Die vorsichtige Frage im Vorgespräch war kurz und knapp: „Seid ihr abergläubisch?“ Zwiefach „Nein!“ und die Rückfrage, wiesoweshalbwarum? Nun ja: weil es die 13. Episode des Podcasts „Auf ein Glas“ ist, zu der wir uns trafen – erstmals nicht im Ladengeschäft von Gräfes Wein&fein, sondern 100 Schritte weiter weg in dem, was wir in völlig korrekter Überschätzung der Rolle der Bedeutung von „Aufeinglas!“ das Studio Rdbl nennen. Zu Gast im Podcast sind Aaron Schwegler, Ausnahmewinzer aus Korb im Remstal (Württemberg) und Matthias Dathan, gebürtiger Dresdner, Sommelier und bei der Veritable Groupe im Vertrieb für, salopp gesagt, den Osten Deutschlands zuständig. Auf der anderen Seite des Tischs, wie immer, Matthias Gräfe (Wein & fein, Radebeul) und Ulrich van Stipriaan als Autor dieses Beitrags.
Aaron Schwegler hat mit seiner Frau Julia das Weingut seiner Eltern 2016 übernommen. Da war das Weingut noch klein, sehr klein. Etwas mehr als 1 ha ist ja nicht einmal für sächsische Verhältnisse viel, in Württemberg mit seinen insgesamt 11.394 ha könnte man glatt drüber wegsehen, und auch das Remstal verfügt mit 1.805 ha über gut dreieinhalb mal so viel Fläche wie Sachsen (alle Zahlen 2019). Aber Albrecht Schwegler wollte 1990, als er das Weingut im Nebenerwerb gründete, ja auch nur einen Rotwein machen. Aber der sollte anders sein als die üblichen Rotweine aus dem Remstal, er sollte, wie man so sagt, eine Granate sein. So entstand der Granat als durch und durch ungewöhnliche württembergische Cuvée.
Die Idee, nur einen Super-Remstaler zu produzieren, klappte nicht ganz: es gibt Jahrgänge, da muss man zurückstecken. Ist halt Natur und keine Weinfabrik! Also entstanden neben dem Granat noch Saphir und Beryll – als Zweit- und Drittwein immer noch um Welten anders als das landestypische Viertele. Aber natürlich auch ein wenig teurer, wie man nicht nur in Schwaben feststellen darf. Aber egal, denn wenn es den Preis wert ist, ist’s halt preiswert!
Seit die zweite Generation das Weingut übernommen hat, gibt’s mehr als nur exorbitant herausragende Rotweine. Denn aus dem 1-ha-Weingut wurde ein 12-ha-Weingut, und auf den neuen Parzellen wachsen beispielsweise Riesling, Grauburgunder, Chardonnay… Und auch die drei ursprünglichen Rotwein-Cuvées bekamen Begleiter: Lemberger, Pinot Noir (warum nicht Spätburgunder, erfahren wir im Podcast) und sogar einen Rotwein in der Literflasche, der dr Oifache heißt und mannigfache Möglichkeiten der Aussprache ermöglicht.
Leichter Einstieg mit dem PetNat, der sehr frisch aus der Flasche kommt. Ein 2019er, bei dem nicht zuletzt der Muskattrollinger im Glas Spaß an der Freude möglich macht. Kein Wein nur für Nebenbei, meint Matthias Gräfe – aber auch keiner, bei dem man sich den Kopf allzu arg zerbrechen muss.
Ökologisch sind die Flächen von Anfang an bewirtschaftet – zertifiziert sind sie bis 2019 nicht, da wurde dann auf dem Papier nachvollzogen, was vorher stattfand. Nun kommen eben auch Audits und Prüfungen dazu – da hat Aaron Schwegler seine eigene Meinung zu. Im Podcast bei 09:22 erwähnt er den Kühlschranktest, mit dem einfachst herausbekommen kann, ob der Winzer es lebt und aus Überzeugung handelt oder nicht. Die nun doch erfolgte Zertifizierung helfe auch, unsinnigen Abmahnungen zu entgehen, erfahren wir an einem sehr verrückten Beispiel.
