Strümpfelbach gehört nicht zu den Orten, die man unbedingt kennen muss. Wobei: es wäre eine gute Idee, da mal hinzufahren und Marcel Idler zu besuchen. Ist ja auch nicht weit von Stuttgart, man kommt sogar mit den Öffis (plus fünf Minuten Fußweg) zum Weingut mit der ausgezeichneten Vinothek. Die sieht so ganz anders aus als der historische Ortskern mit seinen fotogenen Fachwerkhäusern und dem 1591 gebauten Alten Rathaus von Strümpfelbach. Nein, das Weingut macht mit Sichtbeton, Holz und Glas einen gradlinig-modernen Eindruck. Und ist, wenn man drinnen sitzt, mit Blick auf den Fasskeller und durch die große Glasfront nach außen der denkbar passende Ort, Idlers Weine zu probieren.
Sein Weingut hat Marcel Idler (Jahrgang 1988) direkt nach dem Studium 2012 gegründet, zweieinhalb Hektar groß war es da. Seit 2019 wohnt und arbeitet er nicht mehr im Haus der Großeltern mitten im Ort, sondern im Außenbereich. Rund 10 ha bewirtschaftet er mittlerweile auf Weinbergen, die rund um den Ort auf 30 Parzellen verteilt sind. Die würde er gerne mehr zusammen bringen, damit die Einheiten größer werden (auch wegen des ökologischen Ansatzes, um nicht in den Genuss von der Abdrift konventionell arbeitender Nachbarn zu kommen). „Es ergibt sich gerade viel, wir kriegen Angebote wie noch nie“, stellt Marcel Idler fest. Das helfe beim Arrondieren. Die unterschiedlichen Böden und Lagen, die er hat, möchte Marcel Idler dabei aber erhalten. Und auch die klimatischen Bedingen, die sich ergeben: auf 240 m Höhe liegt der Ort, die Weinberge sind bis zu 400 m hoch – diese Lage sei beim sich ändernden Klima durchaus ein Vorteil.
„Es ist immer gut, wenn man der Erste ist und nicht der Letzte!“ Sagt Marcel Idler bei der Begrüßung des Trupps wissensdurstiger und engagiert probierender Journalisten. Er meint das da zwar wörtlich, weil es noch früh am Tag ist (also zumindest für die Zunft der Schreibenden), aber wir merken schnell, dass man diesen Satz auch generell nehmen könnte. Beim Wöhrwag hat er gelernt, dann in Geisenheim studiert und danach gleich zielstrebig das eigene kleine Weingut gegründet. Biologisch gearbeitet hat Marcel Idler von Anfang an, seit 2018 ist der Betrieb Bioland-zertifiziert. „Verbände sind wichtig“, sagt der junge Winzer, „weil sie den Austausch fördern und sich aktiv für Bio-Anbau einsetzen“.
Noch draußen probieren wir seinen 2018 Pinot brut, 100% Spätburgunder. Der ist weiß gekeltert (ganz sanfte Ganztraubenpressung, 60% Ausbeute), vergoren im (gebrauchten) großen Holzfass. Idler kommt ohne Schwefel und Dosage aus, denn er will den „unverfälschten natürlichen Geschmack“ erhalten. „Da passiert auch nichts, denn durch das lange Hefelager (der Pinot wurde nach 32 Montane degorgiert) und die Kohlensäure sei der Sekt ausreichend geschützt. Der Vorgänger-Sekt lag übrigens bei 36 Monaten – sein Ziel sei ein Rhythmus von 36 bis 40 Monaten. (Weingutspreis: 15,20 €)
Die restlichen Weine – es waren dann am Ende zwölf Proben von den über 20 Positionen, die Idler im Angebot hat – probierten wir in der Vinothek. Spannend dabei war auch, in welcher Reihenfolge Marcel Idler seine Weine präsentierte. Er teilt sie ein in bekannte Kategorien: Gutsweine, Ortsweine, Lagen- und Reserveweine. Und oft probiert man ja genau in der Reihenfolge. Unsere Nummer eins und zwei waren allerdings Ortsweine, gefolgt von einem Gutswein. Dann wieder ein Ortswein und als letzten Weißen gab’s dann einen Lagenwein. Merke: der Gaumen ist nicht zwingend pyramidial und schon gar nicht unbedingt preisorientiert.
