Im September vergangenen Jahres war ich schon mal da – im kleinen Pressetross und für knapp eine Stunde. Das war zu kurz bei so viel Schön – also waren wir jetzt wieder in Iphofen, und zwar nicht nur einen Tag (wie im ersten Bericht gemutmaßt), sondern gleich mehrere.
Ein Bummel durch die Gassen von Iphofen ist per se nicht wirklich lang: die Altstadt kann man auf nicht mal zwei Kilometern Weg umlaufen, die Fläche von rund 190 m² hat eine überschaubare Zahl von Straßen und Gassen. Zahlreiche Details machen den Spaziergang aber lang, und pausieren kann man ja auch immer wieder mal: 20 Winzerbetriebe sind für eine 4.782-Einwohner-Stadt (Wikipedia) ja schon ein ordentlicher Schnitt, wie soll man sich denn da durchprobieren? Einfache Antwort: in der Vinothek (nächster Abschnitt). Aufwändigere Antwort: bei Winzerbesuchen. Wir machten 2021 die Bekanntschaft von Werner Emmerich und besuchten dieses Mal für unseren Podcast Auf ein Glas Steffen von der Tann. Spontan waren wir in der Vinothek, im Weingut Hans Wirsching und lernten über den Umweg des Bistro & Wein die Weine von Thomas Mend kennen.
Drei Tore hat Iphofen, und durch alle sollte man mal gehen. Das funktioniert problemlos, weil rund um die Stadtmauer ein Weg verläuft, den man laufen wie mit dem Rad nutzen kann. Laufen macht mehr Spaß, weil man eh alle Nase lang für ein Foto anhalten muss. Es gibt nämlich zusätzlich zu den drei Toren (Rödelseer, Mainbernheimer, Einersheimer) auch noch Türme sowie ein zugemauertes Tor, das Pesttor. Alle offiziellen Sehenswürdigkeiten sind übrigens gut beschildert, touristenfreundlich sind es kurze und verständliche Texte. Iphofen kann sich das leisten, die Stadt hat Geld: das weltweit tätige und erfolgreiche Unternehmen Knauf (genau, die mit dem Gips) hat den Hauptsitz in Iphofen. Auf Fotos aus den Weinbergen sieht man im Hintergrund meistens die großen Anlagen des Werkes. In Iphofen sorgt das Knauf-Museum für einen der wenigen zeitgenössischen Akzente im ansonsten weitgehend sanierten old style mit Fachwerk und fein herausgeputzten Bürgerhäusern. Insgesamt ist das ein wohltuender Mix, zu dem einige ursprüngliche Details kommen, die mit leicht marodem Charme das Bilderbuch sogar bereichern. Wäre ja schön, wenn sie sozusagen als Stadt-Architektur-Biotope erhalten blieben.
Was in keinem Reiseführer steht, weil es ja nicht unbedingt dingfest zu machen ist, sollte an dieser Stelle aber auch einmal Erwähnung finden: die Freundlichkeit der Menschen. Ob in den gastronomischen Betrieben oder in der Fahrradwerkstatt von Zweirad Herrmann, wo eine qietschende Scheibenbremse unkompliziert ohne Voranmeldung sofort zum Schweigen gebracht wurde, ob beim Bummel die alte Frau in Clogs und Kittelschürze, die uns einfach fragte, wo wir denn herkämen oder (nicht in Iphofen, sondern nebenan in Mainbernheim) der Einheimische, der uns Fotografierenden Tipps für den einen oder anderen sehenswerten Hinterhof gab.
Die Vinothek ist eine ganz ausgezeichnete Vinothek, auch wenn sie (noch) nicht zu den vom DWI ausgezeichneten gehört. Beim Besuch 2021 stand sie pächterlos in der Stadtlandschaft, nun hat sie nach eineinhalb Jahren Leerstand seit März 2022 wieder geöffnet und bietet dem Gast die Möglichkeit, Weine von 18 Winzern (m/w/d, wie immer hier) zu probieren. Um die beliebte Formulierung aufzugreifen: es sind von A (wie Weingut Arnold) bis Z (wie Bio-Weingut Zehntkeller) nahezu alle dabei, die Rang und Namen haben. Von jedem Betrieb gibt es drei Weine zur Auswahl, da hat man zu tun. Oder man lässt sich beraten, was bei unserem Besuch kompetent und freundlich geschah.
