Traumschiffe sehen wohl anders aus. „Das da?“, lautet die etwas ungläubig intonierte Frage eines Unwissenden, als sich ein etwas größerer schwimmender Schuhkarton dem Steg nähert. Zielstrebig, sollte man vielleicht dazu schreiben, denn: „Genau, das da!“ lautet die Antwort einer Wissenden. Ja, die Seenland trotzt auf den ersten Blick allen Klischees vom eleganten Schiff. Aber wir machen ja auch keine Seefahrt, sondern eine See-Fahrt im Salzburger Land – streng genommen sogar eine Seen-Fahrt über zwei Seen. Von Seeham soll uns das elektrisch betriebene Schiff über den Obertrumer See zum und nach Mattsee bringen.
Mattsee (der Ort) liegt am Mattsee (dem See), und dass man mit einem Schiff so ohne weiteres vom einen in den anderen See gelangt, ist ja nicht selbstverständlich. Aber der Landstreifen zwischen den beiden Seen wird durch einen natürlichen Kanal durchbrochen. Fürs Schiff heißt das: prinzipiell kann es da durch tuckern. Aber weil die Menschen eine Straße zur besseren Erreichbarkeit von Mattsee gebaut haben, gibt es eine Brücke über den Kanal – und da wird’s eng, denn die Brücke geht nicht hoch. Dafür geht das Schiff – nein, nicht runter (viel zu wenig Wasser!), sondern es macht sich schlank und leiert das Dach runter. Passagiere werden gebeten, sich zu setzen und nicht etwa durch den offenen Teil des Daches rauszuschauen: da könnte die Brücke dem neugierigen Kopf eine klatschen.
Sowas passiert aber nicht, denn die Seenland hat einen Kapitän, der zwar ein Linienschiff führt, aber (natürlich…) auch ein vorzüglicher Alleinunterhalter auf kleiner Fahrt ist. Also erfährt man von Kapitän Robert dies und das, und natürlich warnt er auch rechtzeitig vor niedrigen Brücken wie eventuellen Abständen zum Steg beim Verlassen des Bootes. Linienschiff ist übrigens eventuell ein irreführender Begriff, denn die Taktung der Fahrten ist nicht so arg groß: in der Hauptsaison (Juli/August) zweimal täglich mit einem Ruhetag, in der Nebensaison unter der Woche an zwei Tagen gar nicht, an drei Tagen nur eine Tour und am Wochenende wie in der Hauptsaison. Klingt kompliziert, ist es aber nicht, wenn man im Juli da ist.
Die Bootstour startet in Mattsee und führt über Seeham nach Obertrum und zurück – und wenn man das geschickt macht, kann man mit Tour eins mal eben schnell von Seeham nach Mattsee schippern, dort im Restaurant Lustreich gut essen gehen, einen Verdauungsspaziergang machen, dann mit Tour zwei das volle Programm über Seeham nach Obertrum wählen und dort in der Vinothek Vinofox den Abend fachgerecht einläuten. Zurück nach Seeham fahren Busse! Für Sparfüchse: mit der Seenland Card, die uns der Vermieter der Ferienwohnung bei der Ankunft überreichte, kann man das Schiff kostenlos nutzen. Und freitags kann man in den Bussen des Salzburger Lands ebenfalls kostenlos fahren! Jedenfalls war’s so im Juli 2022…
Eine Seefahrt (clicken öffnet mehr)
Wir starteten die Tour in Seeham zur Mittagszeit, denn dann ist die Seenland auf der Rückfahrt der Tour 1 und pünktlich zum Mittagessen in Mattsee. Der Anlegesteg befindet sich direkt neben der Seebühne von Seeham, die zwar nicht so gigantisch wie die große Schwester in Bregenz ist, aber seit 1997 im Juli gut besuchtes Sommertheater en suite spielt und ansonsten mit Einzelveranstaltungen wie Konzerten oder Kabarett die Abende abwechslungsreich macht.
