Alles geht, aber im Ernstfall geht auch alles anders. Man muss halt nur miteinander reden, manchmal natürlich möglichst rechtzeitig: Matthias Gräfe und Nicolle Kirsten, die mit Gräfes Wein&fein in Radebeul als Manchmal-Restaurant während der Kochsternstunden nur am Freitag und Samstag sowie auf Nachfrage und bei Verfügbarkeit auftauchen, lieben das Gespräch mit dem Gast. Also genossen wir in der Radebeuler Hauptstraße einmal mehr den unterhaltsamen und vergnüglichen Mix aus Wein, Speisen und Gesprächen.
Die Begrüßung erfolgte durchaus angemessen mit dem eigens kreierten Kochsternstunden-Sekt: Das Perlenspiel entstand in Verbindung mit Valckenberg – dort ist Peter Bohn Geschäftsführer, der vorher für das Marketing auf Schloss Proschwitz zuständig war. Mit einem Wort: man kennt sich und man mag sich, da lässt es sich gut zusammen arbeiten. Wer mochte, konnte sich das Perlenspiel, das fein frizzelte, mit weißem Kakaolikör versüßen. Wir wollten nicht, als Puristen, aber die Leut’ drumherum fanden’s gut.
Fünf Gänge gab es an diesem Abend (mit Mineralwasser 40 €, inkl. Weinbegleitung 58 € und inkl. Aperitif und Weinbegleitung 63 €). Da das Kochsternstunden-Restaurant ja immer nur temporär und für besondere Anlässe öffnet, sollten Sonderwünsche (wie zum Beispiel eine vegetarische Menüalternative) auf jeden Fall vorher angekündigt werden. Wie gesagt: alles geht, aber vorher reden! Was auch spontan geht: eine komplette oder partielle Getränkebegleitung mit sortenreinen Streuobstsäften.
Wer Wein mag und darf, sollte sich freilich unbedingt für die Weinbegleitung entscheiden, Matthias Gräfe ist ein Kenner auch hier weniger oft getrunkener Weine, die immer bestens zu dem passen, was Nicolle Kirsten mit ihrem Mini-Team aus der Küche schickt. Und zwar, das muss einfach mal so nebenher geschrieben werden, für die 24er-Tafel im zügigen Tempo – und warm war es auch, wenn es das sein sollte.
„Lis’chens Müller“, ein halbtrockener Müller-Thurgau von der Winzerin Lisa Bunn aus Rheinhessen, war für uns so eine positive Überraschung. Nun gut, dass die Lisa so mit ihrem Namen spielt bei den Weinen, ist Geschmacksache. Mehr noch beim rosé Perlwein, der zwar Bunn Rosé heißt, aber sich dank eines nachhoppelnden Häschens auch ganz leicht Bunny liest. Har har. Lis’chens Müller ist als Wein für jeden Tag gedacht, sehr süffig – und man kann auch was dazu essen: Kartoffelküchlein mit marinierter Zucchini, Pilz-Radiccio-Rahm und gebeiztem Schweinelachs gingen ganz gut. Das war sowieso ein feiner Gang, bei dem die verschiedensten Geschmäcker miteinander tanzten. Keinen Tango, eher was Leichtes, zum Wein Passendes…
Unser zweiter Wein war dann ein guter Bekannter: „2. Prinzenwein“ heißt die Weißweincuvée, die Gräfe in Zusammenarbeit mit Prinz zur Lippe und dessen Kellermeister Jacques du Preez kreiert hat. Müller-Thurgau, Traminer und Weißburgunder sind drin – und uns schmeckte die zweite Auflage, als sie vor einem Jahr erstmals zu probieren war, nicht so gut wie der Premieren-Prinzenwein. Also dachte ich still vor mich hin: or nö, da gibt’s doch sicher Besseres zu Kresse-Kräuterrahm-Suppe mit Wachtelspiegelei und Blätterteigschneckchen, oder? Sorry, nicht wirklich, denn ich wurde kalt erwischt: Der Wein hat sich in die Richtung entwickelt, die mir gefällt. Sehr schön, zumal noch ein Karton davon im Privatkeller liegt. Manchmal zahlt sich Geduld halt aus, und nicht alle sächsischen Weißweine wollen wirklich jung getrunken werden.
Beim nächsten Gang müssen wir mal ein wenig ausholen und die Volksliedforschung bemühen. Es gibt da ein Lied („Wer will mit uns nach Island ziehn / den Kabeljau zu fangen / und zu fischen nach Verlangen?“) mit den wunderbaren Zeilen eines windbedingten Landaufenthalts: „Dann trinken wir auf unser Wohl / bis dass der Beutel leer / und unser Kopf ist voll!“ Wir genossen einen fabelhaften Winterkabeljau, der sich als Skrei bestens vermarkten lässt, aber Namen sind Schall und Rauch, Qualität und Gargrad sind alles – und die passten. Skreifilet, Rieslingrisotto und „Alter Wehrsdorfer“ tümmelten sich auf dem Teller. Vom Skrei ein echter Batzen (was es erleichtert, ihn saftig zu garen!), und Vetters Käse im Risotto verlieh der Nord-Süd-Kombination aus Skrei und Risotto was herrlich Regionales. Der Riesling aus dem großen Holzfass, der 2012 Leutesdorf Gutswein von Josten & Klein aus Remagen am Mittelrhein. Wer (wie ich) mal am Mittelrhein gewohnt hat, kann sich nur wundern und freuen, dass da nun doch wieder was geht! Die Winzer attestieren dem Wein „frischen, saftigen Charakter und animierenden Trinkfluss“ – und da möchte man nicht widersprechen. Ach ja: Leutesdorf heißt der Ort, mit nur einem r.
Mein Lieblingsgang an diesem Abend näherte sich als Duft- und Aromenwolke mit Fleisch: Marinierte Scheiben vom Rinderfilet mit buntem Gemüse und Rosmarinkartoffeln versammelten dünne, saftige Filetscheiben unter einer Mischung von Oliven, Zwiebeln, Knoblauch und anderen mediterran verlockenden Genüssen. Dazu lütje Tüffels, also kleine Kartoffeln, die Rosmarinduft verströmten und theoretisch Gemüse, aber das ließ ich mal links liegen, weil doch weniger mehr ist!). Zwei Weine zur Auswahl gab es hierzu: Einen Dornfelder von Krebs oder den „Muschelkalk“ Weißburgunder vom Weingut Dr. Wehrheim. Der Dornfelder, als Deckwein (was für ein herrlich anzüglicher Begriff!) verschrien, passte hervorragend! Leicht gekühlt wurde er serviert, was ihm gut bekam. Vom Weißburgunder naschten wir nur, aber es hatte den Anschein, dass Rotweinverzichter damit auch ganz gut zurecht kamen!
Der Abschluss war doppelt süß und somit krönend: Eine Aprikosen-Crème-Brûlée und dazu die Kracher-Auslese, die es uns schon in Bülow’s Bistro angetan hatte…
Gräfes Wein & Fein
Hauptstraße 19
01445 Radebeul
Tel. 0351 / 8365540
www.graefes-weinundfein.de
Öffnungszeiten für das Kochsternstunden-Menü:
Fr – Sa ab 18.00 Uhr auf Reservierung
Mo – Do auf Anfrage ab 4 Personen
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