Die Vinothek verbindet Alt (im barocken Mesnerhaus) und Neu (Pavillon mit Glas, Stahl und Holz), es gibt einen Gewölbekeller und eine Stuckstube – und bei gute Wetter einen Hof zwischen beiden Gebäuden. Die Rahmenbedingen stimmen also. Etwas ungewohnt, aber sicher demnächst häufiger anzutreffen in der an Personalmangel leidenden Gastronomie, ist das Prinzip der halben Selbstbedienung: bestelt wird drinnen an der Theke, der Service bringt die Sachen dann raus (und nahm beim Abräumen an unserem Tisch aber auch gerne Nachbestellungen auf).
Der Bestellvorgang ist nicht so einfach, wenn man doch alles wissen und am liebsten auch probieren würde. Die geduldige Beratung hilft aber weiter, und ein befreundeter Weinkenner aus Dresden hatte netterweise empfehlenswerte nicht so allgemein bekannte Weingüter genannt, damit war die erste Runde klar. Draußen im Hof gab’s einen freien Tisch, darauf die Karte aller Weine: nahezu ganz Iphofen vereint. Das liest sich gut, man möchte länger bleiben. Da kommen die kleinen Essensangebote gerade richtig, wo wir schon immer über „was würdest du denn zu diesem Wein essen?“ reden. Alles auf der Karte ist fränkisch, also passt auch alles, mehr oder weniger. Die von fast jedem frankischen Winzer bei Weinproben immer als passend erwähnte Fränkische Brotzeit gibt’s natürlich auch, aber uns war nach geräucherten Bratwürsten mit Merrettichsalat einerseits und Ziegenkäsetaler mit Linsensalat andererseits (je 8,50 €). Beides im kleinen Weckglas serviert, beides Kategorie nicht besonders, aber dann doch irgendwie aufgegessen – kennt man ja.
Das Brot dazu kam von einer Iphöfer Institution: Bio-Bäcker Franzenbäck. Gefühlt haben alle Gastronomen deren Brot (gefühlt schreiben Journalisten gerne, wenn sie zu faul zum Recherchieren sind – manchmal stimmt’s dann aber sogar), was passt. Der junge Bäckermeister sagt ja selbst: „Bio ohne Backen ist wie Franken ohne Wein“ und deutet die innig gute Verbindung Brot und Wein an. Und weil man ja gar nicht immer Brot braucht, gibt’s die wirklich grandiosen Iphöfer Weinkracher. Ein herrliches Knabbergebäck mit Sauerteig, Sesam, Käse und so. Der Genuss leitet einen Kreislauf ein: mehr Wein! Und dann: mehr Weinkracher! Und so weiter.
Am Marktplatz duckt sich klein neben einem raumgreifenden Italiener die Iphöfer Kammer. Beim ersten Besuch hatte ich sie gesehen und fand bemerkenswert, dass da stand: „Restaurant. Weine aus dem Weingut Hans Wirsching“. Das hatte sich eingeprägt, und so hatten wir (die Kammer bietet im Gastraum 18 Personen Platz, bei gutem Wetter auf der Terrasse sind es nur zwölf Sitzplätze) langfristig vorher reserviert. Es gab zwei reservierte Tische: einer drinnen, einer draußen – Kleinigkeiten wie diese gefallen uns!
Der Abend begann mit einem Sekt – und wieder gab’s einen schnellen Pluspunkt: offen gab’s die Cuvée brut, nur als Flasche den Silvaner extra brut. Wenn wir den lieber wöllten, würde sie die Flasche gerne für uns öffnen, meinte Heidrun Kaufmann, die sich den ganzen Abend als sehr liebenswürdige Gastgeberin um uns kümmerte. In der Küche steht Markus Lösch, wo wir gerade bei den Personen sind – und das war’s mit Personal. Und es reichte zum Glücklichsein! Lösch ist Slow-Food-Anhänger und schickt die Gerichte zügig, aber auch nicht zu schnell. Da bleibt Zeit für gute Gespräche (oder wie das heißt). Draußen sitzend natürlich auch für Beobachtungen: Leute schlendern mit einem Glas Wein in der Hand vorüber, man möchte an gelassene italienische Heiterkeit denken. Wenn da nicht der Italiener nebenan wäre, wo der Chef coram publico laut und anhaltend einen seiner Mitarbeiter fertig macht.
Bei uns ging es ebenfalls italienisch-heiter und ganz ohne Geschrei zu. Die Weine hatten wir als passende Weinbegleitung erbeten, in der Karte stehen die von uns getrunkenen nur als Flasche: nächster Pluspunkt, dass so etwas geht. Und natürlich passten die Weine nicht nur zum Essen, sondern auch zu unserem Geschmack.