Die Weißweine: Schwerpunkt Riesling
Unsere Nummer eins in der Reihenfolge war ein trockener 2021 Sauvignon Blanc. Der Wein wächst an der Waldgrenze auf knapp 400 Metern Höhe. Dort stehen verschiedene Klone, mit verschiedenen Reifegraden. Geerntet wird in einem Rutsch, was einen Mix von reiferen und grünen Trauben zum Erntezeitpunkt ergibt. Stilistisch strebt Idler einen grünen Sauvignan Blanc an – „er soll wie ein Sauvignon schmecken und nicht wie ein Riesling!“ Vegetative und fruchtige Noten halten die Balance bei diesem mit etwas über 11% Alc. leichten Wein (Weingutspreis 12,50 €).
Riesling steht und kommt gut bei Marcel Idler – „man muss nur schauen, wo man was hinpflanzt“. Lagen, wo es früher sauren Riesling gab, seien jetzt oft ideal… Drei Rieslinge probierten wir hintereinander: Im Gutswein stecken Trauben der ersten Lese (von zweien) oder solche von jüngeren Anlagen. Er bekommt eine kürzere Maische als die anderen Weine (zehn bis zwölf Stunden sind es beispielsweise beim Weißburgunder). Mit 11,5 % Alc. ist der im Edelstahl vergorene Wein fein leicht. Und er hat Frucht, schmeckt auch ein bissl verspielt.
Der Ortswein-Riesling heißt und kommt Vom bunten Mergel. Erst ein Teil ist in der Flasche, der Großteil lagert noch: 40% im Holz (Halbstückfass), der Rest im Edelstahl. Ein Glas vom Mergel bekamen wir auch, allerdings nur zum Ansehen und nicht zum Probieren – nicht mal mit der Zunge dran schlecken wollte irgendwer, was vor peinlichen Bildern bei der Weinbeschreibung bewahrt. Wie nahezu alle Weißweine des Weinguts Idler ist dieser Riesling spontan vergoren – hilfreich, wenn man weniger Primärfrucht will (und Marcel idler will!). Der Ortswein-Riesling will jung getrunken werden: „Nach eineinhalb Jahren ist er am besten!“, sagt der Winzer.
Das ist beim Lagenriesling von über 48 Jahre alten Reben schon anders, dem Topp-Riesling vom Nonnenberg. Von Natur aus gibt’s bei den alten Reben geringeren Ertrag, Idler erntet zudem von verschiedenen Höhen, was Spannung reinbringt. Weitere Zutaten: lange Maischestandzeit, ausgebaut im Halbstückfass – plus ein Jahr Reife auf der Flasche: „Ich bringe die Weine gern später in den Verkauf, denn dann läuft er besser! Viele Kunden können das ja gar nicht so einschätzen…“ Das Ergebnis ist ein Wein, den man dann schon bewusst trinkt und nicht einfach nur so.
Kosten? Die Weingutspreise für die drei Rieslinge sind 7,90 € / 9,60 € / 16,00 €.
Die Roten: Rosé – Trollinger – Lemberger
Zum Zwischengang gibt’s einen Rosé. Zwei hat Marcel Idler im Angebot, wie nehmen gleich den für Fortgeschrittene: grenzenlos Rosé heißt er und passt gut zu Gegrilltem, beispielsweise. Es ist ein kräftiger Rosé, denn „leichten Rosé können ja alle, aber diese Art ist schon auch Winzerkunst“, meint Marcel Idler. Er hat dafür Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc und Trollinger zusammen geerntet („die Cabernets bringen den Paprika-Geschmack rein), gemaischt und eine Nacht mazeriert. Weingutspreis: 9,00 €.
