Von der Kampa-Insel zu Ginger und Fred

Prager Palaver (9)

Die Bilder für diesen Beitrag waren auf der Plattform Ipernity gehostet und wurden dort gelöscht. Es dauert etwas, bis die Fotos wieder hier erschienen – sorry.

Blauer Fuchs

Die Kampa-Insel hat sich ein ganz eigenes Flair bewahrt – trotz der vielen Touristen, die sie mittlerweile heimsuchen, und trotz der Tatsache, dass sie gar keine richtige Insel ist: Im Süden hängt sie, unweit der Legii-Brücke, am Land. Auch sonst ist nicht viel Wasser drum herum: ein Nebenarm der Moldau, der Teufelsbach (Certovka) genannt wird, trennt sie vom Festland. Das und die niedrige Lage der Insel hat aber gereicht, um das Kampa-Land in frühren Jahrhunderten regelmäßig zu fluten. Erst seit dem 15. Jahrhundert hat man hier gebaut: Wassermühlen, Häuser für einfache Leute und – am Moldauufer – ansehnliche Palais. Genau dieser Mix macht den Charme aus, denn heute ist alles aufs Feinste restauriert und sehr ansehnlich.

KarlsbrückeMan kann die Insel von der Karlsbrücke besteigen: Die Brücke steht mit ihren westlichen Pfeilern nämlich auf Kampa, und eine wunderbar fotogene Treppe führt rauf wie runter, wie das Treppen nun einmal so zweiseitig in sich haben. Man landet direkt auf dem Dorfanger, einem gemütlichen Platz mit ansehenswerten Häusern am Rande und einer Flaniermeile mit Bäumen in der Mitte. Im Sommer finden hier (wie früher) Töpfermärkte statt, als wir da waren, gab es open air Kunst: Die Tschechische Republik hat im ersten Halbjahr 2009 die EU-Ratspräsidentschaft übernommen, und das merkt man immer mal wieder in der Stadt. Auf angenehme Weise wird man hier mit Politik konfrontiert, zum Beispiel mit Kunst.

Europe without Barriers„Europe without Barriers“, ein Europa ohne Barrieren, ist das Thema, dem sich StudentInnen von tschechischen Kunst(hoch)schulen gestellt haben. Sie haben Poster entworfen, die nun auf dem Marktplatz von Kampa gezeigt werden. Schöne, anregende Werke sind dabei – und dass sie da so selbstverständlich mitten im Raum stehen, steht sowohl der Kunst wie auch der Politik bzw. der Auseinandersetzung von beiden ganz gut an. Die Namen der KünstlerInnen sind auf den Rahmen der Poster verzeichnet – aber eine gemeinsame Webseite habe ich nicht gefunden, auf der man alle Werke sehen kann, auch ohne in Prag zu sein. Muss man denn alles selber machen?

BabiesEin wenig weiter südlich bzw. flussauf gibt es schon wieder Kunst, und zwar heftig: Da krabbeln drei Babies völlig nackicht über den Schnee. Sie haben wunderbar runde Knackärsche und einen gewöhnungsbedürftigen Gesichtsausdruck. Wer nun vermutet, dass so etwas Skuriles wahrscheinlich dem Herrn David Černý zuzutrauen ist: Stimmt. Krabbelnde Babies haben es ihm angetan, seit dem Jahr 2001 versuchen zehn dieser erstmals 1994 gezeigten Schnuckelchen, den Prager Fernsehturm hoch zu krabbeln…

Kampa MuseumEs ist natürlich kein Zufall, wo die drei Babies da auf der Insel Kampa sich rumtreiben: Direkt neben ihnen steht nämlich das Museum Kampa – eine umgebaute und für museale Zwecke erweiterte Mühle. Die private Sammlung von Jan und Meda Mládek ist hier zu sehen – wer moderne Kunst mag und/oder sich für architektonische Raumgefüge interessiert, sollte reingehen! Ein Spruch steht über dem Eingang, er ist das Motto des Hauses – man sollt sich ihn merken: If a nation’s culture survives, then so too does the nation.

um halb fünfDie Legii-Brücke bringt uns trockenen Fußes über die Moldau. Es lohnt sich, ab und an flussabwärts zu schauen: Die Burg links, die Karlsbrücke voraus, der Altstädter Brückenturm und das ihn umgebende Ensemble lohnen sich bei jedem Licht, aber besonders in der blauen Stunde, die bekanntlich im Winter höchstens 15 Minuten dauert (wir sind deswegen nochmal zurück gekommen, weil’s auf dem Hinweg noch zu hell war).

JugendstilfrontAm rechten Moldau-Ufer gehen wir weiter flussaufwärts. Die Häuserzeile am Flussufer wirkt sehr pariserisch – wobei stolze PragerInnen sicher sagen werden, dass ihnen die Häuser an der Seine sehr pragerisch vorkommen. Egal: Hier feiert der Jugendstil oft noch unrestauriert Urstände, und wenn es an der Magistrale nicht so laut wäre, könnte man hier mit Wahnsinnsblick auf Moldau und Kleinseite gegenüber wunderbar wohnen.

Dancing HouseDas Ziel unserer Bummelei ist ein Haus, das 1996 fertig gestellt wurde uns damals – wie sich das gehört bei modernem dekonstruktivistischem Bauen – mit Aufschrei begrüßt wurde: Der tschechische Architekt Vlado Milunić hat das Tanzende Haus in Kooperation mit dem kanadischen Architekten Frank Gehry gebaut – und wie das so ist in unserer namenshörigen Zeit, erinnern sich die meisten nur noch an den Gehry als Architekten. Dafür bekommt der dann auch allein die Prügel ab, wenn Gerhard Matzig in der Süddeutschen Architekturkritik übt (Die Väter der Kulisse, SZ vom 2.2.2009). Das Ensemble wird übrigens manchmal auch Ginger und Fred genannt – wobei es erstaunlich ist, dass 1996 noch jemand Fred Astaire und seine Partnerin Ginger Rogers so gut kannte, um sie als Vorbild für ein Tanzpaar zu nehmen! Oben auf dem Dach von Ginger und Fred gab es übrigens mal ein Restaurant, von dem man besonders die Aussicht rühmte. La Perle de Prague, das keineswegs preiswerte französische Küche servierte, hat zum 30. September 2008 geschlossen. (Die Webseite war 2009 bei unserem Besuch noch online, die Speisekarte auch, mittlerweile nicht mehr).

Prager Spaziergänge mit Geotags bei Google

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