Wir tranken
- 2018 Wirsching Silvaner extra brut
- 2021 Iphöfer Kalb Silvaner, VDP Erste Lage
- 2020 Iphöfer Kalb Gewürztraminer, Spätlese, VDP Erste Lage
Wir aßen
- Brot aus der Suppenterrine 😉
- Amuse: Schinken und Melone
- Tatar Lachsforelle | Avocado (14 €)
- Gazpacho | Scampi (9 €)
- Perlhuhn | Ratatouille | Rosmarinkartoffeln (27 €)
- Rotbarsch | Fenchel | Tomatenpolenta (28 €)
- Créme brulèe vom Espresso (7,50 €)
- Gorgonzola | Apfel | Chicorée (11 €)
Das alles kam unprätentiös auf den Tisch (also schon im Teller, der erst auf den Tisch…) und schmeckte ohne Einschränkung primstens: perfekt gegart, gut gekräutert und gewürzt, korrekte Portionsgrößen – und eh wir noch anheben konnten zu jammern über die köstliche, aber sehr sparsam drapierte Sauce bei Perlhuhn, stand eine Sauciere auf dem Tisch: „Falls Sie mehr davon mögen!“ Ja, wir mochten.
Das VDP-Weingut Hans Wirsching gehört zu den bekanntesten in Iphofen. Wir waren zweimal da: das erste Mal nur zufällig, weil wir ziellos durch die Stadt schlenderten, es sahen und einfach nur mal reinschauen wollten. In der Vinothek war niemand – eine vorbei huschende Mitarbeiterin rief uns zu: „Ich hole gleich jemand, der sich kümmert“. Nicht nötig, meinten wir, wir sind eh gleich wieder weg. Aber dann kam doch jemand: Heinrich Wirsching, der Senior. Eine beeindruckende Persönlichkeit, dem man sein Alter (er ist Jahrgang 1933) nicht anmerkt. Es mag kitschig klingen, aber: wenn man mit so einem schlauen, lebensfrohen, unterhaltsamen Mann redet, beschleicht einen Ehrfurcht und Dankbarkeit – Dinge, die man beim Weingenuss ja meist nicht mehr so im Sinn hat.
Den schönsten Satz über Heinrich Wirsching hörten wir dann am nächsten Tag beim richtigen Besuch mit Weinprobe von seiner ältesten Tochter Andrea. Wir sprachen über die Weingutstradition (Weinbau seit 1630 steht im Logo) und wie es weiter geht. „Mein Vater hat für einen reibungslosen Übergang gesorgt, indem er mit seiner zweiten Frau die Nachfolge der ersten Generation ermöglichte!“ Die deutlich jüngere Tochter Lena wird also von Andrea zur gegebenen Zeit die Geschäftsführung unternehmen – aber zusammen machen sie (schon seit 2011) die Linie „Sister Act“. Die gibt es in der schlanken Schlegeflasche als Silvaner und als Riesling, beide mit Gärung im großen Holzfass mit den traubeneigenen, wilden Hefen und (natürlich, wir sind in Franken) trocken ausgebaut.
Bei der Weinprobe, durch die uns kenntnisreich und unterhaltsam-kurzweilig ein GG führte (Georg Grün, auch so eine Art Großes Gewächs…), waren die beiden Schwester-Weine natürlich auch dabei. Jahrgang 2019 klingt ja gar nicht mehr so jung, und Name wie Optik lassen ja auf den ersten Blick auf ’ne schnelle Nummer schließen. Aber hier irrt der Genießer: Sister-Act-Weine sind Langläufer, denen man einige Jahre des Vergessens gönnen sollte. Weine für sofort? Ist schwierig. Man kann natürlich 21er Ortsweine Riesling oder Silvaner kaufen, wenn’s dringend ist. Aber die Ersten Lagen oder Großen Gewächse sollten schon ein wenig reifen, um das volle Potenzial des fabelhaften Julis Echter Berg auszuleben. Also: kaufen und liegen lassen (oder jemanden kennen, der liegen gelassene im Angebot hat). Das gilt auch für den von uns immer sehr doll gemochten TriTerra – wir stören uns ja nicht mal am irreführenden Namen, denn es sind nur zwei Lagen (Julius Echter Berg und Kronsberg), aber drei Sorten (Grauburgunder, Weißburgunder, Chardonnay), die in dieser burgundischen Cuvée reiften. 30 Jahre alte Reben im kalkreichen Keuper: das ist eine gute Grundlage! Der Ausbau sorgt dann für den Kellerpfiff vons Ganze: die ersten acht Wochen im Edelstahltank, danach zwei Jahre Reife im Barrique. Der von uns probierte 2020er raunte uns zu: lass! mich! liegen! Das gönnen wir ihm.