„Wir versuchen das Terroir im Keller respektvoll zu behandeln“, sagt Aaron Schwegler – und dieser eine Satz bzw. das eine Wort respektvoll sagt viel über die Herangehensweise des Winzers. Und man hört beim Nachtrinken des Rieslings mit begleitender Unterhaltung heraus, wie viele gedankliche Komponenten zusammenspielen müssen, damit was Gutes und Unverwechselbares dabei herauskommt (vom Handwerk ganz zu schweigen, das setzen wir mal stillschweigend voraus). Dazu gehört auch, den Weinen im Keller Zeit zu geben: „Ein Wein muss auf der Hefe liegen, um was erzählen zu können,“ meint Schwegler.
Aaron Schwegler sieht die drei ursprünglichen Rotweine des Weinguts (Granat als Erstwein, dann Saphir und Beryll) als Symbiose, wo einer die anderen bedingt. Aus welchen Trauben welcher Wein wird, entscheidet sich im Laufe des Weinjahres – einen Automatismus gebe es nicht. „Es sind drei Weine, wo der eine schlecht ohne den anderen sein könnte!“ Die drei Weine sind Langstreckenläufer. Die Lagerdauer sei für deutsche Rotweine einzigartig, meint Matthias Dathan – und die Zeit, die man bis zum Öffnen und Genießen warten sollte, erfordert auch Geduld: Der Beryll ist „eher der kantige Typ, der Dich aber auch umarmen kann“. Nach fünf bis acht Jahre öffne er sich erfahrungsgemäß. Der Saphir mache erst nach zehn, zwölf Jahren auf – und die Wartezeit beim Granat ist noch länger: Bei einer Vertikale, berichtet Schwegler, habe er gerade gemerkt, dass die 93er und 97er jetzt gerade richtig aufdrehen beim Granat. Glücklich, wer so einen Keller hat…
Die Eckpunkte dieses Podcasts:
- 00:34 Vorstellung der Gäste
- 01:15 Im Glas: PetNat
- 07:27 ökologisch bewirtschaftet seit Ende der 80er Jahre
- 10:10 Wie ein Nebbiolo zur Abmahnfalle werden kann
- 09:02 Matthias Dathan
- 14:39 Riesling im Glas
- 15:45 Respektvolles Handeln (auch) im Weinkeller
- 17:54 Gutsweine 2019 kommen jetzt auf den Markt
- 19:29 Riesling Alte Reben
- 21:13 Über Mineralität – und das Weitertrinken
- 23:26 Grauburgunder-Chardonnay
- 25:17 Bei der Ernte: Trauben al dente
- 27:40 Warum „Reserve“
- 29:59 Wird das Mindesthaltbarkeitsdatum für Wein kommen?
- 30:36 Im Glas: Rosé
- 33:02 …und dann auch schon dr Oifache, ein Literwein als Hommage an die Region
- 35:31 Die Liter-Philosophie (mit Schwaben-Bashing)
- 36:19 Pinot Noir im Glas und im Gespräch
- 42:29 … und dann Lemberger
- 43:06 (mit Ausflug in die wunderbare Welt der Synonyme am Beispiel der großen Trollingerbeeren)
- 44:48 die großartigen Drei: Granat | Saphir | Berryl
- 53:16 „Wenn wir Granat drauf schreiben ist Granat drin“
Weingut Albrecht Schwegler
Aaron Schwegler
Steinstr. 37
71404 Korb
Tel. +49 7151 3040137
www.albrecht-schwegler.de
Auf ein Glas – der Podcast der STIPvisiten. Gespräche beim Wein. Über Wein. Über Essen. Und übers Leben, natürlich.
Alle Folgen unter diesem Link: podcast.stipvisiten.de
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