Die ersten schönen Aussichten ergeben sich schnell nach dem Ablegen mit dem Blick zurück: Seeham von der Seeseite. Komplett mit Seebühne, Pfarrkirche dahinter, Strandbad und Segelschule vor prächtig grüner leicht bergiger Landschaft (so richtig hoch geht’s erst, mit entgegengesetzter Blickrichtung, im Hintergrund). Näher dran ist eine Halbinsel, die man schon grob vom Ufer in Seeham aus sah: der Wartstein. Die Kapelle, an der sich das Auge fängt, kann man vom Ort aus erwandern und dann nach Seeham rüber gucken. Wir haben das nicht gemacht und sind ja auch noch gar nicht da, sondern erleben nun erst einmal, wie sich das Dach flach macht. Sehr sehr langsam tuckert das Boot von See zu See – links und rechts Schilf und über uns die Johannisbrücke. An dieser Stelle muss es erlaubt sein, den Text auf der Webseite des Salzburger Seenlandes zu geißeln: „Die „Seenland“ ist das einzige Schiff in Österreich, das zwei Seen, den Mattsee und den Obertrumer See, die durch die Johannisbrücke verbunden sind, befährt.“ Was für ein geistiger Dünnpfiff bei monströsestmöglichem Satzbau!
Jenseits der Brücke kurbelt sich das Dach wieder hoch und gibt den Blick frei auf den Mattsee, der an diesem Tag karibischblau und mit leichtem Wellengang einen prima Eindruck hinterlässt. Das Boot macht einen großen Bogen und gibt Käpt’n Robert die Chance, die berühmten ehemaligen und jetzigen Bewohner der See-Anrainer zu erwähnen. Ach ja, es sind schon schöne Anwesen!
Mittag beim Seewirt (clicken öffnet mehr)
Vom Anleger Mattsee zum Seewirt und seinem gepriesenen Restaurant Lustreich ist es nicht weit, und da wir beim Reservieren statt einer Zeit angegeben hatten, mit dem Schiff zu kommen, gab’s hinzu auch keine Umwege. Der Hotelbereich des Seewirts wirbt mit dem Slogan „wo das Glück zum Kuscheln nah ist“ – wir erlebten die kuschelfreie Variante mittags auf der Terrasse, auf der sich ein supernetter wissender Kellner und etliche nicht gezählte Flugobjekte um uns bemühten. Wichtig bei derlei heiß begehrten Plätzen mit Blick auf den See ist ja nur, dass sich alsbald zwei Tische weiter jemand hinsetzt, der süße Limonade bestellt…
Limo gab’s bei uns nicht, aber der Salzburger Wermut vom Sporer on the Rocks (7,90 €) regte nicht nur uns an. Es saßen zwar – wie gewünscht – genug Familien mit Limo-Kindern in der Nähe – aber die Essenz aus (österreichischem) Weißburgunder und Wachauer Weinbrand mit Bergwermut und über 20 Kräutern, Gewürzen, Bitters und Zitrusfrüchten roch dann zu verlockend. Was BienenWespenHummelnUndso nicht erfuhren: es schmeckte noch besser als der Geruch versprach! Zum Wein – wir hatten uns nach bester Beratung für 2019 Grüner Veltliner Ried Lamm, Erste Lage DAC von Alwin und Stefanie Jurtschitsch entschieden – ließ uns das vereinte Flugwesen in Ruhe, was eine gute Idee war (Flasche 69 €).
Der GV vom Ried Lamm ist nicht nur ein Langstreckenläufer, der gut und gerne noch zehn Jahre eher besser wird, sondern auch schon jetzt ein ganz fabelhafter Begleiter zum Essen: fruchtig ist er, vielschichtig-mineralisch. Sogar zum kräftigen Käse, den wir zweimal mit auf dem Teller hatten, konnte er sich behaupten. Lediglich zum Dessert gab’s dann eine Alternative (auch weil die Flasche leer war…) in Form von einer edelsüßen Auslese sowie einem Saudade von Dorli Muhr (mehr zum Saudade hinter dem Link).