Der Bocksbeutel soll ja an einen Ziegenhoden erinnern, wobei ich weitaus mehr Bocksbeutel als Ziegenhoden in der Hand hatte. Seit 2015 eckt der Beutel an: weil einige Weinfunktionäre meinten, der alte Bocksbeutel sei in die Tage gekommen, beauftragte man den namhaften Designer Peter Schmidt, was Moderneres zu machen. Heraus kam ein Bocksbeutel, wo es viel zu meckern gibt: eckiger als der Vorgänger ist er, teurer auch. Vielen Winzern kommt der neu Bocksbeutel gar nicht so chic vor – sie verwenden einfach die alte Form – auch wenn die neue Flasche 2017 den Deutschen Verpackungspreis in der Kategorie Gestaltung und Veredelung und den Deutschen Verpackungspreis in Gold gewann sowie 2018 die Produktinnovation in Glas des Aktionsforum Glasverpackung für sich entschied.
Für die Landesgartenschau 2018 in Würzburg hatten sich zehn Studierende der Hochschule Würzburg/Schweinfurt – Studiengang „Kommunikationsdesign“ und ein Student der Architektur von der Universität Leipzig an einem langen Wochenende im Lehr- und Versuchskeller der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim an zehn übergroßen Formen des neuen Bocksbeutel PS abgearbeitet, um sie mit künstlerischen Motiven zum und über den Wein zu versehen. Die Buddeln stehen jetzt in Iphofen und sind auf jeden Fall ein Hingucker und somit sicher eine gelungene Marketingaktion für die neue Flaschenform.
Wer Weine von Thomas Mend probieren will, kann das quasi im Vorübergehen mitten in Iphofen tun. Dort gibt es gegenüber dem Knauf-Museum sein Bistro und Wein, das von 12–20 Uhr geöffnet hat: klingt nach ’nem Mittagsplan! Drinnen sitzt an diesem Sommertag kein Mensch, denn gegenüber vom Bistro & Wein gibt es (hinter Lattenzaun, welcome to Gartenzwerghausen!) einen netten Gästegarten. Die Bedienung ist fix da und kommt von Anfang an symphatisch rüber, was sich auch nicht ändert. Könnte gerne immer und überall so sein!
Thomas Mend führt das 9-ha-Weingut in vierter Generation, sein Wein wächst auf dreien der bekannten (und von Kennern geschätzten) Lagen Julius-Echter Berg, Kronsberg und Kalb. Seit 1992 arbeitet Thomas Mend im Weingut, damals „als jüngster Weingutsbesitzer Iphofens mit 22 Jahren“. Von Anfang an war seine Philosophie: kein Wein von der Stange, kein Mainstream, keine technisch gemachten Weine – sondern Handarbeit, viel Fleiß, Kraft und Ausdauer. „Wichtig sind mir meine 36.000 Rebstöcke hinsichtlich der naturnahen Bearbeitung. Ich bin der Chef im Keller und im Weinberg und gebe allen Weinen meine persönliche Handschrift mit – ehrlich, geradlinig und ohne viel Schnick-Schnack.“
Die Bistrokarte spiegelt die Produktpalette des Weinguts wider (inklusive das Experiment mit einem dänischen Freund – seit 2009 wachsen auf Jütland Mend-Weine!). Wir hatten zum Ankommen einen Secco rosé, den Sommer Mend . Das ist eine Cuvée aus der in Franken sehr beliebten Sorte Domina und Spätburgunder – ein kräftig-fruchtiger und angenehmer Durschtlöscher mit spürbarer Säure bei relativ wenig Restzucker. Das übersichtliche Speiseangebot wird als regionale Tapas bezeichnet, das obligate Brot in jeglicher Form liefert der Nachbar Franzenbäck. Wir probierten die sehr erfrischende kalte Gurkensuppe und danach Ciabatta, einmal mit Salami und einmal mit Ziegenkäse – beide Male sehr ordentlich als Mittagssnack. Dazu empfahl die Bedienung einen Silvaner aus der Steillage der Iphöfer Kalb, mithin: Keuper-Mineralik pur. Es lebe der Mittagswein!
Iphofen, Tourist-Info, Kirchplatz 1, 97346 Iphofen
Vinothek Iphofen, Kirchplatz 7, 97346 Iphofen
Iphöfer Kammer, Marktplatz 24, 97346 Iphofen
Weingut Hans Wirsching, Ludwigstr. 16, 97346 Iphofen
Bistro und Wein, Pfarrgasse 24, 97346 Iphofen
Hinterlasse jetzt einen Kommentar