Trollinger ist natürlich immer ein Thema, wenn man im Ländle unterwegs ist. Idler exportiert seinen Trollinger auch nach Amerika („dort hat man keine Vorurteile Trollinger gegenüber!“), er wird dort in weißen Flaschen verkauft und kalt serviert. „Die Kunden dort suchen einen leichten Rotwein, den sie gekühlt tinken“ – Leichtigkeit als Lebensgefühl. „Es ist eine leichte Rotweinsorte, die Anspruch haben kann. Sie hat Limits, aber wenn man die akzeptiert, ist alles gut. Man soll nur nicht so tun, als ob es ein großer Rotwein sei!“, meint Marcel Idler und versteht nicht (was es ja durchaus gibt), dass man Trollinger in bester Südlage anbaut, im Holzfass vergärt und dann 14% Alkohol hat – „da habe ich doch keinen Trollinger mehr!“
Wir probieren zuerst den 2021 Trollinger Gutswein, und der hat 12% Alc. Ausgebaut im Edelstahl (alle anderen Rotweine im Holzfass), zwei Wochen Maischegärung, beeriges Aroma ohne ins Marmeladige zu gehen. Poppige Farbe, saftig, kirschig: ein Vesperwein, temperiert serviert. Als Alltagsgetränk ist er bei der Jugend beliebt – „der Generation ohne Vorurteile“, wie Idler sie nennt.(Weingutspreis 7,50 €). Im Vergleich dazu kommt der 2021 Ortswein „Alte Reben“ Strümpfelbach aus dem großen Holzfass, er wurde unfiltriert abgefüllt. Farblich dunkler, geschmacklich intensiver. Er hat weniger fruchtige Aromen und ist schon fast ein kleiner Rotwein 😉 (Weingutspreis 9,40 €).
Und dann: „Meine rote Lieblingsrebsorte: Lemberger!“ Der 2020 Gutswein lag im Holzfass. „Meine Holzfässer fassen meist 300 l oder 500 l – das ist weniger Wein/Fass als beim Barrique.“ Geringe Erntemenge im Jahr 2020 brachten dem Gutswein so etwas wie ein Upgrade. Der Wein kommt von 15 bis 20 Jahre alte Reben und ist schon gut strukturiert, die Farbe geht ins Violette (ist aber gar kein Dornfelder drin!). (Weingutspreis 10,50 €)
Der 2019 Lemberger „Vom Steinmergel“ Strümpfelbach ist ein Ortswein, weicher von den Gerbstoffen mit sehr würzig-pfeffrig-kräutriger Nase. Wir erfahren beim Probieren (das langsam ins Genießen übergeht) etwas über die Weinbergsarbeit: „Mein Ziel ist immer, die Weinberge vom Ertrag so einzustelllen, dass ich kaum noch die Schere ansetzen muss“, sagt Marcel Idler. „Ich halte nichts davon, wachsen zu lassen und im Juli die Hälfte anzuschneiden – das raubt die Energie bei der Pflanze. Das funktioniert beim Lemberger ganz gut.“ 30 hl erntet Idler pro Ar, wobei „ich mich an den Zahlen gar nicht so aufhalte, sondern eher am Geschmack orientiere.“ (Weingutspreis 16,00 €)
2018 war heiß und ein trockener Jahrgang. Dennoch liege der Lagenwein auch bei 13% Alkohol – wie die anderen Jahrgänge auch. Wie man das macht? Eine schnelle Ernte ist das Geheimnis, denn „von reif bis überreif sind es nur wenige Tage“. Farbe, Geruch und Geschmack sind noch mal intensiver. Der Preis auch: 24 €.
Idler Weingut
Lehenweg 21
71384 Weinstadt-Strümpfelbach
Tel. +49 7151 9947699
weingut-idler.de
Hinweis:
Die Recherche wurde unterstützt mit einer Pressereise auf Einladung des DWI (Deutsches Weininstitut).
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