Küchenchef Helmut Blüthl versteht es, regionale Produkte optisch wie geschmacklich auf den Punkt zuzubereiten. Kräuter baut er selbst an, näher und frischer geht’s nicht. Der Einsatz vom (in der Region natürlich typischen und meistens in Bio-Qualität hergestellten) Käse gleich bei zwei der von uns gewählten Gerichte mag verwundern – aber wir hatten die Gänge so aufgeteilt, dass jede(r) nur einmal Käse hatte. So passte es primstens (und Naschproben ergaben, dass die beiden Käses durchaus sehr unterschiedlich schmeckten…)
- Gedeck mit frisch aufgebackenem Brotlaib von der Bäckerei Rösslhuber und Aufstrich (3 €)
- Gazpacho in der Espressotasse als Amuse
- Mit Gin-Aromen gebeizte Lachsforelle mit Avocado, Zitrusfrüchten und Biancolila-Olivenöl (19 €)
- Zucchini-Carpaccio mit Paprika-Vinaigrette, Pinienkerne, hausgeräucherter Mattigtaler Frischkäse, sautierten Lungauer Eierschwammerln und Kapuzinerkresse-Eis (19 €)
- Scheiben vom Lochner Rinderrücken (Tagliata) mit gebratenen Lungauer Eierschwammerln, Kirschtomaten, Rucola und Mattseer „Buchberg Kristall“ Bergkäse (29 €)
- Saibling oder Forellen im Ganzen vom Kapeller-Fischer in Seekirchen mit Petersilkartoffeln und Mandelbutter (22 €)
- Crepé „Daniela“ – eine Hommage an die Chefin Frischer Palatschinken mit Mohn-Fülle, Himbeeren, Salted Caramell Sauce und Tonkabohnen-Tahiti-Vanille-Eis (10 €)
Kleine Mattsee-Bummelei (clicken öffnet mehr)
Es sollte nicht mehr als ein kleiner Verdauungsspaziergang sein, aber den kann man sich in Mattsee durchaus auch hübsch gestalten. Zuallererst der Blick auf den See. Wieder und wieder: beruhigend, malerisch, hach! Dann geht’s ins Dorf, vorbei am Stiftsmuseum zur Stiftskirche, einer Basilika mit hohem langgestreckten Mittelschiff und zwei niedrigen Seitenschiffen. Der frühgotische Bau stammt aus der Zeit um 1276, er steht am gleichen Ort wie die ursprüngliche Kirche aus dem Jahr 777. Der 60 m hohe Kirchturm ist noch jünger, er wurde 1766 erbaut und trägt den Beinamen Goliath des Mattiggaues. Zwar ragt „kein anderer Turm der näheren Salzburger Umgebung … so weit in den Himmel“ (Prof. Adolf Hahnl 2016 in Mattseer Stiftsblätter, S. 12–16), aber einen passenden David haben wir trotz aufmerksamer Suche nicht gefunden.
Vorbei geht’s am Schloss-Hotel, dessen rot-weiße Fensterläden uns schon vom See aus aufgefallen waren. Wir sind wild entschlossen, den Schlossberg zu erklimmen – immerhin fast zehn Höhenmeter, die sich aber lohnen! Vor allem, wen wundert’s, Blicke auf die Weyerbucht, in der kleine Segelboote weiße Tupfer ins türkisfarbige Wasser zaubern. Ein Schild warnt: Abseits des Weges Absturzgefahr, aber wir haben es dennoch geschafft. „Das Schlossrestaurant verspricht kulinarische Genüsse“, lesen wir auf der Webseite. Wir haben aber nicht überprüft, ob Gekochte Würstel mit Senf, Kren und Gebäck oder Schweizer Wurstsalat mit Gebäck das Versprechen einlösen können. Die Aussicht von der Terrasse ist jedenfalls schön, und hundert Meter weiter ist man auch schon wieder am Anleger des Schiffs.
Das legt pünktlich ab und bringt uns noch vorbei am ältesten Strandbad der Trumer Seen. Das jetzige Strandbad von Mattsee wurde 1928 nach Plänen des Wiener Architekten Franz Mörth errichtet – es folgte dem Vorgängerbau von Heinrich Wallmann aus dem Jahr 1869. Das Kabinen- und Buffetgebäude wurde im Salzkammergut-Stil erbaut und ist zwischenzeitlich renoviert.
Wir sind dann noch, wie geplant, via Seeham nach Obertrum geschippert – aber das ist eine eigene Geschichte!
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