Wer sich das alljährliche handlich-informative Kochsternstunden-Heft als Mini-Führer durch Dresdens Gastronomie vorstellt, findet dort in der Tat Plätze, an denen man fantastisch genießen kann. Dass dabei das Niveau der Teilnehmer vom Grundansatz ganz unterschiedlich ist, spielt keine Rolle: Ein Sterne-Restaurant, ein Bistro neben der Sterneküche, ein Zweithaus eines Sternerestaurants – die kulinarische Spitze ist bestens vertreten. Aber es gibt auch die Mittelklasse, bei denen es Spaß macht, denn wichtig ist doch eigentlich, dass irgendwie nur die Klassenbesten mitspielen. Und so erlebten wir bei Torsten Pötschk vom Gasthaus Hellerau an langer Tafel mit Stammgästen hier und Kochsternstunden-Fans dort einen Abend mit beinahe intimem Charme. Na klar: In Hellerau am Markt geht es ja irgendwie auch gartenstädtisch-dörflich zu.
Das normale Kochsternstunden-Menü sieht vier Gänge vor (inkl. Tischwasser – sehr toll! – 39,90 €) und bietet für weitere zehn Euro Weinbegleitung und Espresso an. Das sind schon mal faire Preise. An diesem Abend mit der langen Tafel waren abweichend von der Normalität zwei Vertreter regionaler Produkte zu Gast: Es gab Saftversorgung mit Markus Wenzel von Onkel Franz, einem Anbieter regionaler Lebensmittel, und Wein brachte Anja Fritz von der Weinmanufaktur am Mariaberg mit, wo ihre Weine und die von Martin Schwarz/Grit Geisler ausgebaut und vermarktet werden.
Den Küchengruß kennen auch Gasthäuser – also gab’s unprätentiös auf einer Untertasse und dennoch nett ein mit Frischkäse gefülltes Tomätchen mit knusprigem Riegel. Danach hatten die Gänge dann wohlklingende Namen, die uns ein wenig an einen Spezialversand aus der Toskana erinnerten: Hinter „der Bäuerin ganzer Stolz“ verbarg sich ein Dreierlei von der sächsischen Landente mit Wildkräutersalat, und bei dem Dreierlei war es nicht einerlei, dass da die Ente mal rosa gebraten, mal als Mousse und dann als Pastete im Glas (und die dann noch in Form einer brûlée gedeckelt) daher kam. Alles sehr kräftig gewürzt, wer salzarm isst, könnte dem Koch (oder der Köchin, keine Ahnung) frühlingsfrische Liebe attestieren.
„Die Kraft der Natur“ verspürten wir anschließend, als Rinderkraftbrühe mit Erzgebirgswiesenheu, Kirschtomaten und frischen Kräutern im Kaffeetässchen serviert wurde. Das ist schon ein recht einmaliges Geschmackserlebnis! Das Heu ist nicht mehr drin, aber man schmeckt es – und die frischen Kräuter bringen viele bunte Farbtupfer mit. Das war ein klasse Gang!
„Onkel Franz seine Leibspeise“ als Fleischgang im Menü ist ein Filet vom sächsischen Weiderind, gereift im Rindertalgmantel, auf geschwenktem Gemüse und Kartoffelroulade – das Fleisch korrekt rosa-saftig, das Gemüse ein mediterraner Traum, der Lust auf Sommer (oder doch wenigstens richtigen Frühling) machte. Wer Kartoffelroulade sagt, sollte eigentlich auch Sauce reichen – die gab’s aber leider nicht.
Nun wird’s aber Zeit, was zu den Weinen zu schreiben. Anja Fritz ist ja eine begnadete Moderatorin und vermag die Weine im Glas prima zu beschreiben – aber das hilft ja nur, wenn dann das geschluckte Ergebnis damit übereinstimmt und – günstigstenfalls – das dann auch noch mit den Speisen harmoniert. Wir fassen mal ganz lax zusammen: passte. Denn vom eigenen Wein (Marias Glück, eine Cuvée aus Müller-Thurgau, Traminer und Riesling sowie Grauburgunder) sowie von denen, die Martin Schwarz begleitet hat (ein im Holzfass gereifter Müller-Thurgau, der dadurch Charakter bekam und der Barrique-gereifte Rot von Schwarz) konnten und wollten wir nicht meckern. Und selbstverständlich gilt auch hier: Das Spiel in verschiedenen Ligen ist erlaubt, so lange man sich nur immer wohl fühlt.
Kein Wein zum Dessert, sondern einen Caffè. Auf dem Teller gab’s erinnernswerten „Frühling pur“ – Matchatee trifft Holunderblüte…
Gasthaus | Kaffee Hellerau
Markt 15
01109 Dresden
[Update Oktober 2015: Gasthaus Hellerau geschlossen]
Tel.: 0351 | 8 83 44 70
www.gasthaus-hellerau.de
Öffnungszeiten: Di – Fr 16 – 22 Uhr | Sa 11 – 23 Uhr | So 11 – 21 Uhr Mo Ruhetag
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