg viel als Weinboden in Deutschland. Dass man das Terroir des Friedstein herausschmecken kann, liegt eben auch am Granit: wenn man zwei Granitsteine aneinander schlägt, hat man sofort den Geruch voin Feuerstein in der Nase. „Das findet man beim Wein wieder“, meint Henke und findet’s toll. Wir auch, erst recht also wir hören und wieder dazulernen, dass der rote Granit die Säure im Wein puffert, was dem Riesling gut tut und sicher all denen gefällt, die Probleme mit der Säure haben.
Da es gerade so schön schattig und die Flasche auch noch nicht leer ist, ist die Aufnahmebereitschaft groß. Also die für Informationen zum Weinberg. Über 80 Jahre lag der Weinberg brach, erfuhren wir – und auf Nachfrage, wie das denn dann aussähe, völlig verwuchert oder wie?, zeigte Philipp Henke statt einer Antwort Bilder: Wald. Geschlagene Bäume. Eine Wüstenei. Karl-Erivan Haub, der am 7. April 2018 beim Training zu einem Skitourenrennen im Gletschergebiet am Kleinen Matterhorn verschollene Tengelmann-Chef, hatte das Anwesen mit Weinberg gekauft und wollte nicht nur die Gebäude sanieren. 2004 begann das Projekt mit Behördengängen, 2008 rollte der Bagger: da wurde der Weinberg komplett neu angelegt, so nach dem Motto: Wildwachsende Bäume zu Terrassen! Weinstöcke wurden dann 2009 (auf dem kleinen Friedstein) und 2010/11 (auf dem großen Friedstein) gesetzt. Es gibt Insider, die behaupten: der Schweiß, der damals floss, bringt heute noch Mineralik!
Wir gehen weiter in den Großen Friedstein hinein. Hier steht ein anderer Pinot-Noir-Klon aus Südfrankreich. Dort gibt es für uns einen Weiß von Schwarz, was ein mehrfaches Wortspiel ist: normalerweise kommt der Wein, der so heißt, recht klar aus der Flasche – fast wie ein Weißwein. Das erklärt Weiß – und von Schwarz ist doppeldeutig, denn einerseits ist er ja von Martin Schwarz, andererseits aber eben auch vom Pinot Noir gemacht, nur eben weiß gekeltert. In diesem Jahr füllt sich das Glas mit einem Hauch von Rosé, weil die Trauben aus der Vorselektion des Pinot Noir es so wollten. Der Wein ist unfiltriert auf die Flasche gebracht und nicht nur bei der Demse eines heißen Sommertages im Weinberg eine köstliche Erfrischung.
Wir lernen noch, dass die verschiedenen Klone durchaus Unterschiede im Geschmack ausmachen und, wenn der Winzer denn meint, dass es sinnvoll ist, in manchen Jahren getrennt ausgebaut und dann cuvertiert werden. Warum das mal so und mal anders ist, ist das Geheimnis der Winzer – aber irgendworan muss es ja liegen, dass die einen hervorragende Weine machen und die anderen nur ein köstliches Tröpfchen produzieren…
Die Treppe, die das Herrenhaus unten und das Mätressenschlösschen oben verbindet, ist steil. 52 Höhenmeter liegen zwischen den beiden, da kommt beim Auf und Ab eines Winzer-Arbeitstages einiges zusammen. Wir sind da deutlich besser dran, weil wir nur einmal fasst runter müssen zum Chardonnay. „Dieses Jahr steht er sehr gut da, schön lockerbeerig, da muss man nichts machen!“ freut sich der Winzer Philipp Henke. 2011 wurden die Stöcke hier gesetzt, was auch heißt: 2016 gab’s die erste Ernte. So gesehen gibt’s also immer noch was zu lernen! Den ersten Schluck des 2018 Chardonnay probieren wir bei den Pflanzen, den Rest gab’s als „Schattenay“ an der uns schon bekannten Stelle unter den Bäumen: schöne Säure, langer Abgang. Und schmeckte unbedingt nach mehr!
Infos: www.schwarz-wein.de
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